In neuem Buch des „Jena Center“ reflektiert Frankreichs bekanntester Zeithistoriker Henry Rousso den schwierigen Umgang mit den Jahren unter deutscher Besatzung
Das Regime von Vichy, entstanden 1940 nach dem deutschen Sieg über Frankreich, galt lange als ein illegitimer Staat, der aus der Geschichte der „Grande Nation“ ausgeklammert werden könne. Erst in den siebziger Jahren setzte eine kritische Forschung ein, die den Mythos der kollektiven Résistance in Frage stellte und die vielen Facetten der Kollaboration zu thematisieren begann. Wie kein Zweiter hat dabei Henry Rousso zur Etablierung der Zeitgeschichte in Frankreich beigetragen. Sein neues Buch „Frankreich und die ‚dunklen Jahre’. Das Regime von Vichy in Geschichte und Gegenwart“ ist am „Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts“ der Universität Jena entstanden.
Der neue Band, hervorgegangen aus Roussos Gastprofessur am „Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts“, ist erst das zweite Buch des international renommierten Historikers, das in deutscher Sprach erschienen ist. Und es knüpft an „Vichy. Frankreich unter deutscher Besatzung 1940-1944“ (2009) – eine hochkonzentrierte Summe seiner Arbeit aus den letzten drei Jahrzehnten – in mehrfacher Hinsicht an: Als Einführung und Auftakt versteht sich der Vortrag über die „Schlachtfelder der Erinnerung“, den Henry Rousso in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität hielt und der hier in einer erweiterten Fassung erstmals veröffentlicht wird. Rousso gibt darin einen Überblick über das, was ihn stets beschäftigt hat: die Politik mit der Erinnerung, die Frage des Umgangs der Franzosen mit ihrer Geschichte. Denn wenn es um den Zusammenhang von Geschichte und Gedächtnis geht, von Erinnerung und Recht, von Justiz und Geschichtspolitik, ist Rousso seit vielen Jahren eine autoritative Stimme: So vor gut zehn Jahren im Streit um den Prozess gegen Maurice Papon, den ehemaligen Judendeportierer von Bordeaux und späteren Polizeipräfekten von Paris. Und so jüngst, als Staatspräsident Nicolas Sarkozy die fixe Idee vertrat, man solle die heutigen Grundschüler mit historischen Patenschaften für deportierte und ermordete jüdische Kinder betrauen.
Roussos Erfahrungen und Reflexionen als Historiker, seine Beobachtungen der Wechselwirkungen von Wissenschaft und Gesellschaft ziehen sich wie ein roter Faden durch die hier präsentierten Texte. Das gilt zumal für den zweiten Teil des Buches, in dem der französische Historiker eine Égo-Histoire vorlegt, die Autobiographie, wissenschaftlichen Werdegang und die Geschichte seines Faches auf ebenso freimütige wie faszinierende Weise verknüpft. So diskutiert er auch die sich wandelnde Rolle der Geschichtswissenschaft in der Gesellschaft – und warnt eindringlich davor, die Ergebnisse der Forschung politisch zu instrumentalisieren.
Bibliographische Angaben:
Henry Rousso: Frankreich und die „dunklen Jahre“. Das Regime von Vichy in Geschichte und Gegenwart, (Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts, Vorträge und Kolloquien, Bd. 8) Wallstein Verlag Göttingen, 192 Seiten, 15 Euro, ISBN 978-3-8353-0756-8.
Kontakt:
Kristina Meyer
Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts
Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Zwätzengasse 3, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944450
E-Mail: Jena.Center[at]uni-jena.de
Rezensionsexemplare:
Monika Meffert
Wallstein Verlag, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 0551 / 5489811
E-Mail: mmeffert[at]wallstein-verlag.de
Cover der neuen Publikation.
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Der französische Zeithistoriker Henry Rousso.
Foto: privat
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geschichte / Archäologie
überregional
Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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