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25.09.2001 13:07

Posterpreis: Rätselhafter Ioneneffekt aufgeklärt

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Mit dem "Best Poster Award" ist eine Forschergruppe der Bochumer Plasmaphysiker bei der 9th International Conference on Ion Sources ausgezeichnet worden. Mit ihrem Poster dokumentieren Dipl.-Phys. Ulrich T. Wolters, Dr. Dirk Meyer, Dipl.-Phys. Achim Nadzeyka und Frau Dr. Yoko Kawai ihre Experimente, mit denen sie einen rätselhaften Ioneneffekt aufklären konnten

    Bochum, 25.09.2001
    Nr. 278

    Posterpreis an Bochumer Plasmaphysiker
    Ausgezeichnete Dokumentation eines Experiments
    Rätselhafter Ioneneffekt aufgeklärt

    Mit dem "Best Poster Award" ist eine Forschergruppe der Bochumer Plasmaphysiker bei der 9th International Conference on Ion Sources, die vom 2. bis zum 7. September 2001 in Oakland, Kalifornien, stattfand, ausgezeichnet worden. Mit ihrem Poster dokumentieren Dipl.-Phys. Ulrich T. Wolters, Dr. Dirk Meyer, Dipl.-Phys. Achim Nadzeyka und Frau Dr. Yoko Kawai (Experimentalphysik insbes. Gaselektronik, Prof. Dr. Klaus Wiesemann) ihre Experimente, mit denen sie einen rätselhaften Ioneneffekt aufklären konnten: Warum gibt es im Plasma zweier verschieden schwerer, hoch geladener Isotope desselben Elements plötzlich mehr Ionen des schwereren als des leichteren Isotops? Die Forscher fanden heraus, dass Wellen im Plasma dafür verantwortlich sind. Sie erhitzen leichtere Isotopen stärker als schwerere, so dass sie sich stärker bewegen und aus dem Plasma verschwinden.

    Wie ein Ionenstrahl entsteht

    Die Erzeugung von Teilchenstrahlen in Ionenquellen ist eine wichtige Anwendung der Plasmaphysik. Üblicherweise sind Ionenquellen Behälter, die mit Plasma gefüllt sind. Das Plasma selbst ist ein Gas, in dem Teile der Atome ein oder mehrere Elektronen abgegeben haben ("Ionisation"). Das zurückbleibende Atom schwirrt nun als positiv geladenes Ion durch das Gas - ebenso wie das befreite Elektron, das negativ geladen ist. Plasmen sind also Gase, in denen sich neben ungeladenen Gasteilchen geladene Ionen und Elektronen befinden. Geladene Teilchen lassen sich in einem elektrischen Feld sehr einfach auf hohe Energien beschleunigen, wenn man sie durch eine kleine Öffnung aus dem Plasmagefäß geholt hat - so entsteht ein Ionenstrahl.

    Rätselhafte Häufung schwerer Ionen

    Als A. Drentje und Mitarbeiter am Kernfysisch Versneller Instituut in Groningen (Niederlande) für ein kernphysikalisches Experiment einen Strahl aus Ionen der seltenen Sauerstoffisotope O17 und O18 einsetzten, entdeckten sie einen merkwürdigen Effekt: Das Verhältnis der Anteile von O17 und O18 im Strahl war sehr verschieden, je nachdem wie hoch die Ionen geladen waren. Bei den einfach geladenen Ionen (Atomen, denen nur ein Elektron fehlt) entsprach das Verhältnis im Strahl dem Mischungsverhältnis des Gases, in dem das Plasma erzeugt worden war. Bei höher geladenen Ionen (Atome, denen mehrere Elektronen fehlen) verschob sich das Verhältnis im Strahl immer mehr zu Gunsten des schwereren Isotops O18. Die Isotope eines Elementes sind jedoch chemisch völlig gleich. Auch die Wahrscheinlichkeit, im Plasma Elektronen zu verlieren ist für Isotope eines Elements vollkommen gleich. Lediglich die Masse der Isotope unterscheidet sich geringfügig: Atome und Ionen des Isotops O17 sind etwa 6% leichter als die Atome des O18, denn das Verhältnis der atomaren Massen beträgt 17/18.

    Das Destillationsmodell

    Diesen Isotopeneffekt hat die Bochumer Arbeitsgruppe am Beispiel der Stickstoffisotope N14 und N15 untersucht. Für Experimente ist Stickstoff besser geeignet, da isotopenreiner Stickstoff wesentlich billiger ist als der entsprechende Sauerstoff. Schon bald nach der Veröffentlichung der Ergebnisse aus den Niederlanden gab es erste Erklärungsversuche für das Phänomen: Im Gas sind die Gasteilchen - auch Ionen und Elektronen - in ständiger Bewegung. Aufgrund dieser Wärmebewegung verlassen Ionen und Elektronen ständig das Plasma und stoßen auf die Gefäßwand (sie "diffundieren" zur Wand). Dort vereinigen sie sich wieder und verschwinden damit aus dem Plasma. Bei gleicher Temperatur sind die schwereren Ionen etwas träger und langsamer. Damit verlassen im Mittel etwas weniger O18-Ionen das Plasma als O17-Ionen. Andersherum gesagt verbleiben die O18-Ionen länger im Plasma und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie mehrere Elektronen verlieren. Das schwere Isotop reichert sich infolgedessen besonders in hohen Ladungszuständen an. Dieser Vorgang ähnelt einer Destillation, bei der die leichter flüchtigen Bestandteile einer Mischung schneller verdampfen als die schwer flüchtigen.

    ... reicht zur Erklärung nicht aus

    Die Bochumer Gruppe konnte anhand einer Rechnung jedoch zeigen, dass dieser Effekt bei weitem nicht ausreicht um die starken Unterschiede der Isotopenverhältnisse im Ionenstrahl zu erklären. Experimentell gelang der Beweis, dass die Anreicherung nicht auftritt, wenn das Gasgemisch des Plasmas von vornherein sehr viel mehr Atome des schwereren Isotops enthält. Auch dies lässt sich mit dem einfachen "Destillationsmodell" nicht erklären.

    Leichtere Ionen verschwinden schneller

    Stattdessen gehen sie davon aus, dass die Ionen des leichteren Isotops im Gasgemisch eine etwas höhere Temperatur besitzen als die Ionen des schweren Isotops, wodurch sich der Effekt verstärkt. Dies ist eine weitere Merkwürdigkeit, die man aus dem täglichen Leben nicht kennt. In einem Gasgemisch (z. B. Luft als Gemisch aus Sauerstoff und Stickstoff) haben alle Komponenten dieselbe Temperatur. Im Plasma sind aber verschiedene Temperaturen der Bestandteile möglich und die heißere Gaskomponente diffundiert schneller als die kältere, weil die Wärmebewegung schneller ist.

    Wellen heizen Ionen auf

    Die Bochumer Forscher konnten auch klären, warum in der untersuchten Ionenquelle unterschiedliche Temperaturen auftreten: Experimentell zeigte sich, dass im Plasma Wellen angeregt werden, welche die leichten Ionen sehr viel stärker heizen als die schweren. Dieser Effekt tritt nur auf, wenn mehr leichte als schwere Ionen im Plasma sind. Entsprechende Rechnungen zeigten, dass sich der Isotopeneffekt auf diese Weise mit allen seinen Fassetten quantitativ erklären lässt.

    Ionenstrahlen in der High-Tech-Industrie

    Ionenstrahlen sind für viele Prozesse in der Grundlagenforschung und der High-Tech-Industrie unverzichtbar. Die Computerindustrie und die Nanotechnologie benötigen zuverlässige und effiziente Verfahren zur Implantierung und den Einbau einzelner Atome in Trägermaterialien. Die Radiomedizin mit der Krebstherapie, die kontrollierte Kernfusion als zukünftiger Energieträger und die nächste Generation Raumschiffe werden verschiedenste Arten von Teilchenstrahlen verwenden. In großen Beschleunigern (z.B. CERN) wird die Struktur der Materie durch Stoßexperimente zwischen den verschiedensten Atomen entschlüsselt.

    Weitere Informationen

    Dipl.-Phys. Ulrich T. Wolters, Experimentalphysik insbes. Gaselektronik, Fakultät für Physik der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-23695, Fax: 0234/32-14176, Email: ulrich.t.wolters@ruhr-uni-bochum.de


    Bilder

    Die erfolgreichen Plasmaphysiker: Dr. Dirk Meyer, Dipl.-Phys. Ulrich Wolters, Prof. Dr. Klaus Wiesemann, Dipl.-Phys. Achim Nadzeyka (v.l.)
    Die erfolgreichen Plasmaphysiker: Dr. Dirk Meyer, Dipl.-Phys. Ulrich Wolters, Prof. Dr. Klaus Wiesem ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Die erfolgreichen Plasmaphysiker: Dr. Dirk Meyer, Dipl.-Phys. Ulrich Wolters, Prof. Dr. Klaus Wiesemann, Dipl.-Phys. Achim Nadzeyka (v.l.)


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