Ein neuer Blickwinkel liefert oft neue Ergebnisse. Das macht sich Ulrich Kohlenbach, Professor am Fachbereich Mathematik der TU Darmstadt erfolgreich zu nutze. Er formuliert mathematische Beweise aus der Sicht des Logikers um und legt so neue, stärkere Aussagen frei. Für seine exzellente Arbeit ehren ihn die Kurt-Gödel-Gesellschaft und die John Templeton Foundation am Abend in Wien mit dem Kurt-Gödel-Forschungspreis. Mit einem Preisgeld von 100.000 Euro ist es der höchstdotierte Preis für Logik.
„Viele Beweise in der Mathematik verwenden komplizierte Prinzipien. Oft ist es unmöglich, effektive Schranken oder andere Daten direkt aus dem Beweis abzulesen“, sagt Professor Ulrich Kohlenbach vom Fachbereich Mathematik der TU Darmstadt. Um neue Informationen aus den Beweisen zu gewinnen, nutzt er Beweisinterpretationen. „Ich formuliere den Beweis so um, dass der endliche kombinatorische Kern freigelegt wird“, erläutert Kohlenbach. „Proof Mining“ heißt das Verfahren.
Beweise mit neuen und stärkeren Aussagen
Am Ende der Arbeit steht der Beweis einer neuen, stärkeren Aussage. Dieser Beweis ist auch ohne Kenntnis der angewandten logischen Methoden verständlich. Er kann daher in den einschlägigen Zeitschriften des jeweiligen Anwendungsgebiets veröffentlicht werden. Kohlenbach und seine Mitarbeiter haben schon zahlreiche Arbeiten in mathematischen Zeitschriften wie „Nonlinear Analysis“ oder „Ergodic Theory and Dynamical Systems“ veröffentlicht, die normalerweise keine Ergebnisse der Logik drucken.
Kohlenbachs Forschung zielt auf Anwendungen der Logik innerhalb der Mathematik. „Es geht mir um Erkenntnisgewinn bezüglich grundlagentheoretischer Fragen wie der Anwendbarkeit infinitärer mengentheoretischer Prinzipien zum Beweis finiter kombinatorischer Aussagen“, sagt er. Die Logik spielt auch in der Informatik eine große Rolle, etwa in der künstlichen Intelligenz, bei automatischen Beweisen oder in der Semantik funktionaler Programmiersprachen. So wurden schon Beweisinterpretationen implementiert, um Software automatisch zu verifizieren.
Auf den Spuren Kurt Gödels
Die beweistheoretischen Methoden, die Kohlenbach verwendet, haben ihren Ursprung in der Funktionalinterpretation, die der Mathematiker Kurt Gödel 1958 formuliert hat. Georg Kreisel, Gödels Kollege, hatte schon damals die Idee, beweistheoretische Techniken innerhalb der Mathematik anzuwenden. Aus dieser Idee entwickelte Kohlenbach ab 1990 das systematische Forschungsprogramm Proof Mining.
Kohlenbach hat das Prinzip auf viele Bereiche der Mathematik ausgedehnt. So lieferten seine Methoden neue Resultate in nichtlinearer Analysis, Fixpunkttheorie und Approximationstheorie. Ferner gelang es, mit Proof Mining allgemeine logische Meta-Theoreme zu beweisen. Diese Theoreme garantieren zum Beispiel, dass sich für große Klassen von Beweisen a priori explizite Schranken ableiten lassen. Für seine herausragende Arbeit wird Kohlenbach am Abend in Wien mit dem Forschungspreis der österreichischen Kurt-Gödel-Gesellschaft geehrt. Die US-amerikanische John Templeton Foundation stattet den Preis mit 100.000 Euro Preisgeld aus.
Die Kurt Gödel Gesellschaft wurde 1987 gegründet. Die internationale Gesellschaft hat ihren Sitz in Wien. Sie fördert die Forschung zur Geschichte der Mathematik, die im Zusammenhang mit der Biografie von Kurt Gödels steht, sowie die Forschung in allen Bereichen, in denen Gödel Beiträge leistete, insbesondere in der Mathematik, Physik, Theologie und Philosophie. Der Mathematiker Kurt Gödel wäre heute 105 Jahre alt geworden.
MI-Nr. 31/2011, nvo
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