Wissenschaftler haben den Ursprung einer Klasse von kleinen Ribonukleinsäuren (sRNA für „small RNA“) geklärt. Diese Entdeckung kann zu einem besseren Verständnis der gesamten menschlichen Genaktivität beitragen. So könnten die Wissenschaftler in Zukunft gezielt Gene regulieren und steuern, die an der Entstehung bestimmter Krankheiten beteiligt sind.
Vor kurzem war es noch so einfach: Jahrzehntelang betrachtete man die Ribonukleinsäure (RNA) als ein Molekül, dessen Rolle im Wesentlichen darin zu bestehen schien, als „Bote“ die genetische Information von der DNA im Zellkern in die äußeren Bereiche der Zelle zu transportieren. Dort kann die genetische Information dann als Vorlage für die Produktion von Proteinen dienen. In Form der sogenannten mRNA (für „messenger RNA“) fungiert die RNA dabei als Informationsträger für die Synthese von Proteinen in der Zelle. Für ihre eigene Produktion – die Transkription – ist die mRNA wiederum auf die „molekulare Maschine“ RNA Polymerase II (RNAPII) angewiesen.
Technische Fortschritte haben in den letzten Jahren aber einen tieferen Einblick in die molekularen Prozesse in den Zellen ermöglicht. Dabei wurden neben der mRNA auch weitere RNA-Klassen identifiziert. Allerdings konnten der Ursprung und die Funktion nicht vollständig geklärt werden. Ein internationales Forscherteam, an dem neben Prof. Dr. Gunter Meister und Anne Dueck vom Institut für Biochemie, Genetik und Mikrobiologie der Universität Regensburg auch Wissenschaftler aus Aarhus, Kopenhagen und Martinsried bei München beteiligt waren, konnte nun den Ursprung einer großen Klasse von sRNA-Molekülen klären.
Die sRNA besteht lediglich aus bis zu 25 Nukleotiden, den Grundbausteinen der Nukleinsäuren DNA und RNA, während beispielsweise mRNA eine Länge von mehreren Tausend Nukleotiden aufweisen kann. Im Gegensatz zu „klassischer“ RNA dienen die sRNA-Moleküle nicht direkt zur Herstellung von Proteinen, sondern greifen regulierend in die vielfältigen Prozesse ein, die auf dem Weg von der nackten genetischen Information zum fertigen Protein ablaufen. Obwohl klein und unscheinbar, sind sie also durchaus „big player“ im Netzwerk der genetischen Regulation.
Im Rahmen ihrer Untersuchungen konnten die Forscher die „Ursprungsorte“ der sRNA identifizieren. Dabei konnten sie zeigen, dass die extrem kurze sRNA ein Produkt des Abbaus der mRNA durch zelluläre Enzyme sein kann. Wenn mRNA produziert wird, passiert der vordere Teil des mRNA-Moleküls einen Tunnel, der durch die RNA Polymerase II (RNAPII) gebildet wird. Die maximale Länge von sRNA-Molekülen entspricht erstaunlicherweise genau der Länge dieses Tunnels. So entstehen die sRNA-Moleküle scheinbar genau dann, wenn die Produktion bzw. Transkription der mRNA abgebrochen wird und das unvollendete mRNA-Molekül vom zellulären Enzym Dicer aufgespalten wird, während das eine sRNA-Molekül im geschützten Tunnel verbleibt. Die Wissenschaftler konnten zudem weitere sRNAs beobachten, die als Beiprodukt oder Überbleibsel eines Prozesses entstehen, den man in der Forschung „splicing“ nennt. Auch dieser Prozess ist von herausragender Bedeutung für die Produktion der wichtigen mRNA.
Es ist bekannt, dass die Produktion bzw. der Transkriptionsprozess von mRNA sehr anfällig für Fehlfunktionen oder Defekte ist. Die Forscher konnten in diesem Zusammenhang zeigen, dass eine Vielzahl von mRNA-Molekülen unvollendet bleibt und diese daraufhin rasch „ausrangiert“ werden. Allerdings besteht das Resultat solcher unvollendeten Transkriptionsprozesse von mRNA nicht aus „genetischem Müll“, sondern aus sRNA-Molekülen, die ihrerseits wiederum wichtige Funktionen im Rahmen der Genregulation übernehmen; frei nach dem Motto: „Doppelt genäht hält besser“.
Die Forscher wollen ihre Beobachtungen nun ausweiten. Dabei werden weitere Genomuntersuchungen sowie die Analyse ausgewählter Gene im Vordergrund stehen. Dadurch soll geklärt werden, wie die RNA Polymerase II (RNAPII) während der Frühphase der mRNA-Transkription kontrolliert wird. Darauf aufbauend könnten künftig auch gezielt Gene reguliert und gesteuert werden, die an der Entstehung bestimmter Krankheiten beteiligt sind.
Die Ergebnisse der Forscher sind vor kurzem in der weltweit bekannten Fachzeitschrift „Nature Structural and Molecular Biology“ veröffentlicht worden (DOI: 10.1038/nsmb.2091).
Ansprechpartner für Medienvertreter:
Prof. Dr. Gunter Meister
Universität Regensburg
Institut für Biochemie, Genetik und Mikrobiologie
Tel.: 0941 943-2847
Gunter.Meister@vkl.uni-regensburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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