idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
15.11.2001 14:02

Unternehmen an der deutsch-polnischen Grenze

Gerhard Mahnken Zentraler Dienst Öffentlichkeit
IRS / Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung

    Unternehmen an der deutsch-polnischen Grenze: zwischen Expansionshoffnungen und Rückzug
    Im Vorfeld der EU-Osterweiterung wächst die Ver-unsicherung bei den wirtschaftlichen Akteuren im deutsch-polnischen Grenzraum. Diese Entwicklung verwundert den unbeteiligten Beobachter, der noch vor wenigen Monaten zuversichtliche Stellungnah-men von Lokal-, Landes- und Bundespolitikern konstatieren konnte. In den 90er-Jahren war in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, dass grenz-überschreitende Verflechtungsprozesse, die auf der Ebene der politischen Organisationen zustande ge-kommen waren, auch die Wirtschaft positiv stimmen und zu eigenen Kooperationsbemühungen veranlas-sen könnten. Dieser Eindruck verliert sich spätestens zur Jahrtausendwende. Symbolische politische Handlungen der Grenzüberschreitung haben ökono-mische Formen der Zusammenarbeit und des Infor-mationsaustausches offenbar kaum berührt. Unter-nehmens-Kooperationen über die Grenze hinweg kommen trotz punktueller Unterstützung durch die brandenburgische Landesregierung meist nur müh-sam zustande.
    Es handelt sich um eine mehrfache Verunsicherung:
    1. Einschätzungen der künftigen Wirtschaftsent-wicklung der Grenzregion durch lokale Unter-nehmen pendeln zwischen den Extremen "Grenzregion als bevorzugter Kontakt- und Entwicklungsraum zwischen älteren und neuen EU-Mitgliedsregionen" und "Grenzregion als Schrumpfungsraum und neue Peripherie".
    2. Auf der Ebene betriebswirtschaftlicher Kalküle werden Verschlechterungen der gegenwärtigen Wettbewerbssituation durch die zunehmend kri-senhafte Entwicklung der Wirtschaft im Grenz-raum erwartet. Zudem werden neue Konkurren-zen durch polnische und andere ostmitteleuro-päische Unternehmen befürchtet.
    3. Auf der soziokulturellen Nahraumebene werden die Einbettung der Unternehmer in lokale Milie-us und die Verwicklung von Unternehmen in lo-kale Spreizungsprozesse zu einem zunehmenden Moment der Verunsicherung.
    Auf der Basis einer lokalen Fallstudie (der deutsch-polnischen Doppelstadt Guben-Gubin) werden Mi-lieubezüge und die alltäglichen Umfelder grenzüber-schreitender Kooperationstätigkeiten ökonomischer Akteure im Grenzraum diskutiert. Zudem wird die Frage nach Institutionalisierungsprozessen gestellt, die aus den jeweiligen Milieubezügen erwachsen. Die folgenden Ergebnisse werden zur Diskussion gestellt:
    - Entgegen landläufigen Annahmen hilft eine Ver-ankerung in lokalen sozialen Milieus und Poli-tiknetzwerken den Unternehmern nicht entschei-dend dabei, stabile Orientierungen und grenz-überschreitende Handlungsperspektiven zu ge-winnen. Grenzüberschreitende Kooperationen werden bislang eher von denjenigen realisiert, die nur einen lockeren Milieubezug haben oder in globalen Zusammenhängen agieren, die die Region selbst kaum berühren.
    - Kennzeichnend für die Situation in der Grenzre-gion sind Spreizungen zwischen der Ebene der Kommunalpolitik und dem lokalen Unterneh-mertum. Während lokale Politiker eine symboli-sche Politik im Dienste der europäischen Eini-gung und der deutsch-polnischen Verständigung praktizieren, fühlen sich viele Unternehmer mit ihren Bemühungen allein gelassen und wenden sich von der Lokalpolitik ab. Ihre Ansprechpart-ner suchen sie häufig eher in politischen Akteu-ren und Verbänden außerhalb der Grenzregion und in der Landespolitik.
    - Findet eine intensive Einbettung von Unterneh-men in lokale Milieus und Politiknetzwerke statt, so geht sie oft mit Abschottungstendenzen ge-genüber der polnischen Seite einher. Der sog. Lokalismus, d.h. eine auf den Ort bezogene, bo-denständige Orientierung der Akteure, die in an-deren regionalen Entwicklungszusammenhängen
    eine ausgesprochen positive endogene Ressource darstellt, wirkt sich in der deutsch-polnischen Grenzregion eher kontraproduktiv aus: Hier wird allenfalls die Förderung des deutschen Teils der Grenzregion, nicht jedoch einer neuen grenz-überschreitenden Region angestrebt.
    - Dennoch herrschen in dem weit verbreiteten "EU-Einigungsskeptizismus" der lokalen Klein-unternehmer und -händler nicht ausschließlich negative Einschätzungen vor. In der Regel ver-mischen sich Konkurrenzängste mit vagen Ent-wicklungshoffnungen. Eine Taktik des vorsichti-gen Abwartens bei latent vorhandener Abwande-rungsbereitschaft dürfte auch für die kommenden Jahre kennzeichnend sein.
    - Aufgrund ausbleibender Erfolge der politischen Stützungsversuche für grenzüberschreitende Kontaktaufnahmen und Kooperationen bleibt die Kooperationsszenerie von wenigen, isoliert ope-rierenden Einzelunternehmern mit z.T. langjäh-rigen Erfahrungen und großem persönlichen En-gagement geprägt. Ein schnelles Zusammen-wachsen der Regionen beiderseits der Grenze, gar unter Beteiligung von neuen, belastbaren Kooperationsnetzwerken, ist derzeit kaum ab-sehbar.
    - Umso wichtiger ist es, lokale Handlungsansätze unter dem Vorzeichen der "Lernenden Region" zu entwickeln, die die beschriebenen Abschot-tungen auflockern und neue Verständigungswe-ge zwischen den Akteuren erschließen.

    Erkner bei Berlin

    Direkter Kontakt im IRS:
    Prof. Dr. Hans-Joachim Bürkner
    Fax: 03362/793-111
    Tel.: 03362/793-279
    E-Mail: Buerkner@irs-net.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).