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31.10.2001 12:48

Qualifizierung@Berlin

Burckhard Wiebe Abteilung Kommunikation
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH

    Arbeitsmarktforscher Günther Schmid vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) empfiehlt dem neuen Berliner Senat "Qualifizierung@Berlin" zur Leitidee seiner Arbeitsmarktpolitik zu machen. Damit zog er den Schluss aus der neuen WZB-Studie "Urbane Beschäftigungsdynamik", die Berlin mit anderen Ballungsregionen in Deutschland vergleicht.

    31. Oktober 2001

    Mehr "Qualifizierung@Berlin"
    Arbeitsmarktforscher Schmid empfiehlt Berlin-Brandenburger Beschäftigungspakt

    Berlin Der Arbeitsmarktforscher Günther Schmid vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) empfiehlt dem neuen Berliner Senat "Qualifizierung@Berlin" als Leitidee seiner Arbeitsmarktpolitik. Er schlägt einen Berlin-Brandenburger Beschäf-tigungspakt vor. Vor allem müssten Dienstleistungen wettbewerbsfähig und bezahlbar gemacht werden. Damit zog der WZB-Arbeitsmarktexperte Schlussfolgerungen aus ei-nem Vergleich urbaner Arbeitsmärkte in Deutschland.

    Die neue WZB-Studie "Urbane Beschäftigungsdynamik" von Günther Schmid und Dietmar Dathe untersucht die Beschäftigungsentwicklung in Berlin im Vergleich zu zwölf anderen Bal-lungsräumen wie München, Hamburg, Köln, Rhein/Neckar. Danach ist die Entwicklung in Berlin dramatisch: Berlin erlebte einen regelrechten Beschäftigungseinbruch und weist vor allem Defizite in innovativen Branchen auf. Auch im Dienstleistungssektor ging die Beschäfti-gung in den letzten Jahren zurück, während sie in anderen Ballungsregionen stieg.

    Berlin verlor 13 Prozent sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in nur fünf Jahren (1994-1999). Berlin weist in Deutschland - neben Brandenburg - die schlechteste Relation von offe-nen Stellen und Arbeitslosen aus: Auf eine registrierte offene Stelle kamen 33 Arbeitslose (September 2001, gegenüber 3-4 in Baden-Württemberg und Bayern). Der Industriebesatz (Ar-beitsplätze pro Einwohner) ist in Berlin mit Abstand der geringste in allen Ballungsräumen. In Berlin arbeiten nur noch 14 Prozent der Beschäftigten in der Industrie, in München sind es 23 Prozent. Eine überdurchschnittliche Arbeitsplatzdichte hat Berlin lediglich bei staatlichen und sozialen Dienstleistungen. Im Vergleich zu München und zum Teil auch zu Hamburg weist Berlin Defizite in innovativen Sektoren auf.

    Die WZB-Arbeitsmarktforscher betrachteten auch den Wandel der Erwerbsformen und kamen zu dem Ergebnis: In Berlin ist nur noch jede dritte erwerbsfähige Person (15-64 Jahre) "nor-mal", d.h. mit einem unbefristeten Vollzeitvertrag beschäftigt; etwas mehr als ein Drittel ist entweder arbeitslos, in einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme, in Teilzeitbeschäftigung oder selbstständig; ein knappes Drittel ist in Bildung oder inaktiv. Außerdem wird in Berlin weniger als im Bundesgebiet weitergebildet, und mehr als doppelt so viele Personen als im Bundes-durchschnitt haben befristete Arbeitsverträge.

    Vor diesem Hintergrund empfehlen die WZB-Forscher dem neuen Berliner Senat, "Dienstleis-tungen durch Produktivitätssteigerungen wettbewerbsfähig und bezahlbar zu machen." Der Schlüssel dazu sei, Angebote und Anreize zur Qualifizierung auf allen Ebenen zu fördern. Auf den Standort Berlin bezogen bedeute dies, die festgestellte "Überausstattung" an Beschäftigung in den Bereichen Wissenschaft und Bildung nicht als finanzielle Belastung, sondern als Chance zu betrachten. Wie auch jüngst eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) untermauere, bringe jede Investition in Wissenschaft und Bildung ein Mehrfaches an Beschäftigung. Der Ansatz, "Stärken zu stärken", sei daher besonders effizient. Eine weitere Voraussetzung sei die Vernetzung wissensintensiver Dienstleistungen und Industrien bei-spielsweise in Form gemeinsamer Entwicklungs-, Service- und Marketingagenturen. In Berlin böten sich der Gesundheits-, Bildungs- und Weiterbildungsbereich sowie der Medien- und Kulturbereich in Verbindung mit Verkehr-, Medizin- und Biotechnik für solche Netzwerke an.

    Die WZB-Forscher ziehen den Schluss, "alte" und "neue" Ökonomie nicht als Gegensätze wahrzunehmen, beide seien aufeinander angewiesen. Die Deindustrialisierung in Berlin sei dramatisch. Doch zeige der Standortvergleich, dass urbane Wirtschaftsstrukturen durch eine Arbeitsteilung mit ihrem Umland geprägt seien. Deshalb sei der Begriff vom Wirtschaftsraum Berlin-Brandenburg positiv aufzugreifen.

    Mehr Qualifizierung - vor allem in Verbindung mit den neuen Informationstechnologien - könnte vorrangiges Ziel eines Berlin-Brandenburger Beschäftigungspakts sein mit drei Eck-punkten:
    1. Die Regierungen von Berlin und Brandenburg füllen einen Fonds, der Qualifizierungs-gutscheine für Beschäftigte in Betrieben nach dem Prinzip "Weiterbilden und Einstel-len" (Jobrotation) anbietet; bei der Vergabe solcher Gutscheine sollen gering Qualifi-zierte und kleine sowie mittlere Betriebe bevorzugt werden.

    2. Die Tarifpartner vereinbaren Tariffonds für Weiterbildungsfreistellung.

    3. Landesarbeitsamt und Arbeitsämter begleiten diese Initiative durch intensive Vermitt-lung, die gewährleistet, dass jugendliche Arbeitslose nach einem halben Jahr, erwach-sene Arbeitslose nach einem Jahr einen qualifizierenden Arbeits- oder Ausbildungs-platz erhalten.

    Der überregionale Beschäftigungspakt würde die Einbindung von Mitteln des Europäischen Sozialfonds erleichtern, um einen Teil der Kosten für die Ermittlung des Qualifizierungsbe-darfs und des Projektmanagements zu decken.



    Bei Nachfragen: Prof. Dr. Günther Schmid, T: 030/25491-130, gues@wz-berlin.de
    Ingrid Hüchtker, Pressereferat, T: 030/25491-510, huechtker@wz-berlin.de

    Dietmar Dathe, Günther Schmid, Urbane Beschäftigungsdynamik - Berlin im Standortvergleich mit Ballungsregi-onen, Berlin: edition sigma 2001, 175 S.

    Heidi Oschmiansky, Günther Schmid, Bettina Uhrig, Qualifikation und Beschäftigung - Jobrotation als Instrument der Weiterbildung und Integration von Arbeitslosen, Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, 83 S.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
    regional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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