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31.10.2001 00:00

Irrwege der Evolutionsbiologie: Professor Hubert Markl über "Entgrenzte Wissenschaft"

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Präsident der Max-Planck-Gesellschaft sprach heute bei der zweiten Veranstaltung des "Heidelberger Forum Biowissenschaft und Gesellschaft" in der Print Media Academy

    In der zweiten Veranstaltung des "Heidelberger Forum Biowissenschaft und Gesellschaft" in der Print Media Academy sprach Professor Hubert Markl über das Thema "Entgrenzte Wissenschaft: der Irrweg von Evolutionsbiologie und Genetik zu Rassismus und Mord". Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft machte im ersten Teil in seiner Rede klar, dass es keinen genetischen Rassismus gibt und geben kann, sondern ein interkulturelles Problem darstelle, das sich langsam lösen muss, in einer Welt, die enger zusammengerückt ist. Im zweiten Teil ging er auf den, seiner Meinung nach, hohen Stellenwert der Nidation, der Einnistung der Eizelle in die Gebärmutter, in Bezug auf den ethisch relevanten Beginn des menschlichen Lebens ein.

    "Dass Unmenschlichkeit Teil unserer Menschennatur ist, gehört wohl zu den folgenreichsten und zugleich bedrückendsten Selbsterkenntnissen des Menschen", begann Markl. Das Verhalten des Menschen sei nicht von der Natur vorgegeben und nicht in den Genen festgehalten, sondern das Verhalten liegt in den verschiedenen Kulturen des Menschen, in deren Wertevorstellungen und Moral begründet. Der Mensch an sich sei weder gut noch böse, sondern es komme darauf an, wie er von den Normen und Werten einer Kultur beeinflusst wird.

    Dass die DarwinŽsche Evolutionsbiologie von führenden deutschen Wissenschaftlern dazumal auf die menschlichen Rassen übertragen wurde und somit Nährboden für den Nationalsozialismus in Deutschland war, ärgert Markl. "Die Biologen und Mediziner haben sich damals erhebliche Mitschuld am Nazi-Rassismus aufgeladen", sagte er. Diese Wissenschaftler maßten sich als "Herren über die Tatsachen" an, über den Wert eines Menschen oder sein Recht auf Fortpflanzung zu entscheiden.

    Dass der Irrweg der Evolutionsbiologie zur Rassenbiologie noch nicht ganz abgeschritten ist, zeigt die Feststellung einer UN-Konferenz gegen Rassismus, die vor kurzem erneut verdeutlichte, dass Unterdrückung und Vernichtung von Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu gleich aus welchen Gründen diskriminierten Gruppen keineswegs Schrecknisse der Vergangenheit - und keineswegs nur der deutschen Vergangenheit - sind, sondern grausame Alltagswirklichkeit für Millionen davon Betroffener. Rassismus beinhaltet das brutale Recht des Stärkeren. Auch die Ausrottung unerwünschter oder als unbrauchbar erklärter Menschen ist Rassismus, diesmal aus sozialmedizinischen Gründen. Welchen Wert hat ein Mensch heute noch und sind nicht für jeden die Menschenrechte gültig? Markl würde es schon als Fortschritt bezeichnen, wenn die Menschenrechte wenigstens auf dem Papier für jeden gültig wären. Dies durchzusetzen sei Aufgabe der UNO.

    Nach den Ausführungen über das kulturelle Wesen des Menschen, seiner Doppelgesichtigkeit von Natur und Kultur, betrachtete Markl die Entwicklung zum Menschen vom frühesten Stadium an. Er stellte die Phasen und frühen Zeitpunkte in den Raum, an denen die uneingeschränkten Rechte und die unantastbare Würde des Menschen festgemacht werden können. Angefangen bei der Zygotenbildung, der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, über die Einnistung (Nidation) bis zur Entwicklung des embryonalen Gehirns. Prinzipiell könnte jede dieser besonderen Entwicklungsstadien für den Beginn des Lebens und der damit verbundenen Menschenrechte herangezogen werden.

    Markl sieht jedoch in der Nidation die ethisch relevante Lebenslinie, denn hier beginne eine besondere biologische und soziale Bindung mit der Mutter. Allerdings ist Markl auch der Ansicht, dass der Embryo vor der Einnistung nicht ein x-beliebiger Zellhaufen ist, sondern ein lebendes Wesen mit einer sich bereits entwickelnden Menschenwürde. Eingriffe in dieses Stadium der embryonalen Entwicklung, die zu seiner Gefährdung oder seinem Missbrauch führen, bedürfen seines Erachtens unabdingbar nicht nur der Zustimmung der Eltern sondern auch einer Regelung durch den Gesetzgeber, um jedem menschenzüchterischen Missbrauch zu wehren. Nur in einer klar eingeschränkten Weise scheint Markl die verbrauchende Embryonendiagnostik, Embryonenforschung oder Embryonennutzung vertretbar, wobei er der Meinung ist, dass es zur Zeit genüge, zunächst die Nutzung bestehender Stammzellenkulturen für Forschungszwecke freizugeben.

    In der anschließenden Diskussion über die von Markl vorgeschlagene Nidation als Beginn der Lebenslinie heranzuführen, anstatt die Zygotenbildung bereits zu akzeptieren, waren Markls Schlussworte: "Ich werdŽ keinem seine Zygoten wegnehmen", und er machte damit klar, dass die Diskussion um den Beginn des menschlichen Lebens noch lange nicht ausgefochten ist.

    Georg Sposny

    Rückfragen bitte an:
    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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