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07.05.1996 00:00

Bestrafung von Fahrlässigkeit

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Bochum, 07.05.1996 Nr. 85

    Von erlaubtem und unerlaubtem Risiko

    Wann muss Fahrlaessigkeit bestraft werden?

    Prof. Schluechters' Antrittsvorlesung Strafrecht in Europa

    Die Grenze zur Fahrlaessigkeitsstrafbarkeit ist erst als ueberschritten anzusehen, wenn der Taeter den Bereich des noch Erlaubten (das sogenannte "erlaubte Risiko") offensichtlich und ruecksichtslos ueberschritten hat. Dafuer muessen Richter und potentielle Taeter sicher sein, wo im Rechtsstaat die Grenzen der Strafbarkeit bei Fahrlaessigkeit verlaufen. Eine verfassungskonforme Antwort dazu hat Prof. Dr. Ellen Schluechter (Lehrstuhl fuer Strafrecht und Strafprozessrecht, Juristische Fakultaet der RUB) im Projekt "Strafrecht in Europa" rechtsvergleichend abgesichert - nicht zuletzt, um das Strafrecht gezielt zu entkriminalisieren - entsprechend dem Wahlspruch der Forscherin: "Mehr Qualitaet des Strafrechts durch weniger Quantitaet!" In ihrer Antrittsvorlesung "Grenzen strafbarer Fahrlaessigkeit.

    Aspekte zu einem 'Strafrecht in Europa'" (Donnerstag, 9. Mai 1996, 12.15 Uhr, Hoersaal HGC 30) erlaeutert Prof. Schluechter ihre Ergebnisse.

    Die Medien und die OEffentlichkeit sind herzlich willkommen.

    Von Unglueck zu Unrecht

    In der postmodernen "Risikogesellschaft" realisieren sich in eher zunehmender Zahl Schaeden von erschreckender, ja teils kaum noch ueberschaubarer Dimension. Erinnert sei nur an die Brandkatastrophe auf dem Duesseldorfer Flughafen oder an die europaweit gefuerchtete Krankheit "BSE". Auf der Suche nach Verantwortlichen wird dann leicht Unglueck in Unrecht umgedeutet.

    1/3 aller Delikte ,fahrlaessig"

    Zu befuerchten ist dies vor allem im Bereich der Fahrlaessigkeitsdelikte, die immerhin ein Drittel aller abgeurteilten Straftaten ausmachen. Um so wichtiger erscheint es, den fahrlaessigen vom straflosen Bereich zuverlaessig abzugrenzen. Dies ist aber zur Zeit nicht hinreichend gewaehrleistet. Kennzeichnen sich doch viele Bereiche unseres Lebens als riskant. Man denke etwa an den oeffentlichen Verkehr auf der Strasse, der Schiene oder in der Luft. Risiken sind hier mit dem Betrieb notwendig verbunden. Man hat also nur die Wahl, die Risiken zu vermeiden und den Betrieb aufzugeben oder ihn mit den Risiken aufrecht zu erhalten. Soweit dies der Fall ist, wird vom erlaubten Risiko gesprochen. Entstehen hieraus Schaeden, bleibt der Verursacher unbestraft.

    Erlaubtes Risiko nur teilweise gesetzlich festgelegt

    Erst wenn dieses erlaubte Risiko vom Verursacher ueberschritten wird, setzt die Fahrlaessigkeitsstrafbarkeit ein. Wo aber genau die Grenze zwischen dem erlaubten und dem nicht mehr erlaubten Risiko verlaeuft, ist nur teilweise gesetzlich festgeschrieben (z.B. in der Strassenverkehrsordnung oder in der Strassenverkehrszulassungsordnung). Soweit dies nicht der Fall ist, herrscht eine rechtsstaatlich unertraegliche Unsicherheit. Auch ist bisher zu wenig gewaehrleistet, dass nur der schuldige Fahrlaessigkeitstaeter verurteilt wird.

    Verfassungskonforme Interpretation

    Sowohl die Richter als auch potentielle Taeter muessen aber sicher sein, wo die Strafbarkeitsgrenze verlaeuft, soll nicht das Bestimmtheitsgebot aus Artikel 103 Abs. 2 GG verletzt werden. Auch zeigt die in Artikel 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwuerde sowie das Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 S. 1 GG), dass nur schuldige Taeter bestraft werden duerfen. Um dies sicherzustellen, bedarf es einer verfassungskonformen Auslegung der Fahrlaessigkeitstatbestaende. Danach ist die Grenze zur Fahrlaessigkeitsstrafbarkeit erst als ueberschritten anzusehen, wenn der Taeter den Bereich des noch Erlaubten (das sogenannte "erlaubte Risiko") offensichtlich und ruecksichtslos ueberschritten hat.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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