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21.02.2002 10:41

Brief an Kanzler Schröder - Jenaer Nachwuchsforscher protestieren gegen neues Hochschulrahmengesetz

Hubert J. Gieß Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Jena (21.02.02) Mit einem Protestbrief haben sich zahlreiche Wissenschaftler aus dem akademischen Mittelbau der Uni Jena an Bundeskanzler Gerhard Schröder gewandt. Darin wenden sie sich gegen das neue Hochschulrahmengesetz (HRG). Der Kanzler wird aufgefordert, das HRG überarbeiten zu lassen. In seiner jetzigen Fassung gefährde es die Zukunft der deutschen Hochschulen und ihres wissenschaftlichen Nachwuchses.

    Bisher mussten junge Wissenschaftler, die eine Professur anstrebten, nach ihrer Promotion eine Habilitationsschrift anfertigen. Das neue HRG sieht stattdessen eine Juniorprofessur vor, die auf sechs Jahre befristet ist. Wem nach Ablauf dieser Zeit der Sprung auf eine volle Professorenstelle nicht gelingt, der muss die Uni verlassen. Darüber hinaus legt das neue HRG fest, dass künftig Nachwuchswissenschaftler an Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen höchstens 12, in der Medizin 15 Jahre, befristet beschäftigt werden dürfen. Da nur wenige Nachwuchswissenschaftler eine Professur oder eine unbefristete Stelle an einer Hochschule oder Forschungseinrichtung erhalten können, werden die meisten von ihnen nach 12 bzw. 15jähriger Tätigkeit außerhalb des wissenschaftlichen Arbeitsmarktes unterkommen müssen.

    Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Uni Jena wenden sich gegen die Folgen des neuen HRG, das nicht geeignet sei, die Leistungsfähigkeit der deutschen Hochschulen zu verbessern. Vielmehr sei es eine international einmalige bürokratische Gängelung, die die Anpassungsfähigkeit und Kompetenz des Wissenschaftsbetriebs einschränke. Die geplanten Maßnahmen gingen zu Lasten der Qualität in Forschung und Lehre. So müssten zahlreiche Stellen abgebaut werden, um die Juniorprofessuren finanzieren zu können. Die Begrenzung der Arbeitsverhältnisse auf höchstens 12 bzw. 15 Jahre führe zu einer "Verschrottung" des wissenschaftlichen Nachwuchses. Das Niveau der Lehre an den Unis werde daher zwangsläufig sinken, da diese bisher oft von erfahrenen, zum Teil bereits habilitierten Wissenschaftlern getragen wird. Qualität und Quantität der Forschung würden ebenfalls gefährdet, wenn in Zukunft im Uni-Mittelbau keine hochqualifizierten Wissenschaftler mehr zur Verfügung stehen würden. Eine akademische Laufbahn werde nach dem neuem HRG zu einem unkalkulierbaren Wagnis. Dies gelte insbesondere für Frauen. Am Ende stehe für viele junge Wissenschaftler die Arbeitslosigkeit.

    Im Wortlaut

    Die Entschließung der Mitarbeiter-Initiative der Friedrich-Schiller-Universität Jena vom 21.02.2002

    Die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Friedrich-Schiller-Universität haben sich dem bundesweiten Protest zahlreicher Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Mitarbeiter-Vertretungen gegen das neue Hochschulrahmengesetz (HRG) angeschlossen. In einem offenen Brief an den Bundeskanzler fordern Sie die Überarbeitung des umstrittenen Gesetzes, mit dem die Bundesregierung eine "kostenneutrale" Reform der wissenschaftlichen Ausbildung und Qualifizierung künftiger Hochschullehrer an Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen anstrebt.

    Im Mittelpunkt der Kritik steht das neue Befristungsrecht für Zeitverträge im Bereich Wissenschaft und Forschung. Danach kann künftig im wissenschaftlichen Mittelbau in der Regel niemand länger als 12 Jahre (bzw. 15 Jahre in der Medizin) an einer Hochschule oder öffentlichen Forschungseinrichtung befristet beschäftigt werden. Ist dieser für die wissenschaftliche Qualifizierung vorgesehene Zeitrahmen ausgeschöpft, ist eine weitere befristete Beschäftigung nur nach in den eng gesetzten Grenzen des allgemeinen Teilzeit- und Befristungsgesetzes möglich. Für die meisten Nachwuchswissenschaftler, die keine Professur erhalten, werden sich diese Bestimmungen wie ein faktisches Berufsverbot nach 12 bzw. 15jähriger Tätigkeit in Forschung und Lehre auswirken. Darüber hinaus werden mit den restriktiven Höchstbefristungsregeln alle Versuche zunichte gemacht, Frauen im Hochschulbereich (etwa durch die Erleichterung des Wiedereinstiegs nach Schwangerschaft und Erziehungsurlaub) besonders zu fördern.

    Die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Friedrich-Schiller-Universität Jena fordern daher eine sofortige Überarbeitung insbesondere des nachwuchs- und frauenfeindlichen Befristungsrechts und die Schaffung von fairen Übergangsregelungen, die dem akademischen Nachwuchs eine Zukunftsperspektive bieten.

    Die Vertreter der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Konzil und im Senat der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Jena, 21.02.2002

    Weitere Informationen: Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dr. Stefan Tebruck, Tel. 03641/9-44425, Fax 03641/9-44412, E-Mail: stefan.tebruck@rz.uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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