Islamwissenschaftler der Universität Jena an neuem Sonderforschungsbereich beteiligt
Illustriert, farbenfroh, aufwendig gestaltet – so sind die prächtigen Handschriften vergangener Jahrhunderte im Gedächtnis präsent. Doch gilt das für die Manuskripte aller Kulturen an jedem Ort?
Mit der Vielfalt der Manuskriptkulturen in historischer und vergleichender Perspektive beschäftigt sich ein neuer Sonderforschungsbereich (SFB), den die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) vor kurzem bewilligt hat. Im Juli wird der SFB 950 „Manuskriptkulturen in Asien, Afrika und Europa“ unter der Federführung der Uni Hamburg starten. Beteiligt sind auch Islamwissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die in den ersten vier Jahren mit rund 300.000 Euro gefördert werden.
Der Jenaer Islamwissenschaftler Prof. Dr. Tilman Seidensticker wird gemeinsam mit zwei Doktoranden „Formen und Funktionen des Layout in arabischen Manuskripten anhand von Abschriften religiöser Texte“ erforschen. Die formale Gestaltung von (Ab-)Schriften hat neben der ästhetischen Seite, die der Aufwertung von Manuskripten dienen kann, auch kognitive Funktionen, ist Prof. Seidensticker überzeugt.
„Der SFB setzt keine These voraus, sondern geht von den Manuskripten aus“, freut sich der Jenaer Islamwissenschaftler über den offenen Ansatz. In den kommenden vier Jahren will er zusammen mit Frederike-Wiebke Daub und einer weiteren Kraft, die derzeit gesucht wird, der Frage nachgehen: Ist das Layout an den Text oder eher an Zeit und Ort gebunden?
Die Jenaer Forscher nutzen dazu bewusst nicht Pracht-Handschriften, sondern wenden sich Gebrauchsabschriften zu. Sechs religiöse Texte aus dem 7. bis 16. Jahrhundert, „die sich durch Vielgestaltigkeit einerseits, Standardisierung andererseits auszeichnen“, wie Doktorandin Daub erläutert, und jeweils bis zu zwei Dutzend Abschriften werden analysiert. Dabei reichen die jüngsten Kopien bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts, da erst damals der Buchdruck das Medium des Manuskripts in der arabischen Welt endgültig abgelöst hat. Wobei das Gebiet für das Jenaer Team enorm groß ist, nämlich von Anatolien bis in die Sub-Sahara und von Indien bis Marokko reicht.
Neun Layout-Merkmale wollen die Islamwissenschaftler untersuchen, um am Ende die Funktion des Layouts für die Alltagsabschriften zu kennzeichnen. Dabei gilt es nicht nur, etwas über die Kopisten und die Intentionen der Auftraggeber zu erfahren. Vor den SFB-Forschern liegt auch die große Aufgabe, eine einheitliche Terminologie zu schaffen. Denn eine Spalte in westlichen Manuskripten oder Büchern evoziert beispielsweise andere Beschaffenheiten als ein solcher Block in einer arabischen Schrift, erläutert Prof. Seidensticker und weist auf eine arabische Handschrift mit zwei „Spalten“, deren Zeilen aber über beide „Spalten“ hinweg gelesen werden. „Hier wird uns der enge Kontakt mit den Kollegen helfen, eine allgemeingültige, standardisierte Terminologie zu schaffen“, erwartet Prof. Seidensticker. Dann kann gelingen, was der SFB spätestens am Ende seiner möglichen 12-jährigen Laufzeit schaffen will: Die Etablierung einer allgemeinen Manuskriptwissenschaft als fächerübergreifende Forschung sowie die Entwicklung nachhaltig nutzbarer Werkzeuge und Methoden.
Kontakt:
Prof. Dr. Tilman Seidensticker
Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients der Universität Jena
Löbdergraben 24 a
07743 Jena
Tel.: 03641 / 944865
E-Mail: Tilman.Seidensticker[at]uni-jena.de
Blick in eine arabische Handschrift mit Lehrgedichten zur Koranrezitation.
Foto: Jan-Peter Kasper
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Der Islamwissenschaftler und Leiter des Jenaer Projektteils Prof. Dr. Tilman Seidensticker.
Foto: Jan-Peter Kasper
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Sprache / Literatur
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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