Nr. 35, 29. April 1998
Wie "intelligente" Beschichtungen Energie sparen helfen
Der Schwachpunkt in der Wärmeisolierung eines Hauses sind die Fenster, durch die im Winter viel Wärmestrahlung verloren geht. Im Sommer dagegen sorgen die Fenster für einen uner-wünschten Treibhauseffekt, weil sie zuviel Wärmestrahlung ins Haus lassen. Vor allem in Hochhäusern muß dann für die Klimaanlagen viel Energie aufgewendet werden, um die Wärme wieder aus dem Gebäude zu schaffen. Es müßte ein Fensterglas geben, das "mitdenkt", also im Winter die Wärmestrahlung hereinläßt und im Sommer aussperrt. Und tatsächlich gibt es ein Material - Vanadiumdioxid -, das nicht nur im Bereich der sichtbaren Strahlung einigermaßen transparent ist, sondern auch bei kalten Umgebungstemperaturen die Wärmestrahlung durchläßt, bei Hitze dagegen nicht. Am I. Physikalischen Institut der Universität Gießen wird in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Bruno K. Meyer dieses Material als Beschichtung für Fensterglas erforscht ("Spiegel der Forschung", Nr. 1/98, S. 97-103).
Die Temperatur, bei der Kristalle von Vanadiumdioxid zwischen den beiden Zuständen hin- und herschalten, liegt bei 68 Grad Celsius. Die Gießener Physiker verfolgen das Ziel, die Schalttempera-tur von Beschichtungen für Fensterglas zu Raumtemperaturen hin zu verschieben. Bis heute ist im Detail nicht verstanden, was bei diesem Übergang in Vanadiumdioxid-Kristallen geschieht. Seitdem 1985 der Forscher Granqvist zum ersten Mal vorschlug, "intelligente" Gläser mit Vanadiumdioxid zu beschichten, sind solche Schichten mit verschiedenen Verfahren hergestellt worden: Zerstäuben, Aufdampfen oder Abscheiden aus der Gasphase. Als entscheidend stellt sich die Temperatur heraus, bei der beschichtet wird. Je höher sie gewählt wird, desto größer werden die kleinen Kristalle in den Schichten und umso besser ihr Schaltverhalten. Da aber bei der Fensterglasherstellung nicht mehr als 500 Grad Celsius erreicht wird, setzt der Produktionsprozeß hier eine obere Grenze.
In keinem Fall ist es jedoch bisher gelungen, Schichten abzuscheiden, die bei gutem Schaltver-halten hinreichend durchsichtig im sichtbaren Bereich sind. 100 Nanometer dicke Schichten mit gutem Schaltverhalten lassen im sichtbaren Bereich nur etwa 40 Prozent der Strahlung durch. Zum Vergleich: Bei konventionell beschichteten Sonnenschutzgläser sind es 70 bis 80 Prozent der sichtbaren Strahlung, die durchkommen. Durch eine Verringerung der Schichtdicke auf 65 Nanometer werden die Schichten noch etwas durchsichtiger, vor allem auch für die wichtige kurzwellige Strahlung.
Sind Vanadiumdioxid-Schichten trotz ihres großen Potentials ein aussichtsloser Fall für Fensterbeschichtungen? Die Gießener Forscher glauben das nicht. Zusätzlich läßt sich nämlich auf das Glas noch eine Antireflexbeschichtung aufbringen, wie sie von Brillen her bekannt ist. Weil sie Reflexionen reduziert, erhöht sie gleichzeitig die Durchsichtigkeit. Glaubt man Computersimulationen, dann müßte eine zusätzliche Antireflexbeschichtung die Transparenz im sichtbaren Bereich um 60 Prozent verbessern. Die Ergebnisse aus dem Computer müssen jetzt noch experimentell überprüft werden, wozu umfangreiche Untersuchungen notwendig sind. Auch müßten die Beschichtungen an unterschiedliche klimatische Verhältnisse angepaßt werden. Alle diese anwendungsorientierten Optimierungen können nicht mehr Aufgabe eines Universitäts-Instituts alleine sein. Sinnvoll wäre es, diese Fensterglasbeschichtungen zusammen mit einem industriellen Anwender weiterzuentwickeln.
Kontaktadresse: Prof. Dr. Bruno K. Meyer, I. Physikalisches Institut Heinrich-Buff-Ring 16, 35392 Gießen, Telefon (0641) 99-33100, Telefax (0641) 99-33109
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Mathematik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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