idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
07.04.2011 15:01

Integrierte Schule

Ingrid Rieck Presse und Kommunikation
Universität Rostock

    Wie die Universität Rostock das Rügener-Integrations-Modell wissenschaftlich unterstützt

    In der UN-Kinderrechts- und der UN-Behindertenrechtskonvention, die 2009 durch die Bundesrepublik ratifiziert wurde, wird darauf hingewiesen, dass alle Kinder die Chance auf eine Beschulung im allgemeinen Schulsystem haben sollen. Kein Kind darf aufgrund einer Behinderung ausgegliedert werden. Damit sind sämtliche Bundesländer, so auch Mecklenburg-Vorpommern, zum Aufbau eines inklusiven Schulsystems, in dem behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam lernen können, verpflichtet. „Es stellt sich nicht die Frage, ob eine gemeinsame Beschulung aller Kinder erfolgen soll, sondern wie diese für alle Kinder, umgesetzt werden kann. Damit verändert sich die Aufgabe der allgemeinen Schule, die nun eine gemeinsame Beschulung vorhalten muss“, sagt Prof. Dr. Bodo Hartke, Direktor des Instituts für Sonderpädagogische Entwicklungsförderung und Rehabilitation an der Universität Rostock.

    Obwohl schon längere Zeit im Schulgesetz und in der sonderpädagogischen Förderverordnung unseres Bundeslandes die Integration ausdrücklich als bevorzugte Beschulungsform empfohlen wird, fällt es den Schulen nicht leicht, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf tatsächlich integrativ zu beschulen. In den allgemeinen Schulen herrscht eine erhebliche Unsicherheit, wie mit den „besonderen“ Kindern umgegangen werden soll. Welche Unterrichtsmittel, Fördermaterialien und -konzepte sind nicht nur für die „normalen“ und „begabten“ Kinder geeignet, sondern auch für Kinder, die sehr viel mehr Unterstützung beim Bewältigen der schulischen Anforderungen benötigen? Wie kann eine effektive Zusammenarbeit zwischen Regelschul- und Sonderpädagogen aussehen? Diese und andere Fragen möchte ein Forschungsteam der Universität Rostock gemeinsam mit Kooperationspartnern, wie dem Bildungsministerium M-V, dem Staatlichen Schulamt Greifswald und den Grund- und Förderschulen der Insel Rügen klären. „Dabei verdienen die beteiligten Rügener Kollegen, die sehr engagiert einen Weg beschreiten, den vor ihnen noch niemand gegangen ist, eine besondere Hochachtung von Pädagogik, Politik und Wissenschaft“, hebt Prof. Hartke hervor.

    Unter der Leitung von Prof. Bodo Hartke wurde ein Konzept zur Prävention und Integration von Kindern mit Entwicklungsstörungen in den Bereichen „Lernen“, „Sprache“ sowie „emotionale und soziale Entwicklung“ (Verhalten) erarbeitet und aktuell auf Rügen umgesetzt. Seit dem Schulbeginn des laufenden Schuljahres lernen auf der Insel Rügen alle Kinder in einer 1. Klasse der Grundschule. Kein Kind wurde in eine Sonderklasse eingeschult. Die wissenschaftliche Begleitung durch die Universität Rostock ermöglicht es nun festzustellen, ob sich die Lernerfolge der Kinder, die im gemeinsamen Unterricht auf Rügen und der Kinder, die auf herkömmliche Weise, zum Beispiel auch in Sonderklassen, unterrichtet werden (dies erfolgt in der Stadt Stralsund), unterscheiden. „Diese Überprüfung ist sehr wichtig, damit beurteilt werden kann, ob das integrative Beschulungskonzept ein erfolgreiches Lernen aller Kinder sichert“, so Hartke.

    Ein wesentlicher Inhalt des Rügener-Integrations-Modells ist der Einsatz von Unterrichts- und Förderkonzepten, deren Wirksamkeit bereits in wissenschaftlichen Untersuchungen nachgewiesen wurde. So basieren die Deutschmaterialien auf dem lang erprobten „Kieler Leseaufbau“. Die Mathematikmaterialien wurden in einem 10-jährigen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt entwickelt (Mathe 2000) und entsprechen neuesten entwicklungspsychologischen Erkenntnissen über die Entwicklung mathematischer Kompetenzen bei Kindern.

    Es wurde ganz gezielt darauf geachtet, dass die Materialien ein inhaltliches Konzept besitzen, das allen Kindern in besonders guter Weise das Erlernen des Lesens, Schreibens und Rechnens ermöglicht. In vergleichbarer Art wurden alle weiteren Förder- und Therapiematerialien ausgewählt. Gerade mit dem Leselehrgang, der die Anforderungen des Rahmenplanes für die erste Klasse vollständig erfüllt – so werden sämtliche Buchstaben, schwierige Buchstabenverbindungen und die Schreibschrift eingeführt –, wird sehr erfolgreich gearbeitet. In diesem Leselehrgang wird berücksichtigt, dass es Laute gibt, die für Kinder leichter voneinander zu unterscheiden sind als andere. Diese Laute werden als erstes eingeführt und so intensiv geübt, bis die Kinder verstanden haben, dass sich Laute in Buchstaben abbilden. Vielen Kindern, gerade mit einem Entwicklungsproblem im Bereich Lernen oder Sprache, ist dieser Zusammenhang nicht klar. Daher ist es für den weiteren Lernerfolg wichtig, dass sie diesen Zusammenhang verstehen. Den Kindern fällt es nun viel leichter weitere Buchstaben zu erlernen. Das Verfahren bietet so eine Möglichkeit, Lernstörungen im Bereich Deutsch gezielt vorzubeugen. Die Reihenfolge der eingeführten Buchstaben ist für sich altersgerecht entwickelnde Kinder ebenfalls günstig, schneller lernende Schüler können ihren individuellen Möglichkeiten entsprechend mit zusätzlichen Materialien gefördert werden – so wie es im Unterricht der Grundschule schon immer Praxis war.

    Prof. Hartke: „Es bleibt abzuwarten, wie die Ergebnisse nach zwei Schuljahren ausfallen. Sollte sich das Konzept für die Schüler auf Rügen als erfolgreich erweisen, wäre das Rügener-Integrations-Modell ein gelungener Schritt in Richtung zu einer inklusiven Schule“.

    Kontakt:
    Universität Rostock
    Philosophische Fakultät
    Prof. Dr. Bodo Hartke
    Telefon: +49 (0)381 498 2679
    eMail: bodo.hartke@uni-rostock.de

    Presse+Kommunikation
    Dr. Ulrich Vetter
    Telefon: +49 (0)381 498 1013
    eMail: ulrich.vetter@uni-rostock.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, jedermann
    fachunabhängig
    überregional
    Schule und Wissenschaft
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).