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26.02.2002 13:26

RUB-Dissertation: Frauen, Machtbalance und Modernisierung auf einer Pazifikinsel

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Wie entwickeln sich patriarchale Machtverhältnisse in sozialen Wandlungs- und Modernisierungsprozessen? Dieser Frage geht Dr. Claudia Lauterbach in ihrer Dissertation "Von Frauen, Machtbalance und Modernisierung - Das etwas andere Geschlechterverhältnis auf der Pazifikinsel Palau" nach. Die Arbeit zeigt: Erst die Einflüsse von Kolonisierung und Modernisierung haben die Machtbalance zwischen Frauen und Männern auf der Insel ins Wanken gebracht.

    Bochum, 26.02.2002
    Nr. 63

    Von Frauen, Machtbalance und Modernisierung
    Das andere Geschlechterverhältnis auf der Pazifikinsel Palau
    RUB Studie: Veränderung von Macht im Geschlechterverhältnis

    Wie entwickeln sich patriarchale Machtverhältnisse in sozialen Wandlungs- und Modernisierungsprozessen? Dieser viel diskutierten Frage der Geschlechterforschung ist Dr. Claudia Lauterbach in ihrer Dissertation "Von Frauen, Machtbalance und Modernisierung - Das etwas andere Geschlechterverhältnis auf der Pazifikinsel Palau" (Fakultät für Sozialwissenschaften der RUB, Betreuerin Prof. Dr. Ilse Lenz) nachgegangen. Ihre Arbeit, die jetzt im Verlag Leske und Budrich erschienen ist, beweist: Erst die Einflüsse von Kolonisierung und Modernisierung haben die Machtbalance zwischen Frauen und Männern auf der Insel ins Wanken gebracht.

    Früher: Balance der Geschlechter

    "Die vormoderne Gesellschaft von Palau war eine geschlechterbalancierte Gesellschaft", stellt Claudia Lauterbach nach ihrer Rekonstruktion anhand älterer Forschungsberichte und neuerer Literaturquellen fest. Frauen und Männer waren unterschiedlich, aber gleichwertig in Entscheidungen des sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen Lebens einbezogen. Frauen erwarben durch Tauschgeschäfte Geld und Güter und hatten daher eine hohe ökonomische Bedeutung. Ihre Rolle wurde balanciert durch eine politische Führungs- und Repräsentationsfunktion ranghoher männlicher Oberhäupter. Weibliche Oberhäupter hatten wiederum das Wahl- und Absetzungsrecht gegenüber den männlichen.

    Später: Einflüsse der Modernisierung

    Palau gehörte Ende des 19. Jahrhunderts zum Hoheitsgebiet von Spanien, das die Inseln an Deutschland verkaufte. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges bekam Japan das Mandat über die palauanischen Inseln und verlor sie nach dem Zweiten Weltkrieg an die USA, unter deren Treuhandschaft Palau bis zum Jahre 1993 stand. Seit 1994 ist Palau ein unabhängiger Inselstaat. Die Geschichte der Kolonisierung und Modernisierung in Palau zeigt eindrucksvoll den sozialen Wandel und die Veränderung des Geschlechterverhältnisses in der kleinen Inselgesellschaft. Die Patriarchalisierung entwickelte sich u.a. durch das Verbot weiblichen Gelderwerbs durch sexuelle Dienste, durch Abtreibungsverbot und neue Kleinfamilienformen. Weitere Faktoren waren die Einführung der Lohnarbeit für Männer, der Einsatz von männlichen Führungspersonen und die Zentralisierung von politischen Entscheidungsstrukturen.

    Heute: Politische Macht gehört den Männern

    Die stärkste Verschiebung in der früheren Machtbalance zwischen den Geschlechtern ist bei politischen Entscheidungen spürbar: Das Gleichgewicht zwischen Frauen und Männern ist im modernen politischen Staat einer eindeutigen Dominanz von Männern gewichen. Nur wenige palau-anische Frauen haben hohe politische Ämter. Die Grenzen direkter politischer Einflussnahme von Frauen zeigte sich im vergeblichen Kampf einer Gruppe ranghoher älterer Frauen um den Erhalt des atomwaffenfreien Status in der palauanischen Verfassung, der auch internationales Aufsehen erregte.

    Über 40 Interviews

    Über 40 Interviews zeigen, wie palauanische Frauen heute auf Veränderungen im Geschlechterverhältnis durch moderne Wirtschafts- und Staatsstrukturen, sich wandelnde Familienformen und Geschlechterrollen reagieren. Trotz einer Patriarchalisierung, so wird in den Interviews mit pa-lauanischen Frauen und Männern deutlich, ermöglichen strukturelle Voraussetzungen, dass Frauen Machtfelder auch in Modernisierungsprozes-sen behaupten oder sogar ausweiten können. So öffnete ihre hohe ökonomische Bedeutung Frauen den Zugang zu guter Bildung und Berufstätigkeit, die über entlohnte Hilfen im Haushalt abgesichert ist. Die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen ist gering, und immer noch wird innerhalb der Familien die reproduktive Arbeit von Frauen entlohnt, ebenso die eheliche Sexualität. Die ökonomisch bedeutende Rolle von palauani-schen Frauen zeigt sich auch darin, dass sie als Ehefrauen den Lohn der Männer und das Familieneinkommen verwalten.

    Differenziertes Bild einer nicht-westlichen Gesellschaft

    Das Buch hilft beim Verständnis von Prozessen der Patriarchalisierung und zeichnet ein differenziertes Bild der Inselgesellschaft von Palau, indem es die Interpretationen palauanischer Frauen ernst nimmt, sie aber auch kritisch hinterfragt. Nicht zuletzt ermöglicht das Buch die Begegnung mit Frauen, für die weibliche Stärke und Partizipation selbstverständlich sind und die sich deshalb in den Prozess der Modernisierung einschalten.

    Titelaufnahme

    Claudia Lauterbach: Von Frauen, Machtbalance und Modernisierung - Das etwas andere Geschlechterverhältnis auf der Pazifikinsel Palau. Reihe Geschlecht und Gesellschaft, Hg. Ilse Lenz, Michiko Mae, Sigrid Metz-Göckel, Ursula Müller, Mechthild Oechsle, Marlene Stein-Hilbers. Leske+Budrich, Opladen 2001, ISBN 3-8100-3011-2

    Weitere Informationen

    Dr. Claudia Lauterbach, Am Messehaus 4, 90489 Nürnberg, Tel.0911/5307709; Fax 0911/5307713, Email: claudia.lauterbach@web.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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