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02.11.2001 13:32

"Gesunde Pflanzen - Gesunde Menschen?"

Christel Lauterbach Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

    Vortrag von Prof. Dr. Wolfgang Friedt im Rahmen der Reihe "Gesunde Lebensmittel" an der Universität Gießen

    Der Fachbereich Agrarwissenschaften, Ökotrophologie und Umweltmanagement veranstaltet in diesem Wintersemester eine Vortragsreihe zum Thema "Gesunde Lebensmittel". Diese Vortragsreihe findet im Rahmen der Aktivitäten des Fachbereichs "Agrarwissenschaften, Ökotrophologie und Umweltmanagement" der Justus-Liebig-Universität zum "Jahr der Lebenswissenschaften" statt. Die Vorträge beginnen jeweils montags um 19 Uhr im Biologischen Hörsaal des Hauptgebäudes der Universität (Ludwigstr. 23). Am Montag, den 5. November 2001 spricht Prof. Dr. Wolfgang Friedt, Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung I, über das Thema "Gesunde Pflanzen - Gesunde Menschen?"

    Die heutige Bedeutung der Landwirtschaft und nachgeordneter Wirtschaftsbereiche lässt sich anhand zweier Relationen besonders gut veranschaulichen: In Deutschland werden immer noch 55% der Landfläche landwirtschaftlich genutzt, und 16% der Ausgaben eines durchschnittlichen Haushaltes werden für Lebensmittel getätigt. Der Sektor Agrar- und Ernährungswirtschaft hat somit hierzulande auch heute noch eine beträchtliche Bedeutung - nicht zuletzt auch als Arbeitgeber.

    Die Weltbevölkerung nimmt jährlich um fast 100 Millionen Menschen zu - bei einem starken Wachstum insbesondere in den ärmsten Ländern, den sog. Entwicklungsländern. Etwa 900 Millionen Menschen leiden Hunger, und die verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche nimmt weiter ab. Die weltweite Sicherung der Lebensmittelversorgung ist daher eine der aktuell größten Herausforderungen für die Menschheit.

    In dieser Hinsicht stellt der Reis die wichtigste Kulturpflanze dar: Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt davon. Ein großer Teil der jährlichen Welternte wächst in Entwicklungsländern und wird dort verzehrt. In 20 Jahren werden 1 Milliarde mehr Menschen 200 Millionen Tonnen Reis mehr benötigen. Aber auch andere Getreidearten (Weizen, Mais, u.a.) sowie Wurzelfrüchte und Futterpflanzen haben eine herausragende Bedeutung für die Lebensmittelversorgung der Welt. Die Erforschung der Entwicklung und Ertragsbildung solcher Arten ist eine unabdingbare Voraussetzung für ihre gezielte Optimierung in Richtung höherer Erträge an hochwertigen pflanzlichen Nahrungs- und Futtermitteln. Nur durch die Bereitstellung neuer Pflanzensorten, die auch bei suboptimaler Versorgung mit Nährstoffen und Wasser noch eine hinreichende Ernte ermöglichen, kann in vielen Entwicklungsländern überhaupt eine Lebensmittelproduktion gewährleistet werden.

    Dabei ist zu bedenken, dass trotz z.T. intensiver Pflanzenschutzmaßnahmen jährlich noch etwa 30% der Welternte allein durch biotische Schadursachen, wie Viren, Bakterien und Pilze, aber auch Unkräuter und tierische Schädlinge, verloren gehen. Die Verstärkung der pflanzlichen Resistenzeigenschaften gegen die wichtigsten Pathogene, die sich in weiter entwickelten landwirtschaftlichen Produktionssystemen bereits als eine sehr wirksame Maßnahme zur Ertragssicherung bewährt hat, könnte künftig auch in Entwicklungsländern helfen die größten Verluste zu vermeiden und damit zur Sicherung der Lebensgrundlagen maßgeblich beizutragen.

    Auf der Grundlage neuer Erkenntnisse der Züchtungsforschung hat die kommerzielle Pflanzenzüchtung in den letzten Jahrzehnten beträchtliche Fortschritte erzielt. Dies gilt nicht allein für die Flächenerträge, die im Durchschnitt der Pflanzenarten in Deutschland - ebenso wie in anderen Industrieländern - in den zurückliegenden vier Jahrzehnten jährlich um 2-3% gesteigert werden konnten. Bei Winterweizen erntet man heute hierzulande durchschnittlich etwa 70 dt/ha, bei Sommergerste annähernd 50 und bei Winterraps schon mehr als 30 dt/ha. Die Vergleichszahlen 1950-54 betrugen 27, 25 und 18 dt/ha. Optimierungen der Produktionstechnik werden es auch weiterhin ermöglichen, den züchterischen Fortschritt in höhere Praxiserträge umzusetzen.

    Von besonderer Wichtigkeit ist dabei eine hinreichende Ertragssicherheit. Dafür spielen Resistenzeigenschaften eine entscheidende Rolle. Hinsichtlich der Verbesserung der Krankheitsresistenz ist z.B. zu erwähnen, dass es bei Wintergerste 1983 lediglich vier gelbmosaikvirusresistente Sorten gab, heute sind es bereits über 20 und die Tendenz ist weiter steigend. Gelbmosaikviren können Ertragsverluste von bis zu 80% verursachen. Dabei ist jedoch vor allen Dingen festzustellen, dass zunehmend mehr Sorten verschiedene günstige Merkmale - wie etwa herausragende Qualität und Krankheitsresistenz - in sich kombinieren. Der Landwirt kann somit heute aus einer großen Palette an leistungsstarken, qualitativ wertvollen und gleichzeitig krankheitsresistenten Varietäten auswählen. Der Einsatz von Chemie auf dem Acker kann auf diese Weise auf das absolut Notwendige begrenzt werden, was dem Wunsch des Verbrauchers nach "naturbelassenen" Lebensmitteln weiter entgegen kommt. Das ist ein Ergebnis der hierzulande über die Jahrzehnte intensiv betriebenen Züchtungsforschung und praktischen Züchtung.

    Zudem hat in den letzten Jahren das Wissen über die biochemischen Zusammenhänge des pflanzlichen Stoffwechsels - insbesondere über die Biosynthese der vom Menschen in Form von Nahrungs- und Futtermitteln und als Nachwachsende Rohstoffe genutzten Reservestoffe - enorm zugenommen, womit die Voraussetzungen für eine praktische Umsetzung dieses Wissens ständig besser werden. Eine wichtige Voraussetzung für eine zielorientierte praktische Nutzung des wachsenden Verständnisses pflanzlicher Stoffwechselprozesse ist die Beherrschung von "Biotechniken": In den letzten Jahren wurden große Fortschritte im Bereich der Bio- und Gentechnologie erzielt, die als methodische Alternative aus der Pflanzenzüchtung heute nicht mehr wegzudenken ist. Bei der gegebenen aktuellen Entwicklung auf dem Gebiet der "Biotechnik" sind künftig weitere große Fortschritte zu erwarten. Diese werden auch notwendig sein, um die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht sicherzustellen.

    Neben den bekannten, oben beschriebenen Problemen kommen neue hinzu: Beispielsweise ist das Problem von Mykotoxinen in Lebensmitteln zu Unrecht bisher wenig beachtet worden. Für maßgebliche Verbesserungen auf diesem Gebiet wird ein Einsatz der Gentechnik von großem Nutzen - wenn nicht sogar unverzichtbar - sein. Es wäre daher wünschenswert, wenn sich die "Gentechnik-Diskussion" mehr an den realen Erfordernissen als an hypothetischen Risiken orientieren würde. Denn es geht nicht um den unreflektierten Einsatz der Gentechnik um jeden Preis, sondern um die Nutzung dieser neuen Technologie für anders nicht lösbare Fragestellungen und Probleme im Interesse einer ökologisch vertretbaren und landwirtschaftlich machbaren Erzeugung gesunder Lebensmittel.

    Kontakt:

    Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Friedt
    Institut für Pflanzenbau & Pflanzenzüchtung I
    Heinrich-Buff-Ring 26-32,
    35292 Gießen
    Tel.: 0641/99-37420, Fax: 0641/99-37429
    e-mail: wolfgang.friedt@agrar.uni-giessen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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