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30.05.1997 00:00

ACHEMA '97: Mikro-Reaktor aus Alufolien-Stapel

Dipl.-Ing. Mario Steinebach Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
Technische Universität Chemnitz

    Daumengrosses Labor hilft Chemikern beim Zaubern

    Chemnitzer Forscher entwickeln Mikro-Reaktor aus Alufolien-Stapel

    Einige Millionen Transistoren auf einem einzigen Chip von Daumennagelgroesse - was gestern noch als Wunder galt, ist heute Alltag und jedem Computerbesitzer vertraut. Aber nicht nur die Mikroelektronik, auch die Mikromechanik hat in den letzten Jahren gewaltige Fortschritte gemacht. Laengst gibt es Zahnraeder, Pumpen, Ventile, Waermetauscher, ja ganze Motoren und Turbinen, die nur Bruchteile eines Millimeters messen. Jetzt hat die Miniaturisierungswelle auch die Chemie erreicht: Prof. Dr. Dieter Hoenicke und Dr. Georg Wiessmeier von der Professur fuer Technische Chemie an der TU Chemnitz-Zwickau haben den weltweit ersten Mikrostruktur-Reaktor fuer heterogen katalysierte chemische Reaktionen entwickelt. Der nur pfenniggrosse Reaktor wurde vor kurzem auf der Ersten Internationalen Konferenz fuer Mi- roreaktionstechnik in Frankfurt dem Fachpublikum vorgestellt - und beeindruckte die dort versammelten Industrie- und Uni-Forscher aus 13 Laendern, darunter auch den USA. Auf der Chemiemesse ACHEMA vom 9. bis 14. Juni 1997 in Frankfurt wird er erstmals einer groe- sseren OEffentlichkeit gezeigt.

    Was ein Katalysator ist, weiss mittlerweile dank des Auto-Kat fast jeder: Ein Stoff, der eine chemische Reaktion beschleunigt, zum Beispiel den Abbau von Abgasen zu ungefaehrlichen Stoffen, aber auch etwa die Herstellung von Benzin oder Schwefelsaeure. Bisher waren solche Herstellungsverfahren - Fachwort: Synthesen - nur in grossem Massstab moeglich. Die Chem- nitzer Uni-Entwicklung macht es jetzt moeglich, Stoffe auch in winzigsten Mengen herzustellen. Sie eignet sich besonders fuer die heterogene Katalyse, bei der ein fluessiger oder gasfoermiger Stoff an der Grenzflaeche zu einem festen Katalysator umgesetzt wird. Der Reaktor besteht aus einer Vielzahl von Aluminiumfolien, in die mit Diamantwerkzeugen Riefen von etwa einem Zehntel bis einem Hundertstel Millimeter Tiefe eingeritzt sind. Diese Folien sind urspruenglich von Dr. Klaus Schubert am Forschungszentrum Karlsruhe als Mikrowaermeaustauscher entwickelt worden. Stapelt man eine Anzahl dieser Folien kreuzweise uebereinander, bilden sie zwei getrennte Kanalsysteme. Durch das eine stroemen die Stoffe, die miteinander reagieren sollen, durch das zweite eine Waermeleitfluessigkeit, die zur Kuehlung oder Heizung dient.

    Die Chemnitzer Idee bestand nun darin, die durch die Vertiefungen im Alu schon recht grosse Oberflaeche zusaetzlich mit Hilfe von elektrischem Strom zu "oxidieren", also quasi kuenstlich rosten zu lassen. Hierdurch vergroessert sich die Oberflaeche noch einmal um das tausend- bis zehntausendfache, wobei tausende winziger Poren mit einem Durchmesser von jeweils etwa ein bis drei Hunderttausendstel Millimetern entstehen. Der Durchmesser und auch die Laenge dieser Poren laesst sich uebrigens durch AEnderung der Oxidationsbedingungen sehr genau den jeweiligen Erfordernissen der beabsichtigten chemischen Reaktion anpassen. Als Faustregel dabei kann gelten: Je groesser die Oberflaeche, desto groesser die Stoffmenge, die sich chemisch umsetzen laesst. In diese regelmaessig geformten Poren wird nun der eigentliche Katalysator in feinverteilter Form gegeben. Die TU-Wissenschaftler benutzen dazu das Me- tall Palladium, doch lassen sich je nach der gewuenschten Reaktion auch andere Katalysatoren aufbringen.

    Die Vorteile der Neuentwicklung der Chemnitzer Uniforscher: Durch die vielen Mikrokanaele koennen die miteinander reagierenden Stoffe den Katalysator sehr leicht erreichen. Entspre- hend gering ist der Anteil von unerwuenschten Nebenprodukten, hoch dagegen die Ausbeute des gewuenschten Produkts. Auch die Waermeuebertragung, die bei vielen Reaktionen noetig ist, geht leichter vonstatten. Weil die Reaktoren so klein und kompakt sind (die Wissenschaftler sprechen deshalb auch von Mikro-Monolithreaktoren), halten sie hohe Druecke aus, was fuer viele Synthesen ebenfalls wichtig ist. Und nicht zuletzt: Gefaehrliche oder giftige Stoffe koennen am Ort ihrer Weiterverarbeitung hergestellt werden, Transport und Lagerung entfallen. Dennoch kann die Menge der synthetisierten Stoffe leicht erhoeht werden, indem einfach mehrere Reaktoren eingesetzt werden. Auch eine Kombination mit anderen Mikrobauteilen, etwa Pumpen, Mischern oder Analyseeinheiten, ist problemlos moeglich. Faszinierend auch die Moeglichkeit, eine chemische Reaktion lediglich soweit ablaufen zu lassen, dass nur ein ganz bestimmtes Zwischenprodukt gebildet wird. Solche Zwischenprodukte lassen sich sonst haeufig nur sehr schwierig oder nur in geringer Menge gewinnen.

    Aber auch die Nachteile sollen nicht verschwiegen werden. Da sind einmal die vergleichs- eise hohen Kosten der Mikro-Reaktoren, die jedoch bei einer Massenproduktion deutlich sinken duerften. Zudem darf die Reaktionstemperatur wegen des Schmelzpunktes von Alumi- ium nicht hoeher als 550 Grad Celsius liegen. Und die miteinander reagierenden Stoffe duerfen keine festen Teilchen enthalten, die die feinen Kanaele verstopfen koennten. "Aber das alles wird durch die Vorteile mehr als aufgewogen", ist Prof. Hoenicke ueberzeugt. Zudem arbeitet der Chemiker bereits an der naechsten Generation seiner Reaktoren: Die sollen dann aus dem sehr hoch schmelzenden Silizium bestehen.

    Natuerlich haben die Chemnitzer Uni-Forscher ihren Reaktor auch schon praktisch auspro- iert. Dazu suchten sie sich die Anlagerung von Wasserstoff an ganz bestimmte Stellen einer Verbindung mit Namen Cyclododecatrien aus, die dadurch in Cyclododecen umgewandelt wird, einen Ausgangsstoff fuer sogenannte polymere Verbindungen, wie etwa Nylon. Diese Anlagerung gilt gemeinhin als schwierig, doch mit dem Chemnitzer Verfahren klappte sie sofort und mit hoher Ausbeute.

    Wie hoch gerade die chemische Industrie die neue Entwicklung einschaetzt, sieht man auch an den Berufschancen der Chemnitzer Chemie-Absolventen: Waehrend es auf dem Arbeitsmarkt fuer promovierte Chemiker derzeit eher mau aussieht, wurde Mitentwickler Wiessmeier inzwischen von einem deutschen Chemieriesen abgeworben, ein weiterer Hoenicke-Mitarbeiter fand ebenfalls sofort einen der begehrten Plaetze in einem industriellen Forschungslabor. Und ein dritter wird im Juni auf der Achema in Frankfurt als einer von nur zwei Studenten in Deutschland mit einem angesehenen Preis fuer Technische Chemie ausgezeichnet.

    Weitere Informationen: Technische Universitaet Chemnitz-Zwickau, Professur fuer Technische Chemie, Strasse der Nationen 62, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Dieter Hoenicke, Tel. 03 71/5 31-15 10,Fax 03 71/5 31-18 37, e-mail: prof.hoenicke@chemie.tu-chemnitz.de oder auf der ACHEMA, Halle 1.2, Stand A17/B18 und B25 "Forschungsland Sachsen".

    Autor: Hubert J. Giess

    Hinweis fuer die Medien: Zu diesem Beitrag koennen Sie ein Foto eines Mikrostruktur-Reaktors im Groessenvergleich mit einem Ein-Pfennig-Stueck in der Pressestelle anfordern.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Maschinenbau, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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