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09.09.1997 00:00

Der Evolution auf die Schliche gekommen

Dorothea Carr Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Tierzuchtwissenschaftler tagen am 10./11.9.97 in Bonn

    Der Evolution auf die Schliche gekommen Tierzuchtwissenschaftler tagen am 10./11.9.97 in Bonn

    Als der Benediktinermoench Gregor Mendel Mitte des letzten Jahrhunderts mit seinen Kreuzungsversuchen die moderne Vererbungslehre begruendete, hatte er als erster Mensch massiv und gezielt in die Evolution eingegriffen. Seitdem ist die Forschung auf diesem Gebiet rasant fortgeschritten: Genanalytik und Biotechnologie lauten die Reizworte. Dabei werden in der Humanmedizin laengst genmanipulierte Viren in der Tumortherapie eingesetzt oder auf biotechnischem Wege therapeutisch wirksame Proteine in der Kuhmilch erzeugt. Bei gentechnisch veraenderten Lebensmitteln oder erst recht in der Tierzucht, tut sich der Verbraucher dagegen schwer. Dabei wird die Genanalytik, so Prof. Dr. Karl Schellander, Inhaber des Lehrstuhls Tierzucht und Tierhaltung der Bonner Universitaet, bald schon Grundlage der Tierzucht und die Biotechnologie zum unabdingbaren Hilfsmittel werden. Folglich befasst man sich dort nicht nur mit den "klassischen" Methoden der Tierzucht und -haltung, sondern auch mit Genanalytik sowie den Chancen und Grenzen der Biotechnologie.

    Ziel all dieser Forschung ist es letztendlich, krankheitsresistentere Tiere, eine gesuendere Milch oder eine gesteigerte Fruchtbarkeit bei den Tieren zu erhalten. Mit klassischer Zuechtung sind diese Ziele nicht zu erreichen, da beispielsweise die Milchleistung von einer Vielzahl von Genen und Umweltfaktoren beeinflusst wird. Die klassische Tierzucht hat es zwar in den letzten Jahrzehnten ueber statistische Modelle geschafft, vom phaenotypischen Erscheinungsbild der Tiere her den genetischen Anteil bestimmter Merkmale sehr genau zu schaetzen und so eine allgemein anerkannte "Zuchtwertschaetzung" zu etablieren. Da jedoch bei "normaler" Vermehrung, die schon seit Jahrzehnten praktisch ausschliesslich ueber kuenstliche Befruchtung geschieht, die Gene neu gemischt werden, erhaelt man nie das gewuenschte Zuchtergebnis.

    Bei der Genanalytik konnten aus der humanmedizinischen Forschung wichtige Ergebnisse uebernommen werden: Da weite Teile der DNA bei Saeugetieren und Menschen sehr aehnlich sind, konnten aus diesen Analogien Rueckschluesse auf die Funktion einzelner Gene bei Tieren gezogen werden. Die Erkenntnisse bestaetigten sich spaeter in der Zucht.

    Doch warum Jahre der Entwicklung warten, um dann festzustellen, dass das Zuchtziel nicht erreicht wurde? Folgerichtig ging man im naechsten Schritt dazu ueber, bereits die fruehen Embryonen genetisch zu untersuchen. (Zur Bestimmung des Geschlechts geschieht dies bereits seit Jahren.) Das Verfahren ist besonders geeignet, da embryonale Prozesse bis zum 7. Entwicklungstag ins Labor verlagert werden koennen. Die so erzeugten Embryoen werden dann in das Muttertier verpflanzt.

    Im Zuge dieses Embryonentransfers kamen die Bonner Wissenschaftler sozusagen per Zufall auf die Spuren eines anderen Problems bei Rindern, das vielen Zuechtern zu schaffen macht: Trotz Befruchtung der Eizelle nisten sich - insbesondere bei Tieren mit schlechter Fruchtbarkeit - oft nur 30 Prozent der Embryonen ein und entwickeln sich zum Kalb. Pflanzte man den Muttertieren aber zusaetzlich Plazentazellen ein, die im Labor erzeugt wurden, brachten praktisch alle Kuehe gesunde Kaelber zur Welt. Die normal sehr hohe embryonale Sterblichkeit konnte auf diese Weise deutlich reduziert werden. Naehere Untersuchungen zeigten, dass es nur dann zu einer normalen Schwangerschaft kommt, wenn die Kommunikation zwischen Embryo- und Plazentazellen funktioniert. Werden bestimmte Proteine, die dem Koerper des Muttertieres eine Schwangerschaft mitteilen, nicht oder in nicht ausreichendem Masse produziert, stirbt der Embryo ab. Durch die zusaetzliche Gabe von Plazentazellen konnte offenbar der entsprechende Stimulus ausgeloest werden. Warum sollte sich aus diesem Ansatz nicht in den naechsten Jahren auch eine humanmedizinische Konsequenz ergeben und damit eine Hoffnung fuer Paare, deren Kinderwunsch bisher unerfuellt blieb?

    Einen guten Einblick ueber den gegenwaertigen Stand herkoemmlicher und neuerer Techniken kann man auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft fuer Zuechtungskunde e.V. und der Gesellschaft fuer Tierzuchtwissenschaft, die vom 10. bis 11. September in Bonn abgehalten wird, erhalten. Auch Tierzuchtwissenschaftler der Bonner Universitaet werden ueber ihre Arbeit referieren.

    Ansprechpartner: Prof. Dr. K. Schellander, Tel.: 0228 - 732240


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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