(Berlin) Wenn alleine schon der Anblick des Schreibtisches Rückenprobleme verursacht, haben bei den Beschwerden wahrscheinlich Lernprozesse eine Rolle gespielt. Darüber diskutieren Experten auf dem deutschen Schmerzkongress in Berlin.
Lernprozesse, dies vermuten Forscher schon lange, spielen bei der Entstehung und Chronifizierung von muskulär bedingten Kopf- und Rückenschmerzen eine wichtige Rolle. Ein Beispiel für solche Lernprozesse ist die "klassische Konditionierung". "Auch Schmerzen", erklärt Dr. Regine Klinger, Psychologin an der Hamburger Universität, sollen über die Kopplung mit primär neutralen Reizen klassisch konditionierbar sein. Die eigentlich neutralen, "konditionierten" Reize können dann eine konditionierte Schmerzreaktion hervorrufen und über diesem Weg einen maßgeblichen Teil zur Chronifizierung beitragen.
Wird beispielsweise der Anblick eines Schreibtisches - ein neutraler Reiz - verknüpft mit muskulärer Fehlbelastung durch falsches Sitzen an diesem Schreibtisch und infolgedessen mit Schmerzen, genügt nach einiger Zeit nur der Anblick des Schreibtisches, um Rückenschmerzen zu verursachen.
Diese Hypothese hat Regine Klinger begonnen, durch erste Tests mit gesunden Versuchspersonen zu überprüfen. Bei dem Experiment diente ein unangenehm hochfrequenter, bzw. ein angenehm tieffrequenter Ton als neutraler Reiz. Dieser wurde jeweils gekoppelt mit harmlosen elektrischen Schmerzreizen, dem unkonditionierten Stimulus. Dieser ruft eine muskuläre Reaktion hervor, die die Wissenschaftler messen können.
Als die Probanden danach nur den unangenehm hohen Ton hörten, löste dieser bei elf von 14 die für den Schmerzreiz typische Muskelreaktion aus. Mit dem als angenehm empfundenen Ton gelang dies hingegen nicht. "Unsere Vorversuche bestätigen", so Klinger, "dass eine Konditionierung von Muskelspannung in der Tat möglich ist."
Derartige Tests mit Rückenschmerzpatienten sind angelaufen, aber noch nicht abgeschlossen. Eine erste Vorauswertung deutet jedoch darauf hin, dass auch die bislang untersuchten Rückenschmerzpatienten, den gesunden Probanden ähnlich, eine konditionierte Reaktion zeigten - auch in der für sie relevanten Muskulatur des Rückens. Darüber hinaus hat Regine Klinger dabei eine weitere interessante Beobachtung gemacht: "Die untersuchten Schmerzpatienten", sagt sie, "zeigen einen deutlichen Trend in Richtung einer niedrigeren Wahrnehmungs- und Schmerzschwelle als gesunde Menschen." Sie nehmen also Reize insgesamt früher wahr und empfinden bereits leichte Reize als schmerzhaft, die Gesunden nichts ausmachen.
Pressestelle Deutscher Schmerzkongress bis 7.10.
Barbara Ritzert
Tel. 030/314-22800
mail: ritzert@proscientia.de
Rückfragen an:
Dipl.-Psych. Dr. Regine Klinger
Psychologisches Institut III, Klinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Hamburg
Von-Melle-Park 5
20146 Hamburg
Tel.: 040-42838-5374
Fax: 040-42838-6170
e-mail: rklinger@uni-hamburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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