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16.12.2011 09:47

Die Unbekannten zwischen Promotion und Professur

Dr. Ute Schönfelder Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Friedrich-Schiller-Universität Jena analysiert erstmals umfassend die Situation von Postdocs

    Mehr als 2.000 Nachwuchswissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeiten derzeit an ihrer Promotion. Auch wenn ihr Weg manchmal mühsam ist und nicht immer gradlinig verläuft, sie alle eint ein Ziel: der Doktortitel. Schließlich ist mit dem Abschluss der Promotion eine entscheidende Etappe der wissenschaftlichen Karriere geschafft.

    Doch was kommt danach? Wie fühlen sich die Doktorinnen und Doktoren, wenn der Titel zwar erlangt, aber der weitere Karriereweg in Wissenschaft oder Wirtschaft unklar ist? Wer in der Wissenschaft bleiben will, lässt sich auf befristete Arbeitsverträge und eine kaum planbare Karriere ein. Und dies in einem Alter, in dem die biologische Uhr in Sachen Familiengründung unüberhörbar tickt.

    „Nach Abschluss der Promotion stecken viele Wissenschaftler an den Hochschulen in einer ambivalenten Situation“, sagt Prof. Dr. Erika Kothe von der Universität Jena. Einerseits seien die sogenannten Postdoktoranden, kurz Postdocs, für die Universitäten sehr wichtig, tragen sie doch einen erheblichen Anteil der Lehr- und Forschungsleistungen, erläutert die Prorektorin für den wissenschaftlichen Nachwuchs und Gleichstellung. „Andererseits sind sie in vielerlei Hinsicht auf sich allein gestellt.“ Dieses Einzelkämpferdasein werde jedoch den Karriereansprüchen der wenigsten Postdocs gerecht, ist Prof. Kothe überzeugt.

    Um die Interessen ihrer promovierten Nachwuchswissenschaftler künftig stärker zu berücksichtigen und sie bei ihrer wissenschaftlichen Weiterqualifikation unterstützen zu können, hat die Universität Jena die Postdocs jetzt bundesweit erstmals in den Mittelpunkt einer umfassenden Analyse gestellt: In einer universitätsweiten Befragung durch die Jenaer Graduierten-Akademie ist die Situation von Wissenschaftlern nach ihrer Promotion erfasst worden, um aus den Ergebnissen Empfehlungen ableiten zu können.

    Postdocs sind zunächst einmal eine sehr heterogene Gruppe, die lediglich der Doktortitel und die noch nicht erreichte Professur eint. Die Heterogenität dieser Gruppe spiegelt sich schon allein darin, dass die meisten der Befragten sich selbst mit dem wissenschaftlichen Status „Postdoc“ kaum identifizieren. Lediglich jeder zehnte Postdoc äußerte in der Jenaer Befragung eine starke Identifikation, ein Viertel hingegen verstand sich überhaupt nicht als Postdoc. Befragt nach ihren Berufs- und Lebenszielen steht für die Postdocs eine geistig herausfordernde, selbstbestimmte und kreative Tätigkeit an erster Stelle. Dicht dahinter folgen ein sicherer Arbeitsplatz und eine sichere berufliche Perspektive. Kinder und Zeit für die Familie sind ebenfalls wichtige Ziele der Jenaer Postdocs. Ein hohes Gehalt oder gesellschaftlicher Status spielten dagegen eine untergeordnete Rolle.

    Der Großteil der Postdocs an deutschen Universitäten hat einen befristeten Arbeitsvertrag. Das ist auch an der Universität Jena der Fall. „Befristete Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs sind in Wissenschaft und Forschung unverzichtbar, um die hohe Qualität des wissenschaftlichen Personals zu sichern. Sie unterstützen das Entstehen immer wieder neuer wissenschaftlicher Ideen und bieten gerade dem Nachwuchs Chancen, in der Forschung Fuß zu fassen“, macht Prof. Dr. Amélie Mummendey deutlich. Während ihrer Amtszeit als Prorektorin für die Graduierten-Akademie der Jenaer Universität ist der Bericht über die Situation der Postdocs erstellt worden. „Unsere Befragung zeigt aber auch, dass sich die überwiegende Mehrheit der Postdocs eine unbefristete Dauerstelle wünscht“, so Prof. Mummendey weiter. Die als wenig planbare Perspektive wahrgenommene befristete Anstellung verunsichere die Wissenschaftler mit zunehmender Dauer und veranlasse viele von ihnen dazu, etwa die Familiengründung immer weiter aufzuschieben. Es sei dringend notwendig, ganz intensiv eine Lösung zur Vereinbarung der jeweils berechtigten, aber auf den ersten Blick konträren Anliegen zu suchen.

    „Dieses Gefühl von Unsicherheit ist ein zentraler Aspekt, wenn es darum geht einzuschätzen, wie zufrieden die Postdocs mit ihrer Situation insgesamt sind“, sagt Prof. Kothe. Zwar zeige sich der überwiegende Teil der Befragten mit der Art und den Inhalten ihrer wissenschaftlichen Arbeit sehr zufrieden. Die mangelnde Arbeitsplatzsicherheit ist aber für einen Großteil von ihnen ein ernstes Problem. „Diejenigen Postdocs, die dennoch eine unbefristete Anstellung haben, sind in der Regel männlich“, nennt Prorektorin Erika Kothe ein weiteres Ergebnis der Jenaer Postdoc-Studie. Außerdem arbeiten weibliche Postdocs viermal häufiger auf Teilzeitstellen als ihre männlichen Kollegen. „Hier zeigt sich deutlich, dass bisherige Bemühungen um Chancengleichheit noch zu wenig effektiv sind“, so Kothe.

    Ein weiteres Problem sieht die Prorektorin darin, dass fast jeder zweite Befragte mit der erfahrenen Unterstützung unzufrieden ist. Zwar werde die zugestandene Autonomie im wissenschaftlichen Arbeiten von den meisten Postdocs hoch geschätzt und positiv bewertet. „Mit zunehmender Dauer der Postdoc-Zeit nimmt die Zufriedenheit aber deutlich ab“, sagt Erika Kothe. Zugleich beklagt ein Drittel der Postdocs ein Defizit an Kommunikation von Seiten des Betreuers oder Vorgesetzten, während sich auf der anderen Seite jeder Fünfte in den eigenen Entscheidungsspielräumen stark eingeschränkt fühlt.

    Basierend auf den differenzierten Befunden gibt der Bericht grundlegende Empfehlungen zur Bekämpfung der berufsbiographischen Unsicherheit, zur Verbesserung der Qualifizierungsbedingungen, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Chancengleichheit. „Ein ganz wichtiger Punkt ist es, den Postdocs klare Karriereperspektiven auch außerhalb der Hochschulen frühzeitig aufzuzeigen“, ist Prof. Kothe überzeugt. Neben einer individuellen Karriereberatung sollte dies durch ausreichende Möglichkeiten der wissenschaftlichen Weiterqualifizierung sowie ein Mentorensystem unterstützt werden. Zudem ist in Jena geplant, im jüngst gegründeten Haus für den wissenschaftlichen Nachwuchs den Postdocs der Friedrich-Schiller-Universität künftig eine zentrale Anlaufstelle einzurichten, in der sie Beratung und Information aus einer Hand finden.

    Die vollständige Studie „Analysen und Empfehlungen zur Situation von Postdoktorandinnen und Postdoktoranden an deutschen Universitäten und insbesondere an der Friedrich-Schiller-Universität Jena“ ist im Internet abrufbar unter: http://www.jga.uni-jena.de/dokumente/PostDocSurvey_web.pdf.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Erika Kothe
    Prorektorat für den wissenschaftlichen Nachwuchs und Gleichstellung der Universität Jena
    Graduierten-Akademie
    Jenergasse 8, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 930400
    E-Mail: graduierten.akademie[at]uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.jga.uni-jena.de/dokumente/PostDocSurvey_web.pdf
    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Die Prorektorin für wissenschaftlichen Nachwuchs und Gleichstellung der Universität Jena, Prof. Dr. Erika Kothe.
    Die Prorektorin für wissenschaftlichen Nachwuchs und Gleichstellung der Universität Jena, Prof. Dr. ...
    Foto: Jürgen Scheere/FSU
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    Während der Amtszeit von Prof. Dr. Amélie Mummendey als Prorektorin für die Graduierten-Akademie der Jenaer Universität ist der Bericht die Postdoc-Studie erstellt worden.
    Während der Amtszeit von Prof. Dr. Amélie Mummendey als Prorektorin für die Graduierten-Akademie der ...
    Foto: Anne Günther/FSU
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    fachunabhängig
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Die Prorektorin für wissenschaftlichen Nachwuchs und Gleichstellung der Universität Jena, Prof. Dr. Erika Kothe.


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    Während der Amtszeit von Prof. Dr. Amélie Mummendey als Prorektorin für die Graduierten-Akademie der Jenaer Universität ist der Bericht die Postdoc-Studie erstellt worden.


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