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11.07.2011 16:00

Imre Kertész Kolleg Jena eröffnet

Dorothea Warneck Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Festvortrag von Solidarność-Mitbegründer Adam Michnik und hochkarätige Fachtagung an der Universität Jena

    Unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit wurde am Freitagabend (8.7.2011) mit einem Festvortrag von Adam Michnik, dem Mitbegründer der Solidarność, das Imre Kertész Kolleg Jena festlich eröffnet. Die Fachtagung am Samstag (9.7.2011) zu geschichtskulturellen Herausforderungen des 20. Jahrhunderts für die Gegenwart im östlichen Europa eröffnete eine Diskussion mit dem tschechischen Oscar-Preisträger Jiří Menzel über sein filmisches Œuvre.

    300 Personen, darunter der Botschafter der Republik Polen, Dr. Marek Prawda, der thüringische Staatssekretär Prof. Dr. Thomas Deufel und der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter, hörten am Freitagabend in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität Jena den bewegenden Vortrag Adam Michniks über das Erbe der Diktaturen. Der frühere intellektuelle Vordenker der Solidarność-Bewegung und heutige Chefherausgeber der liberalen polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza, hat in den 1970er und 80er Jahren in Polen selbst die Repressionen einer Diktatur erlebt. Zur Eröffnung des Jenaer Kollegs für Zeitgeschichte des östlichen Europas, sprach er über Erinnerung und Aufarbeitung der Diktaturerfahrungen im östlichen Europa, das identitätsstiftende Potential dieser Erinnerungen und deren Gefahren: Opfermythen, Polarisierungen und Populismus. Ein einfaches gut-böse-Denken sei ein antidemokratisches Denken, so Michnik. Er selbst sähe sich beispielsweise als "antisowjetischen Russophilen". Eindringlich forderte Michnik dazu auf, darüber nachzudenken, "inwieweit bestimmte Formen der Erinnerung für uns gefährlich werden können." Das Imre Kertész Kolleg Jena bezeichnete Adam Michnik als "Schule, in der Menschen lernen, gegen den Strom zu schwimmen".

    Der Direktor des Imre Kertész Kollegs Jena, Prof. Dr. Joachim von Puttkamer, dankte in seiner Begrüßung dem Nobelpreisträgers Imre Kertész dafür, dass sich das Kolleg "mit seiner Arbeit und seinen Anliegen auf ihn berufen darf." Kertész beschreibe in seinem literarischen Werk seine Deportation und seine Konzentrationslagererfahrung als sinnloses Stück, in dem er sein Schicksal nicht hätte erkennen können. Eine Opfererfahrung, die sich erst in der Rückschau erschließen ließe. Joachim von Puttkamer leitete daraus programmatisch für das Kolleg ab, Geschichtsbewusstsein müsse im kertészschen Sinne als "Schicksallosigkeit" verstanden werden und allem Geschehen der Gegenwart offen gegenüber sein. "Nicht Helden- oder Opfererzählungen klären auf und tragen zum Verständnis bei, sondern der forschende und kritische Vergleich", so von Puttkamer.

    Die Tagung am Samstag (9.7.) begann mit einem außergewöhnlichen Diskussionsformat zwischen dem tschechischen Regisseur und Oscar-Preisträger Jiří Menzel und dem Filmwissenschaftler Jan Čulík über den tschechischen Film als Medium der Annäherung und Auseinandersetzung mit den historischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts. Wie stark seine Filme durch die literarischen Vorlagen Bohumil Hrabals beeinflusst sind, wurde Menzel dabei nicht müde zu betonen. Eindrucksvoll dokumentierten Filmsequenzen aus seinem Werk, mit wie viel Ironie und Doppeldeutigkeit die Geschichte des kleinen Mannes und der kleinen Frau im Getriebe der Weltgeschichte erzählt werden kann.

    Als Referenten sprachen und diskutierten der Leipziger Historiker und derzeitige Fellow am Kolleg Stefan Troebst, der Direktor des Danziger Museums des Zweiten Weltkriegs, Paweł Machcewicz und die Direktorin des Brüsseler Hauses der Geschichte Taja Vovk van Gaal über Europäische Grundlagen und Praktische Erfahrungen mit den historischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts. Ebenso wie der kroatische Historiker Milan Ristovic, die russische Bürgerrechtlerin Irina Scherbakova und die amerikanische Historikerin Maria Todorova. Todorova unterstrich in ihrem Vortrag Nostalgia - the reverse side of Balkanism?, dass die Hinterlassenschaften des Kommunismus etwas vollkommen anderes seien, als der Kommunismus selbst und verwahrte sich gleichzeitig dagegen, Kommunismus- und Jugonostalgie als bloße Sentimentalität zu verharmlosen.

    Die beiden Direktoren des Kollegs, Włodzimierz Borodziej und Joachim von Puttkamer nahmen in ihren Vorträgen das östliche Europa aus deutscher und russischer Perspektive während des 20. Jahrhunderts in den Blick und unterstrichen dabei eindrücklich die enge und multidimensionale Verflechtung der Region mit seinen östlichen und westlichen Nachbarn.

    Das Imre Kertész Kolleg Jena wurde im Oktober 2010 als neuntes Käte Hamburger Kolleg im Rahmen der BMBF-Förderinitiative "Freiraum für die Geisteswissenschaften" gegründet. Herausragende Wissenschaftler aus dem In- und Ausland finden am Kolleg ideale Bedingungen in einem interdisziplinären Umfeld für ihre Forschung und den wissenschaftlichen Austausch.

    Kontakt:
    Dorothea Warneck
    Imre Kertész Kolleg Jena an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Leutragaben 1
    07743 Jena
    Tel.: 03641 / 944074
    E-Mail: dorothea.warneck[at]uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.imre-kertesz-kolleg.uni-jena.de


    Bilder

    Adam Michnik während seines Festvortrages in der Aula der Universität Jena.
    Adam Michnik während seines Festvortrages in der Aula der Universität Jena.
    Foto: Louisa Reichstetter
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Geschichte / Archäologie, Politik
    regional
    Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Adam Michnik während seines Festvortrages in der Aula der Universität Jena.


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