Slawisten der Universität Jena geben Band heraus zur russischen Literatur und ihrer Rezeption in beiden Teilen Deutschlands
Russland war um 1960 im Westen Deutschlands der Feind und „kalte Krieger“, während das Land in der DDR bündnisgemäß als Freund und „großer Bruder“ angesehen wurde. Russland, seine Produkte und seine Literatur wurden daher fast zwangsläufig unterschiedlich betrachtet.
Wie unterschiedlich oder doch ähnlich russische Literatur in beiden Teilen Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg rezipiert wurde, das beschreibt eine neue Publikation aus dem Institut für Slawistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Band „Russische Literatur als deutsch-deutscher Brückenschlag (1945-1990)“, den Christine Fischer herausgegeben hat, fasst die Beiträge einer gleichnamigen Jenaer Tagung vom Vorjahr zusammen. Die sieben Beiträge von Literaturwissenschaftlern und Historikern geben gemeinsam mit den Einführungen einen guten Überblick über die wichtigen – vor allem lyrischen – Autoren (darunter Achmatowa und Jessenin), ihre Rezeption und ihre politische Bedeutung. Denn politisch war jede Publikation, wie Ulrich Steltner bereits in seiner Einführung schreibt, „weil ja die russische Literatur als Teil der postulierten ,Sowjetliteratur‘ seit dem 1. Schriftstellerkongress 1934 den Vorgaben des Sozialistischen Realismus zu folgen hatte“.
Doch trotz unterschiedlicher politischer Systeme und Ideologien waren die Gemeinsamkeiten in Ost- und Westdeutschland manchmal größer als die Unterschiede. „Die westdeutschen Literaturkritiker lasen die russische Literatur zwar aus einem anderen Blickwinkel, letztendlich jedoch hatten sie dasselbe Anliegen wie ihre ostdeutschen Kollegen: den Deutschen die russische Literatur näherzubringen“, beschreibt PD Dr. Christine Fischer von der Universität Jena. Die Literaturwissenschaftlerin und Übersetzerin hat gemeinsam mit Kollegen vom Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte die Rezeption russischer Autoren in beiden deutschen Staaten untersucht. Ihre kleine Arbeitsgruppe rückte dabei die russische Lyrik in den Vordergrund. Neben den unterschiedlichen Rezeptionsweisen russischer Gedichte haben die Wissenschaftler der Uni Jena auch Gemeinsamkeiten entdeckt. Auf der Suche nach verbindenden Faktoren stießen die Projektmitarbeiter auf bemerkenswerte Erkenntnisse, von denen einige im neuen Band nachzulesen sind.
So fanden die Jenaer Wissenschaftlerinnen heraus, dass nicht ausschließlich der ostdeutsche Bruderstaat russische Literatur wahrnahm und veröffentlichte. „Auch in der Bundesrepublik fanden Werke großer russischer Dichter Beachtung“, erzählt Fischer. Federführend dabei waren „bedeutende westdeutsche Literaturzeitschriften, zum Beispiel die ,Neue Rundschau', ,Akzente' und auch der ,Merkur'. Beachtung fanden dabei jedoch vor allem jene Autoren, die im Osten vernachlässigt wurden“, so Fischer weiter.
Und noch ein Klischee wird durch die Jenaer Erkenntnisse relativiert: Die DDR-Literatur und somit auch die in dieser Zeit stattfindende Auswahl russischer Autoren waren keineswegs durchweg politisch motiviert. Auch ostdeutsche Literaturzeitschriften, wie ,Sinn und Form', konnten teilweise im Widerspruch zu den Zensurvorgaben publizieren.
Die Lektüre des neuen Bandes, der im Institut und im Buchhandel erhältlich ist, hilft daher nicht nur dabei, mehr über die Rezeption von Literatur zu erfahren, sondern trägt ebenfalls zu einer kulturell-historischen Aufarbeitung der deutschen Teilung bei.
Christine Fischer (Hg.): „Russische Literatur als deutsch-deutscher Brückenschlag (1945-1990)“, Jena 2010, 168 Seiten, Preis: 15 Euro, ISBN 978-3-9810931-4-8
Kontakt:
PD Dr. Christine Fischer
Institut für Slawistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Ernst-Abbe-Platz 8, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944727
E-Mail: Christine.Fischer.1[at]uni-jena.de
Cover der neuen Publikation.
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Geschichte / Archäologie, Sprache / Literatur
überregional
Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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