idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
19.01.2012 12:21

Die Brücke am Eisernen Vorhang

Stephan Laudien Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Historiker der Universität Jena beschreibt in neuem Buch eine Autobahnbrücke als Symbolort der deutschen Teilung

    Ein gelungener Brückenschlag ist ein Bild von hoher Symbolkraft. Dumm nur, wenn quer über die Brücke der Eiserne Vorhang verläuft. So war es auf der A9 bei Hirschberg oder Rudolphstein – je nachdem, von welcher Seite man sich dem Bauwerk näherte. Dem Verkehr übergeben wurde die Brücke im Zuge des Autobahnbaus 1936. Sie sollte „Gaue verbinden und die deutsche Volksgemeinschaft stärken“. Imposant erstreckte sich das 288 Meter lange Bauwerk mit acht großen Bögen über das Tal und die Saale, bis die Wehrmacht 1945 zwei der Bögen sprengte.

    „In den 1950er Jahren war diese Brücke ein Symbolbild für die deutsche Teilung, so wie es später die Berliner Mauer wurde“, sagt Dr. Axel Doßmann. Der Historiker von der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat ein Buch geschrieben: „An der innerdeutschen Grenze. Die Saalebrücke auf der Autobahn Berlin-München 1936-2006“.

    Doßmann erzählt und zeigt entlang der Bildpolitik die spannende Geschichte der deutschen Teilung – fokussiert auf die Saalebrücke am Grenzübergang Hirschberg/Rudolphstein. Nach 1945 lagen die Trümmer der beiden Bögen fotogen im Niemandsland an der Saale, die als Grenzfluss zwischen Bayern und Thüringen diente. Die Ruinenfotos wurden im Westen zum Sinnbild des geteilten Deutschlands. Dramatisch wurde die Situation an der Brücke, nachdem 1964 eine Vereinbarung über ihren Wiederaufbau unterzeichnet worden war. Bezahlt vom Westen, gingen ostdeutsche Bauleute daran, die Brücke wiederzuerrichten. Um den Bauleuten die Flucht zu verwehren und Konfrontationen an der Baustelle auszuschließen, errichtete die westdeutsche Seite im Auftrag der DDR einen Bauzaun, hoch und blicksicher. Weil der auf der westdeutschen Seite stand, löste er in den Zeitungen der Bundesrepublik einen Sturm der Entrüstung aus. „Von einem möglichen Verstoß gegen das Grundgesetz war im Bundestag die Rede, sogar von einer Berliner Mauer auf westdeutschem Boden wurde gesprochen“, sagt Axel Doßmann. Das Gerangel um den Brückenbau hatte noch einen weiteren Hintergrund: Von DDR-Seite aus wurde alles versucht, in den Vertragsverhandlungen die Anerkennung des Staates zu erreichen. „Das Ziel waren Verhandlungen auf Augenhöhe“, erläutert Doßmann.

    Kurios wurde schließlich die Einweihungsfeier, nachdem die Brücke wieder hergestellt worden war. Die westdeutsche Seite hatte eine kleine Feier vorgeschlagen, bei der die Bauleute traditionsgemäß als erste über die Brücke fahren sollten. Doch wohin hätten die fahren sollen: von Ost nach West oder von West nach Ost? Letztlich fiel die Feier aus. Als der West-Berliner Oberbürgermeister Heinrich Albertz am 19. Dezember 1966 schließlich als Erster über die Brücke fuhr, sahen das auf der anderen Seite lediglich zwei NVA-Offiziere und ein paar Journalisten.

    Im Zuge der Entspannungspolitik stilisierten westdeutsche Publikationen das Bild der wiederhergestellten Brücke zum Symbol des Wandels und der Annäherung. 2006 erhielt die Saalebrücke einen neuen Namen: „Brücke der Deutschen Einheit.“ – Doßmanns Essay macht bewusst, dass die Geschichte der Brücke weit komplexer ist, als es diese Widmung suggeriert. Das zeigen bis heute nicht zuletzt die Spuren eines 1936 gemauerten Hakenkreuzes im seitlichen Mauerwerk der Brücke.

    Bibliografische Informationen:
    Axel Doßmann: An der innerdeutschen Grenze. Die Saalebrücke auf der Autobahn Berlin-München 1936-2006, Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt 2012, 88 Seiten, ISBN 978-3-937967-83-7.

    Der Band ist zu beziehen über die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Regierungsstraße 73, 99084 Erfurt, http://www.lzt.thueringen.de

    Kontakt:
    Dr. Axel Doßmann
    Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Fürstengraben 13, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 944483
    E-Mail: axel.dossmann[at]uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Im Niemandsland an der Grenze lagen die Trümmer der Saalebrücke. Seit 1966 verbindet sie Ost und West wieder.
    Im Niemandsland an der Grenze lagen die Trümmer der Saalebrücke. Seit 1966 verbindet sie Ost und Wes ...
    Foto: Sammlung Doßmann
    None

    Cover des Buches.
    Cover des Buches.

    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Im Niemandsland an der Grenze lagen die Trümmer der Saalebrücke. Seit 1966 verbindet sie Ost und West wieder.


    Zum Download

    x

    Cover des Buches.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).