23.7.1997
Designiertes Traumpaar
Grundsatzfragen einkristalliner Silizium-Germanium-Schichtbildung
Bei der Entwicklung neuer Bauelemente stossen die Mikroelektronik-Ingenieure immer haeufiger an die physikalischen Grenzen des Standardmaterials Silizium. Schichten von nur wenigen Atomlagen Dicke sind fuer manche Anwendungsbereiche bereits obligat, die winzigen Konfektionsgroessen der Mikrochips erfordern immer aufwendigere Herstellungsverfahren, Verbesserungen werden zunehmend teurer.
Nachdem die Industrie inzwischen aber bereits Milliardenbetraege in die Siliziumtechnologie gesteckt und parallel ein so umfassendes technologisches Know-how aufgebaut hat wie fuer kein anderes Halbleitermaterial, duerfte Silizium voraussichtlich bis weit in das 21. Jahrhundert hinein das Mass der Dinge bleiben, und neue Materialien, die in Mikrochips hineinwollen, muessen zur Liaison mit der Si-Technologie faehig sein.
Dissoziation bei den Germanen
Ein hoffnungsvoller Heiratskandidat ist bereits ausgespaeht: Si/Ge, Silizium/Germanium, heisst das designierte Traumpaar. Konventionelle Siliziumschichten, das muss man hierzu wissen, werden industriell meist so hergestellt, dass man siliziumhaltige Gase, Silane, auf entspechend vorpraeparierten Unterlagen (in der Regel ebenfalls aus Silizium) verdampfen laesst, wobei das reine Silizium in der gewuenschten atomaren Anordnung zurueckbleibt. Dieses als "thermische Dissoziation" bezeichnete Standardverfahren funktioniert erfreulicherweise auch bei den Germanen, germaniumhaltigen Gasen, deren chemische Eigenschaften sich nur unwesentlich von denen der Silane unterscheiden.Indem man Silane und Germane zugleich auf Oberflaechen aufdampft, kann man eine Mischung von Silizium und Germanium abscheiden, die sich unter geeigneten Bedingungen zur Legierung vereinigt. Solche Legierungen entfalten zum Teil voellig neue, technologisch hochinteressante Eigenschaften, lassen sich andererseits aber auch bequem in konventionelle Herstellungsprozesse der Halbleiterproduktion integrieren. Duenne einkristalline Si/Ge-Legierungsschichten, wie man sie seit kurzem anzufertigen versteht, koennten zur Grundlage einer neuen, Hochleistungs-Technologie werden.
Silizium/Germanium-Strukturen sind - bezueglich der Fertigung - nicht nur kompatibel mit der etablierten Siliziumtechnologie, sie sind ausserordentlich leistungsfaehig und - da man das Mischungsverhaeltnis der beiden Komponenten variieren kann - flexibel. Ihr potentielles Anwendungsfeld erstreckt sich von Hochgeschwindigkeits-Bipolartransistoren bis zu optoelektronischen Bauelementen. Die ersten bisher verwirklichten Prototypen von Bauelementen mit Si/Ge-Legierungsschichten haben die Experten nicht enttaeuscht. Daimler-Benz hat einen superschnellen SiGe-Transistor vorgestellt; die Konkurrenz - darunter IBM in den USA, Toshiba und Hitachi in Japan - klebt den Deutschen an den Fersen. Wenn bis heute keine dieser Entwicklungen zur Serienreife gedieh, so vor allem deshalb, weil die grundlegenden chemischen Prozesse, die sich beim Wachstum der Legierungsschichten abspielen, im Detail noch nicht beschrieben und erklaert sind. Das hat Prof. Dr. Rolf Juergen Behm, Leiter der Abteilung Oberflaechenchemie und Katalyse der Universitaet Ulm veranlasst, sich mit seinem Mitarbeiter Dr. Hubert Rauscher und finanziell unterstuetzt von der VW-Stiftung, die den Ulmer Wissenschaftlern im April eine Forschungsbeihilfe in Hoehe von 453.000 Mark bewilligt hat, der Aufklaerung einiger Kardinalfragen der Si/Ge-Abscheidung und -Aufwachsung zuzuwenden.
Halbleitermaterial masswachsen
Wie wachsen duenne Si/Ge-Schichten auf einem Untergrund aus Silizium oder Germanium? Wie bewegen sich die Molekuele, Molekuelfragmente und Atome waehrend des Wachstumsvorgangs auf der Oberflaeche, wie kristallisieren sie zur Schicht und welche Muster bilden sie dabei? Wie haengen Wachstum und Struktur der duennen Schichten einerseits und ihre elektrischen Eigenschaften andererseits zusammen? Wie beeinflussen aeussere Parameter der Verarbeitung wie Druck und Temperatur das Wachstum der Schichten und damit letztlich die Eigenschaften des Halbleitermaterials? Kann man durch gezielte Steuerung des Verarbeitungsprozesses die neuen Halbleitermaterialien fuer bestimmte Anwendungen "masswachsen", wie man es in der Kunststoffchemie seit Jahrzehnten mit Polymeren tut?
Fuer ihre Untersuchungen bedienen sich die Oberflaechenchemiker vorrangig der Rastertunnelmikroskopie, die es erlaubt, einzelne Atome auf der Probenoberflaeche abzubilden und die Struktur neu abgeschiedener Inseln Atom fuer Atom zu vermessen. Bei der Charakterisierung der elektrischen Eigenschaften der Schichten assistiert die Ulmer Abteilung Elektronische Bauelemente und Schaltungen unter Prof. Dr. Erhard Kohn.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Elektrotechnik, Energie
überregional
Es wurden keine Arten angegeben
Deutsch
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