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25.08.1997 00:00

Tinnitus entsteht im Gehirn

Sabine Gerbaulet Science Communication Centre - Abteilung Kommunikation
Technische Universität Darmstadt

    Laerm im Kopf - Tinnitus entsteht im Gehirn

    Neue Forschungsergebnisse aus dem Zoologischen Institut der TH Darmstadt

    Immer mehr Menschen leiden an Tinnitus. Das ist ein fuer den Betroffenen reales, fuer Mitmenschen unhoerbares Geraeusch (subjektiver Tinnitus). Nach offiziellen Schaetzungen fuehlen sich etwa 2,4 Millionen Deutsche durch ihren Tinnitus im Alltag belaestigt und etwa 400 000 von ihnen leiden unter einer wesentlichen Beeintraechtigung der Lebensqualitaet. Als subjektives Phaenomen ist Tinnitus naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden nur beschraenkt zugaenglich. Welche Veraenderungen im Hoersystem Tinnitus bewirken, ist daher noch weitgehen ungeklaert. Fuer eine Therapie und Praevention ist die Aufklaerung der tinnitus-gerierenden Ereignisse jedoch aeusserst wichtig. Am Zoologischen Institut der TH Darmstadt wird an dieser Aufklaerung in einem vom BMBF im Rahmen des Programms "Forschung im Dienste der Gesundheit" gefoerderten Projekt geforscht.

    Experimentelle Tinnituserzeugung Hohe Aspirindosen, wie sie z.B. bei Rheimakranken eingesetzt werden, und Knalltraumata, etwa durch Schusswaffen und Feuerwerkskoerper, koennen beim Menschen und auch beim Tier voruebergehend Tinnitus ausloesen. Diese Tatsache wurde fuer die experimentelle Ausloesung eines Tinnitus bei Maeusen genutzt. Wie die Ergebnisse der Untersuchungen erstmals zeigen, ist als Folge der hohen Aspirindosen oder eines Knalltraumas der Hoercortex stark aktiviert, obwohl die normale Aktivitaet im Innenohr und in den Hoerzentren des Hirnstammes unterdrueckt ist. Diese Aktivierung des Hoercortex kann daher nur im Gehirn, d.h. zentral, erzeugt worden sein. Eine eventuelle Uebererregung von Haarzellen, die oft als physiologisches Tinnituskorrelat diskutiert wird, konnte in den Versuchen nicht beobachtet werden und kommt wegen der beobachteten unterdrueckten Aktivitaet im Hirnstamm als Tinnitusgenerator nicht in Frage. Hierzu passen Befunde an Patienten, bei denen wegen eines unertraeglichen Tinnitus der Hoernerv durchtrennt wurde, ohne dass der Tinnitus verschwand.

    Tinnitus tritt oft zusammen mit einem reduzierten Hoervermoegen auf. Das Gehirn versucht offenbar, solche Hoerstoerungen zu kompensieren. Diese Kompensation koennte zu einer Stoerung der Balance zwischen neuronaler Erregung und Hemmung und einer Ueberkompensation des Hoerschadens und damit zu einem subjektiven Geraeusch fuehren.

    Aus den an der TH Darmstadt erhobenen Forschungsergebnissen ergaben sich auch erstmalig direkte Hinweise auf eine moegliche Beteiligung emotionssteuernder (limbischer) Gehirnstrukturen an der Tinnitusentstehung. Das limbische System unterhaelt vielfaeltige Verbindungen mit dem Hoersystem, dient der Aufmerksamkeitssteuerung und bewirkt eine emotionale Toenung von Sinnesinformationen. Die gezielte Beeinflussung des limbischen Systems wird schon heute erfolgreich im Rahmen der sogenannten Retraining-Methode ausgenutzt,bei der ueber verhaltenstherapeutische Massnahmen eine Akzeptanz des Tinnitus erzielt wird.

    Die an der TH Darmstadt erhobenen Befunde zeigen eindeutig, dass eine Verschlechterung des Hoervermoegens (periphere Schwerhoerigkeit) zu Tinnitus fuehren kann. Dieser wird danach aber entgegen landlaeufiger Meinung als Reaktion auf die Hoerstoerung im Zentralnervensystem und nicht im Ohr erzeugt (zentrale Tinnitusentstehung). Ort und Mechanismus der Hoerschaedigung, die den Tinnitus initiiert, sind also nicht identisch mit Ort und Mechanismus der Tinnitusentstehung. Diese Befunde sind geeignet, der Tinnitusforschung neue Impulse zu geben und das Augenmerk verstaerkt auf zentralnervoese Prozesse zu lenken. Sie sind auch ein Beispiel dafuer, wie die neurobiologische Grundlagenforschung zu klinisch relevanten Ergebnissen fuehren kann.

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Gerald Langner, Institut fuer Zoologie der TH Darmstadt, Tel. 06151/16 3605; Dr. Elisabeth Wallhaeusser-Franke, Tel. 06151/16 3005.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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