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05.10.2001 10:55

Gesucht: Menschen im Revier mit slawischem Namen

Ole Lünnemann Referat Hochschulkommunikation
Universität Dortmund

    Namen sind mehr als Schall und Rauch. Rund 600 000 Menschen leben im Ruhrgebiet, die eines gemeinsam haben: Ihre Familiennamen enden auf -ski, -cki, -ek, oder -czyk, und sie sind offensichtlich slawischer Herkunft. Welche Namen das sind, wo ihr Ursprung liegt und was sie zu bedeuten haben, wird bald in einem dreibändigen Lexikon nachzulesen sein.

    Die Telefonbücher der Ruhrgebietsstädte von Mülheim bis Hamm und Hagen bis Recklinghausen sind ihr inzwischen bestens vertraut. Monatelang hat Prof. Dr. Barbara Szopek-Kopciuch zusammen mit Sprachwissenschaftlern der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Krakau sie gewälzt und die Namen slawischer Herkunft herausgesucht. Gefunden hat sie über 40 000 unterschiedliche Einträge. Das Ruhrgebiet, wie keine andere Region Deutschlands geprägt durch slawische Zuwanderer, ist für die 49-jährige Namensforscherin aus Polen eine wahre Fundgrube. Gern folgte sie deshalb der Anregung von Johannes Hoffmann, dem Wissenschaftlichen Leiter der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund, mit ihm zusammen ein dreibändiges "Lexikon der slawischen, insbesondere der polnischen und tschechischen Familiennamen" zu verfassen. Ermöglicht wurde ihr sechswöchiger Aufenthalt an der Universität Dortmund durch ein Stipendium des Akademischen Austauschdienstes (DAAD).

    Mehr als eine halbe Million Polen und Masuren waren zwischen 1880 und 1914 als slawische Zuwanderer ins Ruhrgebiet gekommen. Angeworben hatten sie die Zechengesellschaften, die ihren Bedarf an Bergleuten nicht mehr aus den umliegenden Gebieten befriedigen konnten.

    Gekommen waren aus den östlichen preußischen Provinzen evangelische Masuren, katholische Polen aus Westpreußen, Posen und Schlesien. Viele von ihnen wanderten später weiter nach Frankreich oder Amerika oder kehrten in das neu begründete Polen zurück. Nicht wenige aber sind geblieben, und bis in die 1980er Jahre folgten weitere Zuwanderungswellen. Wie viele Menschen slawischer Herkunft heute tatsächlich im Ruhrgebiet leben, lässt sich nicht mehr feststellen.

    Viele haben ihre Namen "eingedeutscht". Vor allem aus Angst vor Diskriminierung, aber auch wegen der viel zu komplizierten Aussprache und Schreibweise. Aus Krawczyk - polnisch für Schneiderlein - wurde beispielsweise Kraft. Doch nach Einschätzung der Forscher müssen es etwa 600 000 Menschen mit slawischem Familiennamen sein: "Hinter jedem der 40 000 gefundenen Einträge stehen im Schnitt fünf Personen mit demselben Namen, und jeder Eintrag umfasst schätzungsweise drei Personen."

    Als stellvertretende Direktorin des Instituts für polnische Sprache in Krakau beschäftigt sich die studierte Philologin seit vielen Jahren mit slawischer Namensforschung. "Der Name ist unser Eigentum und Teil unserer Identität." Darauf möchten Prof. Dr. Barbara Szopek-Kopciuch und Johannes Hoffmann diese Menschen hinweisen. So gibt es beispielsweise zahlreiche Kowalkis im Ruhrgebiet, doch nur wenige kennen die Bedeutung ihres Namens. Vielleicht kommt die Familie ursprünglich aus den Orten Kowale oder Kowalewo, vielleicht war aber auch einer der Vorfahren von Beruf Schmiedt, denn das wäre die deutsche Übersetzung dieses Namens. Auch der Vorname Janek bietet Interpretationsmöglichkeiten: möglicherweise hieß der Vater Jan, und der Sohn war eben das Söhnlein Janek. Die Endung -ek ist die polnische Verkleinerungsform.

    Wer mehr über den Ursprung seines slawischen Namens wissen oder wer mit Prof. Dr. Barbara Szopek-Kopciuch über seine persönlichen Erfahrungen oder über die Eindeutschung seines Namens sprechen möchte, kann ihr eine e-Mail schicken:
    barbaraC@ijp-pan.krakow.pl


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Sprache / Literatur
    regional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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