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07.12.2010 10:12

Literatur in Mittelalter und früher Neuzeit

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Seit 1. Oktober 2010 ist Joachim Hamm (43) an der Uni Würzburg als Professor für deutsche Philo-logie tätig. Seine Schwerpunkte liegen auf der höfischen Literatur um 1200 und auf der Literaturgeschichte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit.

    Das 12. Jahrhundert ist in der Literaturgeschichte eine bedeutsame Schwellen- und Umbruchszeit. Erstmals entstand an französischen und deutschen Fürstenhöfen Interesse für volkssprachige Literatur, die weltliche Themen behandelt: Man fand Gefallen an Versromanen, die vom Untergang Trojas, von den Rittern des König Artus oder von der Liebe Tristans und Isoldes erzählten. In Frankreich und dann auch im deutschen Sprachraum entstand eine „höfische“ Erzählliteratur, die das Selbstverständnis der neuen Adelsgesellschaft repräsentierte. Damit begann die erste Blütezeit einer weltlichen Literatur in deutscher Sprache.

    Erster höfischer Roman in deutscher Sprache

    Deren Anfängen im späten 12. Jahrhundert widmet sich Joachim Hamm in seiner Habilitationsschrift. Er untersucht den Eneasroman, den ersten höfischen Roman in deutscher Sprache. Heinrich von Veldeke vollendete ihn kurz nach 1186 am Hof des Landgrafen Hermann von Thüringen. Der Roman erzählt vom Geschick des Eneas, der aus dem brennenden Troja flieht und nach mancherlei Irrungen nach Italien gelangt. Dort schafft er die Grundlagen für die künftige Weltherrschaft Roms.

    Heinrich von Veldeke entnahm diese Geschichte dem altfranzösischen „Roman d’Eneas“ (um 1160), der seinerseits auf dem lateinischen Epos „Aeneis“ des Vergil (29-19 v.Chr.) fußt. „Der Eneasroman ist also eine Dichtung auf dritter Stufe“, sagt Hamm, „die Bearbeitung einer Bearbeitung“. Auch die nachfolgenden deutschen Romane des 12. und 13. Jahrhunderts sind literarische Bearbeitungen, die in der Regel auf französischen Vorlagen fußen.

    Andere Erwartungen an Dichter im Mittelalter

    Handelt es sich also um nachrangige Literatur? Tragen die Anfänge des deutschen Romans den Makel des Sekundären, des Minderen? Das ließe sich, wie Hamm zeigt, allenfalls behaupten, wenn man dem Mittelalter ein neuzeitliches Dichtungsverständnis aufzwingen wollte. Im 12. Jahrhundert erwartete man von Romandichtern keine originären Erfindungen, sondern die kunstvolle Bearbeitung eines überlieferten Erzählstoffes.

    Die literarischen Techniken dazu lernte man im Schulunterricht, und Heinrich von Veldeke führte sie erstmals in einem höfischen Roman vor. Der Eneasroman steht insofern nicht nur am Anfang des höfischen Romans. Er sei zugleich, so Hamm, „das erste Musterbuch romanhaften Erzählens, aus dem die nachfolgenden Dichter schöpfen und lernen konnten“.

    Krieg und Frieden in der Literatur

    Auch der Anfang des 16. Jahrhunderts ist eine Schwellen- und Umbruchszeit der Literaturgeschichte. Wie wirkten sich die technischen, historischen, gesellschaftlichen, religiösen und kulturellen Umwälzungen dieser Zeit auf die Literatur aus? Diese Frage untersucht Hamm anhand der Diskussion über Krieg und Frieden in seiner Dissertation und in einer gemeinsamen Monographie einer von Professor Horst Brunner geleiteten früheren DFG-Forschergruppe.

    Bis zum Beginn der frühen Neuzeit hatten vorwiegend geschlossene ideologische oder theologische Systeme das Denken über Krieg und Frieden bestimmt. Dann aber kam es zu einer Vervielfachung der Sichtweisen. Das Spektrum der Meinungen verbreiterte sich und reichte von der literarischen Verherrlichung des Krieges bis zu seiner völligen Verdammung.

    „Es traten nun Literaten auf, die den Krieg auch aus Sicht der Opfer darstellten und das Leid des Krieges deutlicher sichtbar machten. Man übte Kritik an den grassierenden Konflikten in Europa und setzte ihnen ambitionierte Friedenskonzepte entgegen“, resümiert Professor Hamm. Wie in der Diskussion über Krieg und Frieden gegensätzliche Meinungen zunehmend in Widerstreit traten, zeichnet Hamm an der Literatur zum Bauernaufstand von 1525 und an den pazifistischen Schriften des Erasmus von Rotterdam (1465/69-1536) nach.

    Antike Klassiker, erstmals ins Deutsche übersetzt

    Zwei Vorhaben des Professors, deren konzeptionelle Anfangsphase abgeschlossen ist, gelten der Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts. Hamm bereitet zum einen eine Untersuchung zu den früh-neuzeitlichen Übersetzungen antiker Klassiker vor. „Bis etwa 1450 war die Lektüre der antiken Schriftsteller den Griechisch- und Lateinkundigen vorbehalten. Doch danach wurden sehr zügig die wichtigsten ‚Klassiker‘ ins Deutsche übersetzt: Zwischen 1450 und 1550 kennen wir über 430 Druck-ausgaben solcher Übersetzungen“, sagt Hamm. Mit ihnen erweiterte sich der Wirkungsraum der antiken Überlieferung erheblich. Die geplante Studie wird die literarhistorische Bedeutung der nur ansatzweise erforschten Antikenübersetzungen am Beispiel der berühmten Druckerstadt Straßburg untersuchen.

    Lateinische Dichtungen von Paul Fleming

    Mit Kollegen an den Universitäten Kiel und Augsburg bereitet Hamm auch eine Edition zum Barock-dichter Paul Fleming (1609-1640) vor. Gegenstand sind Flemings lateinische Dichtungen. Denn diese haben – anders als seine deutschsprachigen Werke – bisher kaum Aufmerksamkeit gefunden. Um auch den lateinischen Poeten näherzubringen, wird die Ausgabe eine neuhochdeutsche Übersetzung und einen ausführlichen Kommentar enthalten.

    Werdegang von Joachim Hamm

    Geboren wurde Joachim Hamm 1967 in Würzburg. An den Universitäten Eichstätt, Wien, Mailand und Würzburg studierte er Latein und Deutsch für das Lehramt an Gymnasien. Das erste Staatsexa-men legte er 1994 in Würzburg ab, bis 2000 war er hier wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Horst Brunner in der DFG-Forschergruppe „Das Bild des Krieges im Wandel vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit“.

    Nach der Promotion im Jahr 2000 wechselte Hamm als wissenschaftlicher Assistent an den Lehrstuhl für Ältere deutsche Literatur an die Universität Kiel. Dort habilitierte er sich 2007. Im Anschluss wirkte er am Institut für deutsche Philologie in Würzburg als Lehrkraft für besondere Aufgaben. Im April 2009 wurde er zum W2-Professor für Deutsche Literatur und Sprache in Bayern, Schwerpunkt Mittelalter / Frühe Neuzeit an der Universität Augsburg ernannt. Von dort kehrte er nun nach Würzburg zurück.

    Kontakt
    Prof. Dr. Joachim Hamm, Institut für deutsche Philologie der Universität Würzburg, T (0931) 31-81679, joachim.hamm(at)uni-wuerzburg.de


    Bilder

    Joachim Hamm ist Professor für deutsche Philologie an der Universität Würzburg.
    Joachim Hamm ist Professor für deutsche Philologie an der Universität Würzburg.
    Foto: privat
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Sprache / Literatur
    überregional
    Personalia
    Deutsch


     

    Joachim Hamm ist Professor für deutsche Philologie an der Universität Würzburg.


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