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30.01.2002 11:33

Marktprozesse erleben !

Jochen Brinkmann Kontaktstelle Schule - Universität
Technische Universität Clausthal

    Die ökonomische Forschung hat in den letzten fünfzehn Jahren zunehmend ökonomische Spiele, Laborexperimente, konstruiert, die Vorgänge des wirtschaftlichen Lebens nachbilden. Der Ausgang eines Spieles über eine bestimmte Anzahl von Runden kann dann zur Überprüfung einer Theorie eingesetzt werden. Der Einsatz von Experimenten in der Lehre bildet jedoch auch heute noch die seltene Ausnahme.

    Wirtschaftsmathematiker, Wirtschaftsinformatiker und Wirtschaftingenieure, sie alle hören an der TU Clausthal Volkswirtschaftslehre bei Professor Dr. Mathias Erlei.

    Mathematiker prüfen ihre Aussagen durch Beweise, Informatiker können die Effizienz einer Software in der Ausnutzung der Rechnerleistung anhand der Schnelligkeit mit der eine bestimmte Aufgabe gelöst wird, bestimmen, und der Ingenieur prüft u.a. an einem Prüfstand, ob die bei der Auslegung eines Bauteils berechnete Lebensdauer realistisch ist.

    Die Volkswirtschaftslehre, obwohl in der mathematischen Modellierung ökonomischer Vorgänge "glasklar", teilt mit den Geisteswissenschaften das "Leid", dass sie zwar aus Beobachtung plausible Annahmen, wie eine Volkswirtschaft "funktioniert", treffen und diese sodann in mathematische Formeln übersetzen, sie jedoch nicht, wie in den Natur- und Ingenieurwissenschaften möglich, durch Feldexperimente überprüfen kann. 80 Millionen Deutsche können keine "Versuchskaninchen" oder Bauteile, "gequält" in Prüfständen, sein.

    Die ökonomische Forschung hat aber einen Ausweg aus diesem Dilemma gefunden und in den letzten fünfzehn Jahren zunehmend ökonomische Spiele, Laborexperimente, konstruiert, die Vorgänge des wirtschaftlichen Lebens nachbilden. Der Ausgang eines Spieles über eine bestimmte Anzahl von Runden kann dann zur Überprüfung einer Theorie eingesetzt werden. Der einzige deutsche Wirtschafts-Nobelpreisträger, Reinhard Selten von der Universität Bonn, ist einer der Pioniere auf diesem Gebiet. Der Einsatz von Experimenten in der Lehre bildet jedoch auch heute noch die seltene Ausnahme.

    Mit der "Doppelten Auktion" und der "dezentralen Verhandlung" erprobten nun Clausthaler Studenten die Regeln von Angebot und Nachfrage. Bei der "doppelten Auktion" wird einer Gruppe von Verkäufern eines bestimmten Gutes, welches sie, entsprechend ihrer individuellen Kostenstruktur zu einem Preis oberhalb von X verkaufen können, eine Gruppe von Käufern gegenübergestellt, die ebenfalls über einen je individuellen Nutzen Y verfügen. Der Verkäufer möchte einen Preis erzielen, der möglichst hoch über seinen Kosten liegt, der Käufer strebt einen möglichst niedrigen Preis an, maximal bis knapp unter den in Geldeinheiten ausgedrückten Nutzenwert. In jeder Spielrunde rufen Anbieter und Käufer wie an einer Börse jeweils ihre Angebote aus, bis eines davon von einem der Marktteilnehmer angenommen wird.

    Und die Auswertung des Spiels zeigt, daß schon nach zwei Runden Angebot und Nachfrage sich beim Gleichgewichtspreis einpendeln. Unbewußt agierten die Teilnehmer wie die Werte einer Angebots- und Nachfragekurve, bei welcher der Gleichgewichtspreis den Schnittpunkt bildet, und realisieren alle möglichen Handelsgewinne, ganz wie es die ökonomische Theorie voraussagt.

    Beim Spiel der "dezentralen Verhandlungen" werden die Angebote nicht laut ausgerufen, sondern "still" in bilateralen Verhandlungen vorgeschlagen. Dabei trat eine systematische Veränderung auf: Da jeder nur das Kauf- oder Verkaufsangebot seines Gegenübers kennt und es vom Kommunikationsgeschick des Einzelnen abhängt, wie "hart" er oder sie verhandelt, und mit wie vielen er in ein Verkaufsgespräch eintritt, können kommen vermehrt Vertragsabschlüsse zustande, die deutlich oberhalb oder unterhalb des Gleichgewichtspreises liegen, sofern zufällig die "richtig-falsche" Paarung eines Verkäufers und eines Käufers aufeinandertreffen.

    Die Gesamtrente, zusammengesetzt aus Produzenten- und Konsumentenrente, blieb in allen Spielrunden deutlich unter der der "doppelten Auktion" mit öffentlich ausgerufenen Geboten, sprich der bessere Informationsstand über Angebot und Nachfrage senkt im Schnitt die Streuung der Handelspreise. Auch eine leichte Überproduktion ist bei dieser Marktordnung der Fall, weil per Zufall auch Käufer zum Zuge kommen können, deren Nutzenerwartung unterhalb des Gleichgewichtspreises liegt. "Eine Überproduktion ist aber ein gesellschaftlicher Schaden, weil damit die Alternative der Herstellung eines Produkts mit Nettonutzen verhindert wurde", erläutert Professor Erlei.

    Im Detail wurde jede Verkaufsrunde analysiert und den Abweichungen von den theoretischen Modellvorhersagen auf den Grund gegangen. Die Studierenden erlernen dabei die Bedeutung der teilweise sehr abstrakten Theorie und erkennen gleichzeitig deren Grenzen.

    So durchschaut die Volkswirtschaftslehre mit Hilfe des Spiels, der Fiktion, die Realität.

    Weitere Informationen:
    Prof. Dr. Mathias Erlei
    Institut für Wirtschaftswissenschaften
    Abteilung für
    Volkswirtschaftslehre
    Julius-Albert-Straße 2
    38 678 Clausthal-Zellerfeld
    Tel.: +49 5323 72 76 35
    Fax: +49 5323 72 76 98


    Weitere Informationen:

    http://www.wiwi.tu-clausthal.de/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Wirtschaft
    regional
    Studium und Lehre
    Deutsch


     

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