In der musikwissenschaftlichen Forschung ist das Fagott bisher nur wenig gewürdigt worden. Diese Lücke zu schließen war Ziel von PD Dr. Sebastian Werr und seines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft am Institut für Musikwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München geförderten Forschungsprojektes „Von klanglicher Vielfalt zu Uniformität. Entwicklung und Standardisierung der Holzblasinstrumente seit 1800 am Beispiel des Fagotts“. Die Ergebnisse des Projektes wurden jetzt in der Monografie „Geschichte des Fagotts“ veröffentlicht.
Dabei geht der erste Teil der Monografie vor allem auf Entstehung, Weiterentwicklung und technische Besonderheiten ein; im zweiten, dem Katalogteil, werden die Instrumente der einzelnen Hersteller und ihre Besonderheiten vorgestellt.
„Das Buch richtet sich in erster Linie an Fagottisten“, sagt Sebastian Werr. „Bei der Forschung an dem Projekt ging es mir daher sehr um Verbindung von Wissenschaft und Praxis.“ Das Interesse sei groß, weil „zunehmend auf historischen Instrumenten gespielt wird und das Bedürfnis, deren Entwicklungsgeschichte kennenzulernen, gestiegen ist“.
Ein Schwerpunkt der Monografie ist die Entstehung und Weiterentwicklung vor allem des deutschen und französischen Fagotts in der Zeit vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg. Natürlich geht die Entstehung des mehrteiligen Fagotts – zu deutsch „Bündel“ – aus dem einteiligen Dulzian bereits auf die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück; allerdings wurden in dem von Werr beleuchteten Zeitraum sehr viele Veränderungen und Optimierungen an dem Doppelblattrohr-Instrument vorgenommen.
Richtungsweisend waren im frühen 19. Jahrhundert die Fagotte von Heinrich Grenser aus Dresden und Jean Nicolas Savary aus Paris: Viele Hersteller kopierten deren Instrumente oder nahmen sie zumindest als Anregung für ihre eigenen. Maßstabsetzend wurden dann die 1880 entwickelten Instrumente aus der Wiesbadener Werkstatt von Wilhelm Heckel, die heute als „Deutsches System“ bezeichnet werden, an dem sich auch die Produkte der Hersteller in anderen Teilen der Welt orientieren. Dabei ist die Zahl der Hersteller heute eher begrenzt, wobei im Bereich der hochwertigen Instrumente nach wie vor deutsche Firmen dominieren. Allerdings könne man, so Sebastian Werr, nicht von einem völligen Stillstand im Bau der Instrumente sprechen, denn der Vergleich der äußerlich sehr ähnlichen Fagotte könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Klangvorstellungen in den letzten hundert Jahren und demzufolge die Ansprüche an die Instrumente erheblich verändert hätten. „Besonders in den letzten Jahrzehnten wurde eine Vielzahl von Detailveränderungen vorgenommen wie etwa das Hinzufügen weiterer Klappen und Rollen, die Verlagerung der Tonlochpositionen sowie eine Verstärkung der Wandung des Instruments“, berichtet Werr.
Warum die Entwicklung des Fagotts bis heute zwar kontinuierlich, aber immer nur mit leichten Änderungen vonstattenging, erklärt Werr damit, dass auch die moderne Akustik den über Jahrhunderte erworbenen Erfahrungsschatz der Instrumentenbauer nur ergänzen, aber nicht ersetzen könne.
Aktuell führt Sebastian Werr seine Studien unter dem Titel „Le Basson Savary“ an der Hochschule der Künste in Bern fort – zusammen mit dem australischen Fagottisten Lyndon Watts. Im Fokus dieses international ausgerichteten Projekts stehen hier Studien an Originalinstrumenten, ihr Nachbau für die historisch informierte Aufführungspraxis, die Umsetzung im Konzert und schließlich die Entwicklung eines Lehrwerks.
Publikation:
Geschichte des Fagotts
Autor: Sebastian Werr
Wißner-Verlag, Augsburg 2011,
ISBN 978-3-89639-774-4
Ansprechpartner:
PD Dr. Sebastian Werr
E-Mail: sebastian.werr@lrz.uni-muenchen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Musik / Theater
überregional
Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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