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15.11.2011 09:22

Warum der Sonnenwind rautenförmig ist: RUB-Forscher berichten

Dr. Josef König Pressestelle
Ruhr-Universität Bochum

    Warum die Temperaturen im Sonnenwind in bestimmten Richtungen nahezu gleich sind und wieso verschiedene Energiedichten beinahe identisch sind, war bislang völlig unverstanden. Mit einem neuen Ansatz zur Berechnung von Instabilitätskriterien für Plasmen lösten Bochumer Forscher um Prof. Dr. Reinhard Schlickeiser (Lehrstuhl für Theoretische Physik IV) beide Probleme auf einmal. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in Physical Review Letters.

    Warum der Sonnenwind rautenförmig ist
    Temperatur- und Energiegleichverteilung in kosmischen Plasmen erklärt
    RUB-Forscher berichten in Physical Review Letters

    Warum die Temperaturen im Sonnenwind in bestimmten Richtungen nahezu gleich sind und wieso verschiedene Energiedichten beinahe identisch sind, war bislang völlig unverstanden. Mit einem neuen Ansatz zur Berechnung von Instabilitätskriterien für Plasmen lösten Bochumer Forscher um Prof. Dr. Reinhard Schlickeiser (Lehrstuhl für Theoretische Physik IV) beide Probleme auf einmal. Sie bezogen erstmals die Effekte von Zusammenstößen der Sonnenwindteilchen in ihr Modell mit ein. Es erklärt experimentelle Daten wesentlich besser als vorangegangene Berechnungen und lässt sich auch auf kosmische Plasmen außerhalb des Sonnensystems übertragen. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in Physical Review Letters.

    Temperaturen und Drücke im kosmischen Plasma

    Der Sonnenwind besteht aus geladenen Teilchen und ist von einem Magnetfeld durchsetzt. Bei der Analyse dieses Plasmas untersuchen Forscher zwei Arten von Drücken: Der magnetische Druck beschreibt die Tendenz der Magnetfeldlinien, sich gegenseitig abzustoßen, der kinetische Druck resultiert aus dem Impuls der Teilchen. Das Verhältnis von kinetischem zu magnetischem Druck wird Plasmabeta genannt und ist ein Maß dafür, ob mehr Energie pro Volumen in Magnetfeldern oder in der Teilchenbewegung gespeichert ist. In vielen kosmischen Quellen liegt das Plasmabeta um den Wert eins, was gleichbedeutend mit Energiegleichverteilung ist. Zudem herrscht in kosmischen Plasmen nahezu Temperaturisotropie, d.h. die Temperatur ist in paralleler und senkrechter Richtung zu den Magnetfeldlinien des Plasmas gleich.

    Satellitendaten erklären

    Über zehn Jahre lang sammelten die Instrumente des in Erdnähe befindlichen WIND-Satelliten verschiedene Sonnenwinddaten. Trägt man die gemessenen Plasmabeta gegen die Temperaturanisotropie (das Verhältnis von senkrechter zu paralleler Temperatur) auf, fallen die Messpunkte in einen rautenförmigen Bereich um den Wert eins. „Wenn sich die Werte aus der Rautenkonfiguration herausbewegen, ist das Plasma instabil und die Temperaturanisotropie und das Plasmabeta landen schnell wieder in dem stabilen Bereich innerhalb der Raute“, sagt Prof. Schlickeiser. Eine konkrete, detaillierte Erklärung dieser Rautenform fehlte aber bisher, vor allem für niedrige Plasmabeta.

    Kollisionen im Sonnenwind

    In früheren Modellen ging man davon aus, dass die Sonnenwindteilchen aufgrund der niedrigen Dichte nicht direkt zusammenstoßen, sondern nur über elektromagnetische Felder wechselwirken. „Solche Annahmen sind allerdings für kleine Plasmabeta nicht mehr gerechtfertigt, da dann die Dämpfung aufgrund von Teilchenstößen berücksichtigt werden muss“, so Dipl.-Phys. Michal Michno. Prof. Schlickeisers Gruppe bezog diese zusätzliche Dämpfung in ihr Modell mit ein, wodurch neue Rautengrenzen, also neue Stabilitätsbedingungen, entstanden. Das Bochumer Modell erklärt die gemessenen Sonnenwinddaten wesentlich besser als frühere Theorien.

    Allgemeingültige Lösung

    Das neue Modell kann auch auf andere dünne kosmische Plasmen übertragen werden, da sie sehr ähnliche Dichten, Temperaturen und Magnetfeldstärken haben wie der Sonnenwind. Auch wenn das Diagramm aus Temperaturanisotropie und Plasmabeta für sie nicht exakt die Rautenform einnimmt, die die Forscher für den Sonnenwind fanden, sagt der neu gefundene Mechanismus voraus, dass die Werte immer nahe um eins liegen. Damit leistet die Theorie auch einen wichtigen Beitrag zur Erklärung der Energiegleichverteilung in kosmischen Plasmen außerhalb des Sonnensystems.

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. Reinhard Schlickeiser, Lehrstuhl für Theoretische Physik IV, Fakultät für Physik und Astronomie der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel.: 0234/32-22032
    rsch@tp4.ruhr-uni-bochum.de

    Michal Michno, Lehrstuhl für Theoretische Physik IV, Fakultät für Physik und Astronomie der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel.: 0234/32-22051
    mjm@tp4.ruhr-uni-bochum.de

    Titelaufnahme

    R. Schlickeiser, M. J. Michno, D. Ibscher, M. Lazar, T. Skoda (2011): Modified temperature-anisotropy instability thresholds in the solar wind, Physical Review Letters, 107, 201102, doi: 10.1103/PhysRevLett.107.201102

    Redaktion

    Dr. Julia Weiler


    Bilder

    Sonnenwinddaten: Das Plasmabeta repräsentiert das Verhältnis von kinetischem zu magnetischem Druck im kosmischen Plasma. Die Anisotropie ist das Verhältnis der Temperaturen senkrecht und parallel zu den Magnetfeldlinien. In Farbe wird die Zahl der Messwerte dargestellt (rot entspricht vielen Werten, blau wenigen). Warum die Messwerte die charakteristische Rautenform einnehmen, erklärt ein neues Modell der Bochumer Physiker.
    Sonnenwinddaten: Das Plasmabeta repräsentiert das Verhältnis von kinetischem zu magnetischem Druck i ...
    Quelle: Physical Review Letters © American Physical Society
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Sonnenwinddaten: Das Plasmabeta repräsentiert das Verhältnis von kinetischem zu magnetischem Druck im kosmischen Plasma. Die Anisotropie ist das Verhältnis der Temperaturen senkrecht und parallel zu den Magnetfeldlinien. In Farbe wird die Zahl der Messwerte dargestellt (rot entspricht vielen Werten, blau wenigen). Warum die Messwerte die charakteristische Rautenform einnehmen, erklärt ein neues Modell der Bochumer Physiker.


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