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20.03.1997 00:00

Spacelab: Experimente mit "metallischen Gläsern"

Ramona Ehret Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni
Technische Universität Berlin

    TU Berlin - Medieninformation Nr. 57 - 18. März 1997

    TU BERLIN FORSCHT IM SPACELAB

    Berliner Forscher experimentieren mit "Metallischen Glaesern"

    Am 3. April startet die amerikanische Raumfaehre Columbia zur bisher 83. Spaceshuttle-Mission ins All. Im Huckepack traegt sie das Raumlabor "Spacelab", vollgepackt mit Apparaturen und Experi- menten des "Microgravity Science Laboratory" (MSL). Zwei Wochen lang werden Wissenschaftler aus den USA, Japan und Europa im MSL Experimente unter Schwerelosigkeit durchfuehren. Ihre Themen sind Verbrennungsprozesse, Eiweisse und Materialforschung. Ebenfalls dabei sind zwei Forschergruppen der TU Berlin: Sie untersuchen neue Werkstoffe.

    Bereits rund 30-mal wurde Spacelab, ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen Weltraumbehoerde NASA und der europaeischen Raum- fahrtagentur ESA, zu Missionen ins All geschickt. Wissenschaftler aus rund 20 Laendern fuehrten hier ueber 500 Experimente durch, etwa zum Wachstum von Kristallen oder zum Aufbau von Eiweissen. Bei der 83. und letzten Spacelab-Mission, die voraussichtlich vom 3. bis 20. April '97 stattfindet, werden unter anderem Verbren- nungsprozesse und das Wachstum von Pflanzen studiert. In einem speziellen Versuchsaufbau namens TEMPUS ("Tiegelfreies elektroma- gnetisches Prozessieren unter Schwerelosigkeit") geht es um Ei- genschaften von Metallschmelzen. In diesem Versuchsaufbau werden etwa kirschkerngrosse Metallproben beruehrungslos durch elektro- magnetische Felder beheizt und geschmolzen. Die Temperatur der Proben sowie deren Volumen und Oberflaechengestalt werden dabei ebenfalls kontaktlos durch optische Methoden mit hoher Genauig- keit bestimmt. TEMPUS steht auch fuer eine internationale Kooperation von Wis- senschaftler-Teams aus den USA (Massachussets Institute of Tech- nology, California Institute of Technology, Vanderbilt Universi- ty) und Deutschland (Uni Augsburg, Deutsche Forschungsanstalt fu- er Luft- und Raumfahrt Koeln und TU Berlin). Entwickelt und ge- baut wurde TEMPUS von der Firma Dornier-Daimler Benz Aerospace im Auftrag der Deutschen Agentur fuer Raumfahrtangelegenheiten.

    1. VERSUCHSREIHE: OBERFLAECHENSPANNUNG

    Die Arbeitsgruppe von TU-Professor Martin Georg Frohberg und Dr.- Ing. Michael Roesner-Kuhn wird in der TEMPUS-Apparatur die Ober- flaechenspannung einiger Metalle untersuchen. Diese Materialei- genschaft beschreibt die Faehigkeit eines Metalls, Kontakt zu ei- ner Grenzflaeche herzustellen, und ist bei vielen industriellen Anwendungen von Bedeutung: Z. B. beim Guss von metallischen Form- stuecken oder beim Filtrieren von Verunreinigungen aus Metall- schmelzen. 18 verschiedene Metalle - unter anderem Gold, Nickel, Zirkon- und Aluminiumlegierungen - wird das TU-Team waehrend der MSL-Mission unter die Lupe nehmen. Dabei messen die Wissenschaftler mit opti- schen Methoden zunaechst die Oberflaechentemperatur. Da sich die Oberflaechenform des Metalltropfens rythmisch aendert ("zittert"), ergibt sich ebenfalls ein oszillierendes Temperatur- Zeit-Signal. Dessen Auswertung mit Hilfe mathematischer Methoden gibt Aufschluss ueber die Oberflaechenspannung des untersuchten Metalls. Die Experimente steuern und ueberwachen die Forscher per Fernbe- dienung von der Erde aus, in Zusammenarbeit mit einem Team des Instituts fuer Raumsimulation der DLR. Wie ihre Forscherkollegen, die an den anderen MSL-Einrichtungen arbeiten, sind die Wissen- schaftler dazu im Marshall Space Center in Huntsville, Alabama, untergebracht.

    WARUM IM ALL EXPERIMENTIEREN?

    Aber warum muessen die Berliner Forscher ihre Untersuchungen ei- gentlich im All durchfuehren? AEhnliche Experimente machen sie schliesslich auch in Berlin: Mit Hilfe einer Spezialapparatur ko- ennen sie Metallproben in ihrem Institut genauso beruehrungsfrei untersuchen wie im All. Das Ankaempfen gegen die Schwerkraft er- fordert jedoch ein energiereicheres Schwebefeld und fuehrt daher zu Untersuchungstemperaturen von ueber 1000 C. Die Schwerelosig- keit eroeffnet somit niedrigere Temperaturbereiche, die man auf der Erde nicht erreichen kann und die gerade fuer bestimmte Le- gierungen besonders interessant sind.

    2. VERSUCHSREIHE: METALLISCHE GLAESER

    Dies ist zum Beispiel fuer sogenannte metallische Glaeser wich- tig, eine Gruppe von Metallegierungen, deren Schmelzpunkte haeu- fig unter 900 C liegen. Sie werden vom zweiten TU-Team unter Leitung von Prof. Dr. Hans-Joerg Fecht und Dr. Rainer Wunderlich untersucht. Technologisch interessant sind die metallischen Glae- ser, weil sie eine hohe Festigkeit und eine gute Korrosionsbe- staendigkeit aufweisen. Die Materialeigenschaften der metalli- schen Glaeser ergeben sich aus einer faszinierenden Eigenart: Beim Abkuehlen aus der Schmelze erstarren sie nicht zu kristalli- nen Strukturen - wie es bei Metallen normalerweise der Fall ist - , sondern in einer ungeordneten (amorphen) Struktur, die der ei- ner Fluessigkeit sehr aehnlich ist. Aus diesem Grund spricht man von "metallischen Glaesern" in Analogie zu Glaesern, wie man sie aus dem taeglichen Leben kennt. Drei Legierungen, die auf der Basis des Elements Zirkon herge- stelt wurden, schickt die Arbeitsgruppe mit dem Spacelab ins All. Sie werden - wie auch die anderen Metallproben - mit TEMPUS ge- schmolzen und dann in Stufen abgekuehlt. Dabei messen die Wissen- schaftler die sogenannte spezifische Waerme. Die Kenntnis dieser Groesse ist spaeter auf der Erde wichtig, um massive Werkstuecke aus metallischem Glas zu produzieren.

    VORAUSSICHTLICH AM 20. APRIL ZURUECK AUF DER ERDE

    Voraussichtlich am 20. April soll das "International Microgravity Laboratory" mitsamt Spacelab und den Ausruestungen des "Microgravity Space Laboratory" wieder zur Erde zurueckkehren. Waehrend die Raumfaehre Columbia weiterhin fuer Weltraumfluege eingesetzt wird, soll das Spacelab zukuenftig auf dem Boden blei- ben, denn weitere Missionen des Weltraumlabors sind nicht mehr geplant. In Zukunft sollen Schwerelosigkeitsexperimente nur noch auf der internationalen Weltraumstation stattfinden, die derzeit von NASA, ESA und anderen Raumfahrtorganisationen aufgebaut wird. Sie soll zwischen Dezember 1997 und dem Juni 2002 aufgebaut werden.

    René Schoenfeldt

    Diesen Beitrag koennen Sie im Rahmen Ihrer Berichterstattung ganz oder teilweise - auch ohne Namensnennung - verwenden. Wir moech- ten Sie aber bitten, uns ein Belegexemplar zuzusenden.

    Weitere Informationen erteilen Ihnen gerne Dr.-Ing. Michael Roesner- Kuhn und Dr. Rainer Wunderlich vom Institut fuer Metallische Werstoffe der TU Berlin. Sie erreichen beide Wissenschaftler noch bis zum Mittwoch, dem 26. Maerz: Dr.-Ing. Michael Roesner-Kuhn (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Martin Georg Frohberg), Tel. 030/314-22359; Dr. Rainer Wunderlich (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Hans-Joerg Fecht), Tel. 030/314-22484.

    AKTUELLE INFORMATIONEN IM WORLD WIDE WEB

    Aktuelle Informationen zur Spacelab-Mission gibt es auch auf dem World Wide Web.

    Unter http://www.ksc.nasa.gov/shuttle/missions/sts-83/mission-sts-83.html gibt es Wissenswertes ueber die 83. Space-Shuttle-Mission, das Astronauten-Team und die Ziele der Mission. Von der Countdown-Homepage aus (http://www.ksc.nasa.gov/shuttle/missions/sts-83/countdown.html) findet man Fotos und Videos zum Weltraumflug. Naehere Angaben ue- ber das "Microgravity Science Laboratory", gibt es unter http://liftoff.msfc.nasa.gov/spacelab/msl/welcome.html. Und wer sich speziell fuer die Raumfaehre Columbia interessiert, sollte http://www.ksc.nasa.gov/shuttle/resources/orbiters/columbia.html anklicken.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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