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11.07.1997 00:00

Deutsch-japanische Geschlechterforschung

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Bochum, 11.07.1997 Nr. 139

    ,Getrennte Welten, gemeinsame Moderne"

    Ungleichheit der Geschlechter in modernen Gesellschaften

    Neue Publikation zu deutsch-japanischer Geschlechterforschung

    Neue Ergebnisse in der Frauen- und Geschlechterforschung hervorgebracht hat die enge Zusammenarbeit der Bochumer Soziologin Prof. Dr. Ilse Lenz (Frauen- und Sozialstrukturforschung, Fakultät für Sozialwissenschaft der RUB) mit der japanischen Frauenforscherin Prof. Dr. Michiko Mae (Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf). Im soeben gemeinsam herausgegebenen Sammelband ,Getrennte Welten, gemeinsame Moderne?" zum Thema ,Geschlechterverhältnisse in Japan" wenden sie den Blick gen Ostasien, nachdem das Verhältnis zwischen dem Modernisierungsprozeß und den Geschlechterverhältnissen bislang vor allem allein auf westliche Gesellschaften bezogen untersucht wurde.

    Männlich- und Weiblichkeitskonstrukte sind langlebig

    Bei ihren Forschungen stellte sich heraus, daß sich die geschlechtliche Arbeitsteilung als erstaunlich langlebig zeigt und die Konstrukte von Männlich- und Weiblichkeit immer noch lebendig sind. Die Trennungen in Männer- und Frauenwelten sind in Japan rigide ausgeprägt. Die Frauen werden nach dem Muster der guten Ehefrau und weisen Mutter hin erzogen. Wie die beiden Herausgeberinnen feststellen, sagt die Geschlechtertrennung jedoch nichts über die Machtverhältnisse zwischen den Männern und Frauen aus und auch nichts über die Veränderungen in Bezug auf Lohnarbeit oder Politik. Der Modernisierungsprozeß habe aber für die Frauen Japans nicht nur Emanzipationsgewinn, sondern auch Verluste und sogar Verschärfung der Diskriminierung bedeutet.

    Eurozentrisches Weltbild und Ausgrenzung des Fremden

    Die Bezeichnung der japanischen Geschlechterverhältnisse als ,getrennte Welten in einer gemeinsamen Moderne" läßt sich auch auf das Verhältnis von Europa und Japan beziehen. Der deutsch-japanische Sammelband zeigt, daß japanische Modernisierungskonzepte mit Vorstellungen von einem einheitlichen und allgemeinen Evolutionsprozeß verbunden sind, denen ein universalgeschichtliches und auf Europa zentriertes Verständnis zugrunde liegt. So wird ,Europäer" mit ,Mensch" gleichgesetzt, die ,europäische Kulturwelt" mit ,Menschlichkeit". Umgekehrt aber betont das heutige Europa die andere, die exotische Seite Japans, es begehrt das Fremde und grenzt es zugleich aus.

    Westliche Moderne schafft neue Entrechtung

    Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts führten die Widersprüchlichkeiten in den japanischen Modernisierungskonzepten zu permanenten Selbstverständigungs- und Selbstvergewisserungsdiskursen. Identitäts- und Selbstzweifel stürzten viele Japaner/innen in tiefe Konflikte, ob ,japanisch" mit ,modern" übereinstimme. In dieser Modernisierungsphase bildete sich die japanische Frauenbewegung heraus, die diesen Prozeß zugleich kritisch begleitete und beeinflußte. Bis in die 60er Jahre stellte sie sich linearen Fortschrittsprozessen entsprechend als eine kontinuierliche Entwicklung weg von der Feudalität und hin zu demokratischen Industriegesellschaft dar. Nach langen, mit Rückschlägen verbundenen Kämpfen wurden wichtige Ziele wie gleiche Rechte, Abbau der Diskriminierung und demokratische Partizipation erreicht. Die darauf einsetzende neue Frauenbewegung stellte diese Errungenschaften aber wieder in Frage und machte damit die Ambivalenz bewußt, daß Frauen nunmehr der Zugang zu Beruf und Bildung ermöglicht wurde, ihnen jedoch die alten überlieferten Gewohnheitsrechte abgesprochen wurden. Die neuen westlich orientierten Kodifizierungen stürzten die Japanerinnen in eine neue Rechtlosigkeit, ihr sozialer Status war geschwächt.

    Veränderungen von Geschlechterverhältnissen im Modernisierungsprozes

    Die hier von Ilse Lenz und Michiko Mae gesammelten Beiträge geben die Veränderungen der Geschlechterverhältnisse in der Modernisierung sowie die Reaktionen von Frauen und Männern auf diesen Prozeß, die Neuorientierungen, Aufbrüche und Umbrüche wieder. Dabei konzentrieren sich die Herausgeberinnen in ihren eigenen Beiträgen auf die Arbeitsmarktsituation (Lenz) und Fragen autonomer Subjektivität (Mae). Zum Abschluß kritisiert Prof. Dr. Mari Osawa von der Tokyo-Universität und ehemalige Marie-Jahoda-Gastprofessorin der RUB (1994) die Unterordnung der Japanerinnen unter die Betriebsgesellschaft am Beispiel der neuen sozialpolitischen Wohlfahrtprogramme, die sich am Verdienst des (Ehe-)Mannes orientieren.

    NRW fördert deutsch-japanischen Frauendialog

    ,Getrennte Welten, gemeinsame Moderne?" spiegelt den Dialog von zehn japanischen, österreichischen und deutschen Autorinnen wider, der auf den jährlichen Workshop zu Geschlechterforschung in Japan (1992) zurückgreift. Die Autorinnen erhoffen sich für Deutschland einen Impuls für eine vergleichende Sicht und ein vertieftes Verständnis der Veränderung der Geschlechterverhältnisse in Japan. Die enge Kooperation zwischen der RUB-Wissenschaftlerin Prof. Dr. Ilse Lenz - die selbst fließend japanisch spricht und sich ein Jahr an der Tenri-Universität in Japan aufhielt - mit ihrer Düsseldorfer Kollegin Prof. Dr. Michiko Mae rief ein Netzwerk ins Leben, das in das Netzwerk Frauenforschung NRW integriert ist und vom NRW-Ministerium für Wissenschaft und Forschung unterstützt wird. Globalisierung erzeugt so auch in der interdisziplinären Frauen-und Geschlechterforschung eine direkte Wissenschaftsachse Bochum-Düsseldorf-Wien-Tokyo.

    Titelaufnahme:

    Ilse Lenz / Michiko Mae (Hg.): ,Getrennte Welten, gemeinsame Moderne? Geschlechterverhältnisse in Japan", (Reihe Geschlecht und Gesellschaft, Band 4), Opladen: Leske + Budrich 1997, DM 39,- (ISBN 3-8100-1560-1)


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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