Wissenschaftler erfassen Gene, die den Geruchssinn in den Fühlern einer Motte steuern
Mit ihren Antennen navigieren Insekten in ihrer Umwelt. Nicht nur Gerüche, sondern auch Tast- und Temperatursinn sind in den Fühlern verankert. In einer jetzt online veröffentlichten Studie legen Max-Planck-Wissenschaftler erstmals die komplette Analyse der in den Antennen des Tabakschwärmers Manduca sexta am Geruchssinn beteiligten Gene vor. Etwa 70 verschiedene Rezeptoren wurden in rund 100 000 Neuronen identifiziert, mit denen die Motten eine große Anzahl an Düften erkennen, die wiederum ihr Verhalten steuern. Bei der Studie handelt es sich um die erste nahezu vollständige Analyse des Antennen-Transkriptoms einer natürlich vorkommenden Insektenart. (PNAS Online Early Edition, April 2011, DOI: 10.1073/pnas.1017963108).
Die genetische Analyse der Antennen des Tabakschwärmers schließt eine Lücke in der Erforschung der Wechselwirkungen zwischen Insekten und Pflanzen: Wie gelangt eigentlich der Duft des Tabaks, bildlich gesprochen, in das Gehirn der Motte?
Die Entschlüsselung der in den Fühlern aktiven Gene ist eine wichtige Grundlage, um herausfinden zu können, wie ein Insekt Reize wahrnehmen kann. Dazu bestimmten die Jenaer Forscher das so genannte Transkriptom der Antennen des Tabakschwärmers, also die Sequenzen der dort aktiven Gene (messenger RNAs oder mRNAs). Demnach verfügt Manduca sexta über 18 spezifische Duftstoff-bindende und 21 chemosensorische Proteine. Die Tabakschwärmer-Männchen verfügen zudem über 68 verschiedene Geruchsrezeptoren, die jeweils an einen Glomerulus (kugelförmiges Nervenbündel) gekoppelt sind. Weibchen wiederum haben 70 solcher „Reaktionseinheiten“; die meisten dieser Rezeptoren konnten im Laufe dieser Untersuchung identifiziert werden.
Eine große Anzahl (69%) der Antennen-Transkripte lässt sich keiner Genfunktion zuordnen - ihre Rolle in den Fühlern ist nicht erkennbar. Dies lässt vermuten, dass es viele noch unverstandene Mechanismen der Reizverarbeitung in den Antennen gibt, die jetzt aufgeklärt werden müssen. Einige der mRNAs lassen auf erhebliche Enzymaktivitäten schließen, beispielsweise Esterasen. Vorhanden ist auch eine größere Menge an Transkripten, die Genexpression steuern, ein Indiz, dass die Antenne sich flexibler an Umwelteinflüsse anpassen kann als bisher angenommen.
Antennen scheinen trotz ihrer Beteiligung an komplexen Verhaltensweisen recht simpel zu sein in ihrer genetischen Ausstattung: Zum Vergleich: Im Mitteldarm der Raupen sind nahezu doppelt so viele Gene aktiv wie in den Antennen der Falter. Ausschließlich in Männchen exprimiert sind nur 348 Antennen-Gene, während Weibchen immerhin 729 „eigene“ Gene für sich beanspruchen. „Dies könnte daran liegen, dass die Weibchen befruchtete Eier an für den Nachwuchs optimalen Stellen ablegen. Beispielsweise auf Blättern des wilden Tabaks, wo sich die jungen Raupen ernähren können, ohne durch die Abwehrstoffe der Tabakpflanze geschädigt zu werden“, sagt Bill Hansson, Direktor der 2006 am Max-Planck-Institut gegründeten Abteilung Evolutionäre Neuroethologie.
Der Geruchssinn ist bei Insekten enorm ausgeprägt. Eine geringe Konzentration an Molekülen in der Luft reicht aus, um von den Antennen der Tiere erfasst zu werden. Die Duftstoffe werden von Rezeptorproteinen in Nervenzellen in den Fühlern erkannt. Hat der Rezeptor ein Duftmolekül gebunden, werden chemische und elektrische Signale erzeugt, die im Gehirn des Insekts verarbeitet werden und schließlich dessen Verhalten bedingen (vgl. Pressemeldung „Ein Kombi-Rezeptor ermöglicht Insekten eine superempfindliche als auch schnelle Wahrnehmung von Duftstoffen in der Umwelt“, April 2008). Neben Rezeptoren kommen weitere in die Geruchswahrnehmung involvierte Proteine ins Spiel, dazu gehören Enzyme und chemosensorische Proteine.
Neben Fruchtfliegen sind Schmetterlinge und Motten beliebte Forschungsobjekte. Das Genom der Seidenraupe Bombyx mori ist inzwischen vollständig sequenziert, allerdings ist dieses Insekt durch den Menschen über Jahrtausende hinweg domestiziert worden, weshalb ursprüngliche, unbeeinflusste Exemplare in der Natur nicht mehr auffindbar sind. Die „Gewohnheiten“ des amerikanischen Tabakschwärmers (Manduca sexta) hingegen, einer in Nordamerika vorkommenden Motte, sind Gegenstand zahlreicher physiologischer Studien zur Erforschung des Geruchssinns in Insekten. Darüber hinaus ist auch dessen Wirtspflanze Nicotiana attenuata, der wilde Tabak, zu einer wichtigen Modellpflanze ökologischer Forschung avanciert. [JWK]
Originalveröffentlichung:
Ewald Grosse-Wilde, Linda S. Kübler, Sascha Bucks, Heiko Vogel, Dieter Wicher, Bill S. Hansson: Antennal transcriptome of Manduca sexta.
Proceedings of the National Academy of Sciences USA, Early Edition, April 2011, DOI: 10.1073/pnas.1017963108
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Bill S. Hansson, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8,07745 Jena. Tel.: +49 (0)3641- 57 1400; hansson@ice.mpg.de
Bildanfragen: Downloads auf http://www.ice.mpg.de/ext/735.html oder bei
Angela Overmeyer, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8, 07745 Jena. Tel.: +49 (0)3641- 57 2110; overmeyer@ice.mpg.de
Weitere Links: Filmische Darstellung des Antennallobus sowie weitere Bilder können auf http://www.ice.mpg.de/ext/735.html abgerufen werden
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MPI für chemische Ökologie/Christopher König
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