Neurotechnologisches Forschungsprojekt an Markteinfuehrung orientiert
Nach nur drei Jahren interdisziplinaerer Zusammenarbeit wird bald der weltweit erste Prototyp einer Sehprothese verfuegbar sein. Im Jahr 2001, so der Sprecher und Koordinator des straff organisierten Projekts, Prof. Dr. Rolf Eckmiller, Neuroinformatiker der Bonner Universitaet, soll die elektronische Netzhaut bereits bei Blinden implantiert werden koennen. Insgesamt 14 deutsche Wissenschaflergruppen, Informatiker, Technologen, Biologen und Mediziner arbeiten an diesem neurotechnologischen High-Tech-Produkt, mit dem sich Deutschland an der Weltspitze etablieren koennte.
Doch nicht nur mit ihrem Produkt, auch mit der Realisation des Projekts beschritten die Wissenschaftler Neuland: Sie hatten von Beginn an nicht nur den Forschungspart im Blick, sondern kalkulierten auch Kosten und Zeitplan bis zur Markteinfuehrung und arbeiteten eng mit Betroffenen und deren Organisationen zusammen. Rechnet man die Foerdermittel des Bundesforschungsministeriums und die Mittel aus der universitaeren Grundfinanzierung fuer einen Entwicklungszeitraum von zehn Jahren zusammen, so kommt man nur auf die Haelfte der benoetigten rund 60 Millionen. Was jetzt gebraucht wird, so Eckmiller, ist Risikokapital, um in die Phase der Produktentwicklung eintreten zu koennen. Patentanmeldungen, eine wichtige Voraussetzung fuer die Geldgeber, sind bereits im Gange. Darueber hinaus wurde konsequenterweise vor knapp zwei Wochen die gemeinnuetzige Stiftung Retina Implant gegruendet sowie eine Firma, die die kommerzielle Verwertung vorbereitet.
An Patienten, soviel ist klar, duerfte kein Mangel bestehen, leiden doch europaweit ca. 600.000 Menschen an unheilbaren Erkrankungen der Netzhaut wie Retinitis Pigmentosa oder Makula Degeneration. Bei diesen Erkrankungen kommt es zunaechst zu einem Verlust an Farb- und Kontrastwahrnehmung, Nachtblindheit, Einengung des Gesichtsfeldes bis zur voelligen Erblindung. Ursache dafuer ist, dass die lichtempfindlichen Zellen in der obersten Schicht des Netzhautgewebes verkuemmern. Sie liefern deshalb immer schlechtere Hell/Dunkel bzw. Farbinformationen an die dahinterliegenden Nervenzellen. Normalerweise werden die Informationen von dort in Form elektrischer Impulse an das Gehirn weitergeleitet und zur Wahrnehmung verarbeitet. Erhalten die Nervenzellen der Netzhaut nun keine sinnvollen Informationen, koennen sie auch keine Bildinformationen mehr weiterleiten - der Mensch erblindet.
Bei der Sehprothese nutzt man den Umstand, dass lediglich die lichtempfindlichen Zellen geschaedigt sind, waehrend der uebrige "Sehapparat" funktionsfaehig ist. Man entwickelte deshalb ein System, das sich in die komplexe Art der biologischen Informationsuebertragung einfuegt und die intakten Nervenzellen der Netzhaut biologisch adaequat stimuliert. Dazu uebertraegt eine Art intelligente Minikamera, die in einer Brille untergebracht ist, drahtlos Informationen an eine an der Netzhaut, der Retina, implantierte Mikrokontaktfolie. Diese sehr weiche und duenne Folie wird chirurgisch in die Zone der Nervenzellen am Netzhautausgang plaziert. Mit Hilfe dieser Sehprothese, Retina-Implantat plus "Aufnahmegeraet", werden Blinde zumindest groessere Gegenstaende wahrnehmen und alsGestalt erkennen koennen. Die Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von Gestaltwahrnehmung. Was auf den Normalsichtigen eher ernuechternd wirkt, bedeutet fuer die Betroffenen nach eigenen Aussagen einen Quantensprung, naemlich die Moeglichkeit, sich problemlos in unbekannter Umgebung orientieren zu koennen.
Neuroprothesen koennten kuenftig auch in anderen Faellen Hilfe und Entlastung fuer die Betroffenen bringen: Fuer Taube, deren aeusseres Hoersystem defekt ist oder in Form einer Greifprothese fuer Querschnittgelaehmte. Die Neurotechnologie, kurz die Anwendung von Informationstechnologie auf implantierbare intelligente Einheiten, ist eine noch junge, vor allem aber eine interdisziplinaere Wissenschaft. So waren bei der Entwicklung der Sehprothese neben der Informationsverarbeitung und -uebertragung auch Fragen der Implantation, der Befestigung der Kontaktfolie, der Wundheilung und Materialvertraeglichkeit zu klaeren.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Rolf Eckmiller, Tel.: 0228 - 73 44 22, e-mail: rolf.eckmiller@nero.uni-bonn.de, http://www.nero.uni-bonn.de/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Es wurden keine Arten angegeben
Deutsch
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