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16.11.2011 09:39

Stuttgart-21-Plakatstudie: „Wir-sind-doch-nicht-blöd“-Kampagne fällt in Stuttgart durch

Florian Klebs Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Hohenheim

    Kommunikations-Experten der Universität Hohenheim analysieren Plakate zur S21-Volksabstimmung / Keine klaren Gewinner, wohl aber eindeutige Verlierer.

    Plakate der S21-Gegner sind Top in Sympathie und Überzeugungskraft. Plakate der Befürworter sind Top in Glaubwürdigkeit und Sachlichkeit. Nur Plakate der „Wir-sind-doch-nicht-blöd-Kampagne“ der „IG Bürger für Baden-Württemberg e.V.“ fallen beim Großteil der Stuttgarter Befragten durch. Weiteres Problem: Zahlreiche Plakate werden dem falschen Lager zugeordnet. Und an der Stimmenverteilung ändern sie alle nicht viel. So lautet das Ergebnis einer Studie von Kommunikationswissenschaftlern der Universität Hohenheim. Die vorliegende Pressemitteilung ist ein Beitrag im Rahmen des Themenjahrs 2011 „Universität Hohenheim – stark durch Kommunikation“. Kurzfassung der Studienergebnisse unter www.uni-hohenheim.de/presse

    Keine klaren Gewinner: „Wenn es um das geplante Abstimmungsverhalten der Stuttgarter Befragten zum Thema S21 geht, lösen die Plakat-Kampagnen zwar Wanderungen zwischen den beiden Lagern und den Unentschiedenen aus. Doch unterm Strich gleichen sich diese weitgehend aus“, so Prof. Dr. Frank Brettschneider vom Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft.
    So stimmten einige Personen vor der Plakatbetrachtung mit „Ja“ und nachher mit „Nein“. Aber ebenso viele stimmten vorher mit „Nein“ und nachher mit „Ja“. Insgesamt wechselten jedoch immerhin 23 der 348 Befragten (6,7 Prozent) nach der Plakatbetrachtung ihre Abstimmungspräferenz (Ja, Nein bzw. Weiß nicht). „Angesichts der bereits lang andauernden Diskussion um „Stuttgart 21“ und der verhärteten Fronten ein überraschend hoher Wert“, konstatiert Studienleiter Jan Kercher.

    348 Testpersonen aus dem Großraum Stuttgart
    Für ihre Studie hatten Prof. Dr. Brettschneider und Jan Kercher insgesamt 348 Stuttgarter Bürger befragt. Dabei ging es um deren Einstellungen zu Stuttgart 21 und ihre Bewertung und Erinnerung der Plakate zur Volksabstimmung. Dafür wählten die Forscher aus jeder der vier Plakatserien von S21-Gegnern und -Befürwortern drei Plakate aus. Im Laufe der Studie beurteilten die Teilnehmer, wie verständlich, glaubwürdig, überzeugend, sympathisch und sachlich sie die Plakate empfanden. Zudem wurden sie gebeten, ihren Gesamteindruck in einer Schulnote zusammenzufassen.
    Im Experiment gingen die Forscher auch zwei weiteren Fragen nach: Wie gut können sich die Betrachter an die Slogans erinnern? Und wie eindeutig erkennen sie, ob ein Plakat für oder gegen S21 wirbt? Ihre Bewertung von „Stuttgart 21“ und ihre Abstimmungspräferenz mussten die Teilnehmer zweimal angeben: Das erste Mal vor Studienbeginn. Das zweite Mal, nachdem sie die Plakate betrachtet und bewertet hatten.

    „Ja“-Plakate erscheinen sympathisch, „Nein“-Plakate sachlich
    Auch in der subjektiven Bewertung gibt es keine klaren Gewinner. Plakate aus der bunten Ja-Kampagne des „Landesbündnis „Ja zum Ausstieg““ erhielten die Top-Bewertungen in Sympathie, Überzeugungskraft und Verständlichkeit. Dagegen erhielten Plakate aus der schlichten, orange-grauen Nein-Kampagne von „Pro Stuttgart 21 e.V.“ die besten Bewertungen in Sachen Glaubwürdigkeit und Sachlichkeit.
    Auffällig schlecht schneiden hier Plakate aus der roten „Wir-sind-doch-nicht-blöd“-Kampagne ab, mit der sich die „IG Bürger für Baden-Württemberg e.V.“ für Stuttgart 21 einsetzt. „In keiner Kategorie ist ein Plakat dieser Kampagne auf den ersten drei Plätzen“, bestätigt Projektleiter Kercher.

    Bestnoten für die eigene Meinung
    Bei der Bewertung in Schulnoten spiegelt das Urteil der Testpersonen meist die eigene Überzeugung wider. S21-Gegner favorisieren die bunte Ja-Kampagne. Projekt-Befürworter sehen eines der „Wir-sind-doch-nicht-blöd“-Plakate und zwei der schlichten orange-grauen „Nein“-Plakate vorne.
    „Überrascht hat uns, wie eindeutig das Urteil bei den neutralen und unentschiedenen Befragten ausfiel“, berichtet Kercher: Die drei besten Noten erhielten hier die bunten „Ja“-Plakate der S21-Gegner. Auf den drei letzten Plätzen landeten hingegen die roten „Wir-sind-doch-nicht-blöd“-Plakate der „IG Bürger für Baden-Württemberg“.

    Verwirrung bleibt: Manche Plakate werben für den Gegner
    Ein Problem eint jedoch Befürworter wie Gegner des umstrittenen Projekts: Nicht alle Plakate werden dem richtigen Lager zugeordnet.
    „Im Alltag werden Plakate nur sehr kurz betrachtet, ihre Botschaft muss deshalb schnell deutlich werden“, erklärt Prof. Dr. Brettschneider. Im Test haben die Forscher den TeilnehmerInnen deshalb nach der ersten Plakatpräsentation einzelne Plakate noch einmal vorgelegt. Bei diesen hatten sie die Plakat-Slogans jedoch vorher entfernt. Danach mussten die Testpersonen angeben, ob das Plakat für oder gegen S21 wirbt.
    Im aktuellen Fall haben die Forscher mit Problemen bereits gerechnet: „Bei der S21-Volksabstimmung haben die Plakate auch eine sehr wichtige Erklärungsfunktion: Muss man mit „Ja“ oder mit „Nein“ stimmen, wenn man für oder gegen „Stuttgart 21“ ist?“, so der Professor für Kommunikationswissenschaft. Eine Aufgabe, die sowohl Gegnern als auch Befürwortern unterschiedlich gut gelungen ist. „In allen Plakatserien stießen wir auf Exemplare, die mit Trefferquoten von über 80 Prozent korrekt zugeordnet wurden“, erklärt Prof. Dr. Brettschneider. In beiden Lagern gäbe es aber auch Gegenbeispiele: „Im schlechtesten Fall hat mehr als ein Drittel der Teilnehmer die Botschaft falsch zugeordnet.“

    Hintergrund: Methodik der Untersuchung
    Für die Plakatstudie wurden über 1200 Stuttgarter Bürger aus einem sog. „Online Access Panel“ des Lehrstuhls eingeladen. 348 Personen, d.h. etwas über ein Viertel der Eingeladenen, nahm an der Befragung teil. Aufgrund der Art der Stichprobenziehung ist die Untersuchung nicht repräsentativ für die gesamte Stuttgarter Bevölkerung. Absolute Aussagen oder Vorhersagen über Einflüsse der Plakat-Kampagnen in der Gesamtbevölkerung sind deshalb nicht möglich. Allerdings ist dies bei Experimentaluntersuchungen auch nicht das Ziel. Hier geht es um relative Aussagen und den Einfluss bestimmter Merkmale (z.B. Einstellungen zu „Stuttgart 21“) auf das Verhalten der Befragten. Solche relativen Aussagen über das Verhalten von S21-Gegnern, -Befürwortern und Neutralen können durchaus getroffen werden. Denn alle drei Gruppen waren ausreichend und zu etwa gleichen Teilen in der Stichprobe vertreten. Auch die Gruppen der unterschiedlichen Parteianhänger sowie der Personen ohne Parteiidentifikation waren ausreichend in der Stichprobe vertreten. Frauen und Männer machten jeweils etwa die Hälfte der Befragten aus, der Altersdurchschnitt lag bei 42 Jahren. Die jüngsten TeilnehmerInnen waren 19 Jahre alt, der älteste Teilnehmer war 80 Jahre alt. Allerdings ist der durchschnittliche Bildungsgrad der Befragten sehr hoch: 34 Prozent der TeilnehmerInnen haben Abitur oder Fachabitur, 42 Prozent sogar einen Hochschul-Abschluss. Mit dem Bildungsgrad steigt aber zumeist auch der Informationsgrad vor Wahlen oder Abstimmungen. Daher fällt der Einfluss der Kampagnen zur Volksabstimmung in der Gesamtbevölkerung vermutlich eher höher aus als in der untersuchten Stichprobe. Denn Wahlkampf-Informationen wirken vor allem dann besonders stark, wenn nur wenig Vorwissen vorhanden ist. Allerdings steigt gleichzeitig mit dem Bildungsgrad auch die Bereitschaft, an der Volksabstimmung teilzunehmen. D.h. diejenigen, die von den Kampagnen am wenigsten beeinflusst werden, nehmen gleichzeitig am wahrscheinlichsten an der Volksabstimmung teil.

    Themenjahr 2011 „Universität Hohenheim – stark durch Kommunikation“
    Das Themenjahr „Kommunikation“ der Universität Hohenheim soll einem breiten Spektrum unterschiedlicher Wissenschaftsbeiträge eine Plattform bieten. Die Universität Hohenheim selbst bezieht dabei ihrem Grundauftrag entsprechend keine eigene Position. Allein die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen ihre fundierten Standpunkte nach außen dar.

    Kontakt für Medien:
    Jan Kercher, Universität Hohenheim, Fg. Kommunikationswissenschaft, Tel.: 0711/459-24031, E-Mail: jan.kercher@uni-hohenheim.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften
    regional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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