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19.03.1998 00:00

Ökologischer Naturschutz mit Huftieren

Joachim Mörke Unternehmenskommunikaton des Forschungsverbundes Berlin e.V.
Forschungsverbund Berlin e.V.

    Hirsch und Konik als Landschaftsgestalter

    Im Berliner Institut fuer Zoo- und Wiltierforschung (IZW) eroertern Experten aus Deutschland, Holland und der Schweiz Naturschutz und Landschaftsgestaltung mit robusten Haustierrassen und Wildtieren/Workshop am 25. Maerz in Berlin

    Unsere grossen heimischen Huftiere werden in einer ihrer wichtigsten Eigenschaften leider immer noch verkannt: als hervorragende Landschaftsgestalter im artgerechten Lebensraum. Das gilt fuer robuste Haustierrassen wie fuer Wildtiere. Letztere sind mitnichten ,Waldschaedlinge", die den Aufbau von naturnahen Mischwaeldern behindern. Eine solche Sichtweise ist extrem einseitig, sie ist, wie neueste Untersuchungen zeigen, unter den Bedingungen der vom Menschen geschaffenen forstlichen Monokulturen entstanden. In Nationalparks tragen Wildtiere bereits ganz erheblich zur Erhaltung der Arten- und Strukturvielfalt bei, ohne die natuerliche Waldregeneration zu behindern.

    - Was muss beachtet werden, um etwa robuste Haustierrassen (z. B. Heckrinder und Koniks=Halbwildpferde, siehe Hintergrund) zielgerichtet zur Natur- und Landschaftsgestaltung einzusetzen?

    -Unter welchen Bedingungen sind die heimischen Wildtierarten (wie Reh und Rothirsch) dazu in der Lage?

    - Wie laesst sich Landschaftspflege mit Multi-Spezies-Gemeinschaften (aus Gras- und Laubfressern) betreiben, in denen neben Elch und Hirsch auch Wisent, Konik und Heckrind ihren Platz finden?

    Zu diesem aktuellen und haeufig kontraer beurteilten Fragenkreis veranstaltet das Institut fuer Zoo- und Wildtierforschung (IZW) am 25. Maerz einen Workshop in Berlin. Experten aus dem IZW selbst, aus Natur- und Nationalparks in Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz wollen zu den 3 Themenschwerpunkten ihre Erfahrungen vortragen. Prof. Dr. Reinhold R. Hofmann, Direktor des IZW, und Gastgeber des Meetings, sieht im gemeinsamen Vorgehen von Wildbiologen und Forstfachleuten (die Veranstaltung wird in Zusammenarbeit mit dem Berliner Forstamt durchgefuehrt) die Chance, naturnahe Strategien unter Einbeziehung regionaler und lokaler Besonderheiten zu verwirklichen. Doch dazu muss das bereits akkumulierte Orientierungs-und Handlungswissen zusammengetragen und im wissenschaftlichen Disput erhaertet werden.

    Journalisten sind zu der Veranstaltung herzlich eingeladen.

    Zeit: 25. Maerz 1998, 9 bis 17 Uhr

    Ort: IZW, Alfred-Kowalke-Str. 17 in 10315 Berlin (am Tierpark Friedrichsfelde), U-Bahn Linie 5

    Ansprechpartner im IZW: Dr. Reiner Cornelius, Tel. 030/5168 609; Fax 030/5126-104

    Hintergrund Zum IZW-Workshop am 25. Maerz 1998, 9 - 17.00 Uhr Alfred-Kowalke-Str.17, 10315 Berlin

    Artenreiche Huftiergemeinschaften (Wisent, Aueroche, Elch, Rothirsch, Reh) waren bis in das Mittelalter hinein fester Bestandteil der Urwaelder Brandenburgs. Die wildlebenden Huftiere hielten Waldlichtungen offen, schufen fein strukturierte Waldraender und sorgten so fuer die Existenz lichtliebender und an Saeume angepasster Pflanzen, Kleinsaeuger, Voegel und Insekten.

    Nach der Ausrottung und Vertreibung des ueberwiegenden Teils der wildlebenden Pflanzenfresser (uebrig blieben alleine das Reh und der Rothirsch) entstanden infolge der Waldweide grossflaechige Ersatzbiotope.

    Mit der modernen Agrarlandschaft gingen diese Ersatzbiotope innerhalb kurzer Zeit verloren. Lediglich kleine Reste werden vom Naturschutz durch Pflege (Mahd, Entkusseln, Wanderschaeferei etc.) erhalten. Diese Massnahmen erfordern jedoch einen hohen finanziellen Aufwand, der auf Dauer nicht mehr zu tragen sein wird.

    Derzeit wird nach Alternativen zur konventionellen Pflege von Offen- und Halboffenbiotopen gesucht. Der IZW-Workshop leistet hierzu einen Beitrag. Nach Ansicht des IZW sind dabei verschiedene Strategien zu pruefen.

    Themenkreise am 25. Maerz:

    1. Ganzjahresweide mit wildaehnlichen Haustierrassen zur Erhaltung von Magerasen (naehrstoffarmen Grasflaechen) und Heideflaechen

    Neben bestimmten Schafrassen wird derzeit der Einsatz von Heckrindern und Koniks erprobt. Heckrinder sind Rueckzuechtungen des Auerochsen. (Die Gebrueder Heck, Zoodirektoren in Berlin und Muenchen, hatten in den zwanziger und dreissiger Jahren mit der Zucht begonnen). Koniks sind robuste polnische Pferde (Konik = Pferdchen). Heckrinder und Konkis sind extrem wetterfest; sie beduerfen keines Winterunterstands und keiner Pflege. Sie sind zudem ausgesprochen widerstandfaehig gegenueber Krankheiten.

    Beitraege aus der Praxis:

    - Dr. Bunzel-Drueke/Naturschutzstation Soest, NRW;

    - Dr. Martin/ Nationalpark Mueritz;

    - Herr Reisinger/Landesamt fuer Umwelt in Thueringen;

    - Dr. Schoknecht/Landesumweltamt Brandenburg.

    Weiterhin wird das Projekt NSG Falkenberger Rieselfelder vorgestellt, bei dem ab Maerz dieses Jahres Heckrinder den Lebensraum fuer Rotbauchunken, Wechselkroeten und Voegel der Offenlandschaft erhalten sollen. Das Projekt wird gemeinsam von der Berliner Senatsverwaltung (Oberste Naturschutzbehoerde), der Naturschutzstation Malchow und dem IZW getragen.

    2. Landschaftspflege mit den vorhandenen Wildtierarten Rothirsch und Reh

    Bisher wurden die vorhandenen Wildtiere nur als Waldschaedlinge angesehen, die den Aufbau von naturnahen Mischwaeldern behindern. Die neuesten Untersuchungen zeigen jedoch, dass dies eine extrem einseitige Sichtweise ist, die unter den Bedingungen der Monokulturen entstanden ist. In seit langem unter Schutz stehenden Nationalparks tragen die Wildtiere ganz erheblich zur Erhaltung der Arten- und Strukturvielfalt bei, ohne die natuerliche Waldregeneration zu behindern.

    Beitraege aus der Praxis:

    - Dr. Kruesi/Schweizer Nationalpark;

    - Dr. Bokdam/Nationalpark Hoge Veluwe, Niederlande;

    - Dr. Petrak/Wildforschungsstelle des Landes NRW;

    - Forstdirektor Lakenberg/ Berliner Landesforstamt.

    3. Naturentwicklung mit wildlebenden Huftiergemeinschaften, bestehend aus den vorhandenen Wildtierarten, dem Elch und Grasfressern (wie Heckrind, Konik und Wisent)

    Prof. Dr. Hofmann, Direktor des IZW, stellt als Vorschlag fuer Brandenburg: ein Multi-Spezies-Projekt (MSP) vor. Ziel des MSP ist es, die natuerlichen Prozesse zwischen Grosssaeugern und Vegetation wieder in Gang zu bringen. Die natuerlichen Huftiergemeinschaften Mitteleuropas umfassen laubaesende, grasaesende und intermediaere Ernaehrungstypen. Vor 600 Jahren, was der biologischen Lebenszeit einer Eichen- bzw. zweier Kieferngenerationen entspricht, waren in den Waeldern Brandenburgs noch alle Ernaeh-rungstypen vertreten (Wisent, Auerochsen, Elch, Rothirsch und Reh). Diese faunistische Vielfalt war zugleich eine der Voraussetzungen fuer die Entstehung von Vegetationsvielfalt. Mit der Wiederansiedlung grasender Arten (Wisente, Heckrinder, Koniks) und des laubaesenden Elches auf ehema-ligen Truppenuebungsplaetzen besteht die Chance, sich dem naturnahen Gefuege aus Huftieren und Vegetation wieder zu naehern. Die dort vorhandene Pioniervegetation bietet die Moeglichkeit, dieses Gefuege weitgehend ohne den lenkenden Einfluss des Menschen zu entwickeln, d.h. einem synoekologischen Prozessschutz Raum zu geben.

    Ein aehnliches Projekt ist in den Niederlanden (Oostvaaderplassen bei Lelystad) seit laengerem in Erprobung. Aufgrund des bisherigen Projekterfolges soll nun auch der Stadtwald von Lelystad mit in das Projekt einbezogen werden. Dr. Vera vom Ministerium fuer Naturschutz, Landwirtschaft und Fischerei aus Den Haag stellt dieses Projekt im IZW-Workshop vor.

    Schliesslich ist das Ziel des Workshops zu pruefen, welche der verschiedenen Pflege- und Naturentwicklungsmassnahmen zur Erhaltung der Struktur- und Artenvielfalt auf dem 440 ha grossen ehemaligen Truppenuebungsplatz Schoenow bei Berlin-Buch in Frage kommen. Dieser liegt im Zustaendigkeitsbereich der Berliner Forsten und der Naturparkverwaltung Niederbarnim

    (Dr. Schrumpf/Wandlitz).


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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