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18.09.2001 00:00

Der aktivierende Staat im Kreuzfeuer: Fördern von Eigenverantwortlichkeit oder Freibrief für Sozial

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    Workshop am Institut Arbeit und Technik diskutierte das Konzept und seine Folgen für die soziale Arbeit

    Ist das Konzept des "aktivierenden Staates" heute die Rechtfertigung für Sozialabbau in der Arbeitsförderung und Sozialhilfe? Oder hat es sich als Leitprinzip für einen zielgerichteten und effizienten Umgang mit öffentlichen Mitteln bewährt und zur Mobilisierung von mehr Engagement in Wirtschaft und Gesellschaft für die Lösung sozialer Probleme beigetragen? Auf einem Workshop im Institut Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) diskutierten jetzt renommierte Experten aus Wissenschaft und Praxis kontrovers über den "Aktivierenden Sozialstaat und die Folgen für die soziale Arbeit".

    Das am IAT entwickelte Konzept des aktivierenden Staates, das inzwischen auch Eingang in die aktuelle Politik gefunden hat, orientiert sich an "praktischen Erfordernissen des Strukturwandels und der Verwaltungsmodernisierung; in der Sozialpolitik zielt es auf einen besseren Umgang mit öffentlichen Geldern und keineswegs auf Sozialabbau", so Dr. Josef Hilbert, Leiter der Abteilung Dienstleistungssysteme am IAT. Das Konzept weist einen Ausweg aus der Zwickmühle zwischen Allzuständigkeit und finanzieller Begrenzung des Staates durch eine aktive Mobilisierung der Gesellschaft. Anstatt Aufgaben zu verstaatlichen oder zu privatisieren sollen die Selbststeuerungspotenziale gesteigert werden. Individuelles Engagement wird gefordert und gefördert. "Der aktivierende Staat hebt aber nicht den moralisierenden Zeigefinger, er setzt an den Eigeninteressen an und gestaltet die Rahmenbedingungen so, dass sich ein Engagement für den einzelnen lohnt und auch für die Gemeinschaft Nutzen stiftet", erläuterte Dr. Sybille Stöbe vom IAT. Dass das in der Praxis funktioniert, zeigen Projekte, die das IAT etwa für die Bereiche Gesundheit und Soziales sowie Seniorenwirtschaft in die Wege geleitet hat.

    Die Kritiker des "aktivierenden Staates" befürchten, dass schon mit der derzeitigen Handhabung und anstehenden Verschärfung der Vorschriften von Arbeitsförderung und Sozialhilfe "die soziale Arbeit zur Armenpolizei degenerieren könnte", so Prof. Dr. Achim Trube, Universität Siegen. Der Staat spiele eine suspekte Rolle, wenn durch nicht funktionierende Förderangebote "die Creme abgeschöpft" und ein großer Teil der Arbeitslosen weiter ausgegrenzt, zu Sündenböcken gemacht wird. "Bei drei bis sechs Millionen fehlenden Stellen können kaum ausreichend Arbeitsplätze bereitgestellt werden, die sich für die Wiedereingliederung von Problemgruppen in den Arbeitsmarkt eignen", so Trube.

    Die Fähigkeiten, eigenverantwortlich zu handeln und Eigenleistung zu erbringen, sind unterschiedlich zwischen Starken und Schwachen in der Gesellschaft verteilt. In dieser Hinsicht zeigten sich Protagonisten und Kritiker des "Aktivierenden Staates" einig. Der aktivierende Staat hat Engagement nicht nur zu fordern, sondern auch zu fördern. Deshalb muss er eine Infrastruktur sicherstellen, die diese Hilfe zur Selbsthilfe ermöglicht, und ausreichend geeignete Förderangebote für sehr unterschiedliche Zielgruppen bereitstellen, auch für diejenigen, die das "wollen-können" erst wieder lernen müssen.

    Auf besondere Aufmerksamkeit stieß Prof. Dr. Thomas Olk aus Halle, der auch in der Enquête-Kommission "Bürgerschaftliches Engagement" des Deutschen Bundestages mitarbeitet: "Der aktivierende Staat hilft die Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und freiwilligen gemeinschaftlichen Aktivitäten zu verbessern. Früher kam es oft zu einem Gegeneinander. Wenn nach der Logik des aktivierenden Staates vorgegangen wird, finden alle schneller ihren Platz und können sich wechselseitig stützen - gerade auch beim Lösen von sozialen Problemen, wie etwa der Betreuung von kleinen Kindern".

    Für die verschiedenen Handlungsfelder der sozialen Arbeit sind jeweils andere Aktivierungskonzepte möglich und durchführbar. Auf dem Workshop wurden u.a. vorgestellt und diskutiert: aktivierende Sozialhilfe, Innere Sicherheit in den Kommunen, aktivierende Kinder- und Jugendhilfe, Jugendarbeit, Freiwilligenarbeit, die Rolle von Non-Profit-Organisiationen und "Jugendkriminalität - Strafe statt Pädagogik". Die Ergebnisse des Workshops werden im Spätherbst in der Reihe "Sozialplanung und Sozialverwaltung" des Votum Verlages in Münster publiziert.

    Für weitere Fragen stehen Ihnen zur Verfügung:

    Institut Arbeit und Technik
    Dr. Josef Hilbert
    0209/1707-120
    Dr. Sybille Stöbe-Blossey
    0209/1707-130


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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