München) Neuartige Immunstrategien - Impfstoffe und Chemoimmuntherapien - erproben Ärzte seit einiger Zeit in der Behandlung des fortgeschrittenen Melanoms. Erste Pilotstudien sind zwar Erfolg versprechend, doch es wird noch einige Zeit dauern, bis die Wirksamkeit dieser Verfahren endgültig abgeschätzt werden kann, betonen Experten auf dem 10. Kongress der Europäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie in München.
Die körpereigene Abwehr, das Immunsystem, kann nicht nur Krankheitserreger, sondern auch bösartige Zellen erkennen und angreifen - zumindest prinzipiell. Vor allem der schwarze Hautkrebs (malignes Melanom) - das wissen Ärzte seit vielen Jahren - ist ein so genannter immunogener Tumor: er aktiviert Immunzellen, die mitunter dafür sorgen, dass oberflächlich wachsende Melanome sich in bis zu 40 Prozent der Fälle spontan zumindest teilweise, selten auch vollständig zurück bilden. Darum ist es nicht verwunderlich, dass Wissenschaftler schon seit vielen Jahren versuchen, den schwarzen Hautkrebs mit so genannten Tumorimpfstoffen zu behandeln. Allerdings verliefen diese Versuche enttäuschend: "Bislang konnte noch keine dieser Vakzine einen entsprechenden Wirksamkeitsnachweis erbringen", stellt Priv. Doz. Dr. Frank Nestle von der Dermatologischen Klinik der Universität Zürich fest.
Inzwischen erproben die Forscher eine neue Strategie, um jene Antigene genannten Strukturen auf Zellen, die das Immunsystem auf den Plan rufen, der körpereigenen Abwehr effektiver zu präsentieren. Sie setzen auf so genannte dendritische Zellen, die als "Vorposten" des Immunsystems beispielsweise in der Haut patrouillieren. Diese Zellen können Bestandteile von Tumorzellen aufnehmen und zu den Lymphknoten transportieren. Dort präsentieren sie diese Antigene als Bruchstücke auf ihrer Oberfläche anderen Immunzellen. Gleichzeitig schütten sie Immunbotenstoffe aus, die Killer-Zellen aktivieren. Diese Killer-Zellen - so die Theorie - "schwärmen dann in die Haut und andere Organe aus, um Krebszellen spezifisch zu bekämpfen", erklärt Nestle.
Allerdings wappnen sich die Krebszellen gegen solche Angriffe. Ihre Strategie ist tarnen und täuschen. Sie verändern ihre Oberflächenstrukturen und können auch dendritische Zellen ausschalten. Nestle: "So verhindern sie eine effektive Tumorabwehr."
Um diese Gegenstrategie der Tumorzellen zu unterlaufen, beladen die Wissenschaftler inzwischen dendritische Zellen, die sie Patienten aus dem Blut entnommen haben, in der Kulturschale mit Tumorantigenen - "also in gebührender Entfernung zur immunhemmenden Umgebung des Tumors", so Nestle. Dann werden diese Zellen den Patienten wieder infundiert.
Im Rahmen von Pilotstudien wurden bislang 30 Patienten mit fortgeschrittenem, metastasierten Melanom mit dieser Strategie behandelt. "In rund einem Drittel der Fälle kam es zu einer teilweisen oder vollständigen Rückbildung der Metastasen", stellt Nestle fest.
Impfstoffe als Therapeutika gegen Metastasen
Inzwischen sind an mehreren Kliniken Studien angelaufen, in denen Patienten mit dieser Methode behandelt werden. An einer Studie der Deutschen Krebsgesellschaft sollen insgesamt 200 Patienten mit metastasiertem Melanom behandelt werden. Bislang wurden 50 aufgenommen. "Bei dieser Studie wird die Wirkung eines Tumorimpfstoffes mit derjenigen des Krebsmedikamentes Dacarbazin, der Standardtherapie, verglichen" erklärt Professor Alexander Enk von der Hautklinik der Universität Mainz. Bei dieser Studie werden die dendritischen Zellen mit einem Cocktail synthetischer Tumorantigene beladen. "Nach ihrer Entnahme reifen die dendritischen Zellen zunächst fünf Tage lang in der Kulturschale, danach werden sie beladen. Ein weiterer, zweitägiger Reifungsprozess folgt, der durch Immunbotenstoffe (Zytokine) gesteuert wird. Danach werden die Zellen den Patienten in die Haut gespritzt", erklärt Enk den Prozess. Bislang beobachten die Ärzte, dass zwar einige Patienten auf die Therapie reagieren, "allerdings sind die Ergebnisse bislang noch sehr gemischt", sagt Enk. Bei diesen frühen Phasen klinischer Studien wollen die Ärzte auch in erster Linie herausfinden, wie verträglich eine neue Behandlungsmethode ist.
Impfstoffe zur Verhinderung von Metastasen
In einer weiteren Studie erproben die Ärzte eine Vakzine an Patienten, bei denen noch keine Metastasen diagnostiziert wurden. In diesem Fall werden die dendritischen Zellen allerdings nur mit einem einzigen Tumorantigen (MelanA) beladen. "Bei der ersten Studie wird die therapeutische Wirksamkeit des Impfstoffs gegen Metastasen überprüft" erläutert Enk. "Mit Hilfe dieser zweiten Untersuchung an zunächst 15 Patienten soll herausgefunden werden, ob die Vakzine die Bildung von Metastasen verhindern kann."
Allerdings werden sich Ärzte und Patienten in Geduld üben müssen: Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden erst in einigen Jahren eine Abschätzung ermöglichen, ob es sich bei diesen Strategien tatsächlich um "eine hoffnungsvolle neuartige Immuntherapie des fortgeschrittenen Melanoms" handelt.
Nicht nur mit Impfstoffen, sondern auch mit Botenstoffen des Immunsystems, wollen die Ärzte die körpereigene Abwehr auf die Fährte der Krebszellen locken. So ist unlängst eine Studie an mehreren Kliniken mit insgesamt 150 Patienten angelaufen, bei der die Ärzte Melanompatienten im fortgeschrittenen Stadium zunächst mit einer Chemotherapie und danach mit Interferon Alpha und Interleukin 2 behandeln. "Bei einer vorausgegangenen Pilotstudie konnte diese kombinierte Chemoimmuntherapie bei 65 Prozent der Patienten das erneute Aufflackern der Krankheit verhindern: Nur bei 35 Prozent schritt die Erkrankung fort" resümiert Enk die Ergebnisse. In der unbehandelten Kontrollgruppe trat die Erkrankung hingegen bei 95 Prozent der Patienten wieder auf.
Rückfragen an:
Prof. Dr. Alexander Enk
Hautklinik, Universität Mainz
Langenbeckstraße 1
D- 55131 Mainz
Tel.: 06131-177130 Fax: 06131-176614
E-mail: enk@hautklinik.klinik.uni-mainz.de
PD Dr. med. Frank Nestle
Dermatologische Klinik, Universität Zürich
Gloriastrasse 31
Ch- 8091 Zürich
Tel.: +41-1-255-2086
Fax: +41-1-255-4346
E-mail: nestle@derm.unizh.ch
Pressekontakt:
Barbara Ritzert und Valerie Girstenbrey
Während der Tagung: Internationales Congress Centrum München (Messegelände)
Raum 2.156, Tel.: 089-94 97 9-415
Tel.: 089-94 97 9-445 Fax.: 089-94 97 9-852,
E-Mail: ritzert@proscientia.de
Barbara Ri
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).