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24.02.2012 16:45

Solarindustrie gefährdet – die erneute Absenkung der Photovoltaikförderung muss korrigiert werden

Karin Schneider Presse und Public Relations
Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE

    Mit der am 23. Februar 2012 von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) verkündeten zusätzlichen Absenkung der Photovoltaikeinspeisevergütung um 20 bis 30 Prozent zum 9. März 2012 überfordert die Bundesregierung die Solarbranche.

    »Die Entwicklung der Photovoltaiktechnologie, der Aufbau der Solarindustrie und die Markteinführung der Photovoltaik in Deutschland waren bislang eine große Erfolgsgeschichte«, so Professor Eicke R. Weber, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg, dem europaweit größten Solarforschungsinstitut. »Die geplante drastische zusätzliche Absenkung der Einspeisevergütung gefährdet diesen auch international beachteten Erfolg ernsthaft und sollte deshalb dringend überdacht werden«, so Weber. »Die Minister Röttgen und Rösler wünschen zwar einen weiteren Ausbau der Photovoltaik, dieser ist jedoch mit der jetzt geplanten Regelung nicht mehr möglich. Als Folge drohen Firmenschließungen und ein erheblicher Arbeitsplatzabbau. Und ohne starke produzierende Photovoltaikunternehmen in Deutschland wird es auch für die hiesige Solarforschung sehr schwer, ihren internationalen Spitzenplatz langfristig zu verteidigen. Wir appellieren deshalb an die Bundesregierung, diesen Schritt nochmals zu überdenken«, so Weber.

    Nachdem die Photovoltaikbranche ihre Preise innerhalb von sechs Jahren bereits um 58 Prozent abgesenkt hatte, ist es aus Sicht des Fraunhofer ISE ausgeschlossen, innerhalb weniger Monate die Preise nochmals um 32 bis 40 Prozent zu reduzieren, denn diese Werte ergeben sich, wenn die bereits zum 1. Januar dieses Jahres erfolgte Absenkung um 15 Prozent eingerechnet wird. Da die Vergütung wesentlich stärker reduziert werden soll als die möglichen Fortschritte bei der Kostensenkung durch Forschung und Industrie, müssten die Unternehmen die Anlagen sogar unter den Herstellkosten verkaufen. Anderenfalls wäre die Investition in Photovoltaikanlagen nicht mehr attraktiv.

    »Die daraus resultierende Schließung innovativer Unternehmen kann nur schwer wieder rückgängig gemacht werden, denn damit gingen mühsam aufgebaute Strukturen verloren«, so Weber. Erste Anzeichen für einen Rückzug der Produktion aus Deutschland gibt es bereits, so hat das Unternehmen Schott Solar seine Solarzellenproduktion in Alzenau Ende 2011 geschlossen und produziert nur noch Solarmodule im Ausland.

    Verständlich ist, dass sich die Politik wegen des unerwartet starken Marktwachstums der Photovoltaik um 7,4 Gigawatt im Jahr 2010 und 7,5 GW im Jahr 2011 zum Handeln gezwungen sah. Aus Sicht des Fraunhofer ISE stellt der nun publik gewordene Vorschlag jedoch eine erhebliche Überreaktion dar, die aus einer falschen Interpretation der Marktentwicklung resultiert. »Die hohen Installationszahlen im Jahr 2011 sind kein Signal der Stärke, sondern der Schwäche der Solarbranche«, so Weber. Denn aufgrund einer weltweiten Überproduktion von Photovoltaikmodulen mussten nach Einschätzung des Fraunhofer ISE Ende 2011 viele Unternehmen ihre Solarstrommodule quasi zu Schleuderpreisen abgeben. Daraufhin kam es zu einer Rekordinstallation von Solarstrommodulen im Dezember 2011 von etwa 3 Gigawatt. Die Quartalsverluste der börsennotierten großen chinesischen Photovoltaikproduzenten untermauern diese Sichtweise. »Die Interpretation, dass die Branche hochprofitabel ist und weitere große Preissenkungsschritte möglich sind, ist daher falsch«, so Weber. Nachdem die Preise mehrere Jahre über dem Langfristtrend der Lernkurve lagen, liegen sie jetzt eindeutig darunter. Die Photovoltaik weist auf Basis einer jahrzehntelangen Beobachtung eine Lernrate von etwa 20 Prozent bei Verdopplung der installierten Leistung auf. Eine weitere Beschleunigung der Kostensenkungsfortschritte ist nicht möglich.

    Die Verantwortung der Politik, einerseits die Zusatzkosten für die Stromverbraucher durch die Umlage der Einspeisevergütung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu beschränken und andererseits den Ausbau der Photovoltaik in Grenzen zu halten, um die Integration der Photovoltaik in das Stromsystem reibungslos zu ermöglichen, wird vom Fraunhofer ISE anerkannt. Allerdings muss dabei auch gewürdigt werden, dass die Umlagekosten von 1,78 Cent pro Kilowattstunde für Solarstrom und 3,59 Cent für alle Erneuerbare Energien bereits durch die vorhandenen Anlagen verursacht sind und nicht mehr verändert werden können. Da die Vergütung für neue Anlagen deutlich niedriger ausfällt und das Marktvolumen in der Photovoltaik sinkt, geht das Fraunhofer ISE auch ohne diese Zusatzabsenkungen von einer stabilen EEG-Umlage aus, da künftig auch steigende Preise an der Strombörse zu erwarten sind.

    Das Fraunhofer ISE betrachtet die Photovoltaik weiterhin als einen unverzichtbaren Baustein der dringend erforderlichen Energiewende, weshalb die nun geplante starke Absenkung einen schweren Rückschlag bedeuten würde.


    Weitere Informationen:

    http://www.ise.fraunhofer.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Energie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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