"Gläserne Decke": Frauen erreichen selten die Spitze in der Forschung
Männliche Arbeitskultur und informelle Strukturen als Ursachen
Berlin (wbs) An Forschungseinrichtungen gibt es unterschiedliche Strukturen und Leitbilder - und dennoch wiederholt sich ein und dasselbe Muster: Frauen sind weiterhin ausgeschlossen von Spitzenpositionen. Eine männliche Arbeitskultur und informelle Machtstrukturen sieht eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) als wichtige Ursachen.
Die Forscherinnen des WZB gingen in ihrer Studie den Ursachen eines bekannten Phänomens nach: Frauen sind nach wie vor in den Führungspositionen der Wissenschaft kaum vertreten. So ist in Deutschland der Frauenanteil der Professoren immer noch bei 9,8 Prozent. In den außeruniversitären Forschungseinrichtungen gibt es sogar nur 5,1 Prozent Frauen mit Spitzenjobs.
Deshalb rückten die WZB-Wissenschaftlerinnen Forschungseinrichtungen der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz unterschiedlicher Disziplinen in den Blickpunkt. In drei Fallstudien führten sie Experteninterviews mit Mitarbeitern und Leitungspersonal. Auffällig ist die große Übereinstimmung zwischen den Geschlechtern, was die beruflichen Ziele und das berufliche Selbstverständnis betrifft.
Von Institut zu Institut unterschiedlich sind jedoch die Deutungsmuster, mit denen die Geschlechterasymmetrien in der Forschung erklärt werden. So herrscht in einem Institut die Wahrnehmung vor, das Geschlecht spiele bei der Karriere keine Rolle. In einem anderen Institut ist die Meinung führend, die Reproduktionsfähigkeit der Frau sei das "Kardinalproblem". Ein dritte Begründung lautet, Männer und Frauen hätten unterschiedliche Einstellungen zu Karriere und Lebensplanung.
Die Forscherinnen halten als zentrales Ergebnis fest: Obwohl sich die Deutungsmuster von Geschlecht wandeln und sehr unterschiedlich ausfallen, ändert sich die Situation für Frauen kaum. In jedem Institut herrscht eine andere Organisationskultur, die Art der Zusammenarbeit, das Selbstverständnis sind sehr unterschiedlich. Doch eins ist überall gleich: Die 'gläserne Decke' konnte bislang von den Frauen nicht aufgebrochen werden, sie sind in Führungspositionen immer noch selten an zu treffen.
"Führung in der Forschung" ist weiterhin eine "geschlossene Veranstaltung". Die Asymmetrie zwischen den Karriereverläufen hält sich hartnäckig, und Männer sind weiterhin erfolgreicher in der Wissenschaft. Zwei Ursachen machen die Forscherinnen aus: die "männliche Arbeitskultur" und die Informalität. Diese "männliche Arbeitskultur" kenne nur berufliche Verpflichtungen und verlange eine stete Verfügbarkeit für die Wissenschaft. Hildegard Matthies vom WZB: "Es ist wie ein Rennen, bei dem nur siegen kann, wer immer dabei ist."
Die Kultur benachteilige alle, die sich den Spielregeln nicht unterwerfen können oder wollen, die noch andere Bindungen pflegten wie Familie oder Freunde. Außerdem werde Frauen unabhängig von ihrer tatsächlichen Lebenssituation die familiäre Pflicht zugeschrieben.
Als weitere Barriere macht die Studie die "informellen" Strukturen der Ressourcenverteilung und persönlichen Förderung aus. Matthies: "Wer eingebunden ist in die inoffiziellen Netze, macht leichter Karriere". Der Zugang zu diesen informellen Kreisen und Informationswegen gestalte sich für Frauen schwerer als für Männer. Faire Spielregeln existieren jedenfalls nicht.
Für eine moderne Gleichstellungspolitik lassen sich aus der Studie zwei Anforderungen formulieren: Erstens, mehr individuellen Spielraum bei der Gestaltung von Arbeits- und Karrierebedingungen; zweitens, eindeutigere Regeln für die Karriereplanung. Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen müsste allerdings kontinuierlich überprüft werden.
Bei Rückfragen: Ingrid Hüchtker, Pressereferat, Telefon 030/25491-510,
huechtker@wz-berlin.de
Hildegard Matthies, Ellen Kuhlmann, Maria Oppen, Dagmar Simon, Karrieren und Barrieren im Wissenschaftsbetrieb, Geschlechterdifferente Teilhabechancen in außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Berlin: edition sigma 2001, 233 S.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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