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12.07.1996 00:00

Erschütterungen in Bauwerken vermeiden

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Bochum, 12.07.1996 Nr. 132

    Bevor die Waende wackeln

    Wie man Erschuetterungen berechnet und vermeidet

    Bochumer Bauigenieur in Karlsruhe ausgezeichnet

    Faehrt ein Brummi nebenan vorbei, schuettelt sich manches Mal selbst der Computer im sechsten Stock. Nicht nur Erdbeben lassen also Haeuser erzittern und Scheiben erklirren. Um solche und aehnliche Baugrunderschuetterungen zuverlaessig vorauszuberechnen und vor der Errichtung das Bauwerk so zu planen, dass sie deutlich verringert werden, hat der Bochumer Bauingenieur Dr.-Ing. Nawawi Chouw zwei Verfahren entwickelt und in seiner Dissertation ,Berechnung von Tragwerkschwingungen unter Beruecksichtigung des dynamischen UEbertragungsverhaltens des Baugrunds" beschrieben. Fuer diese von Prof. Dr. Guenther Schmid (Theorie der Tragwerke und Simulationstechnik, Fakultaet fuer Bauingenieurwesen der RUB) betreute Untersuchung erhielt Dr.-Ing. Chouw kuerzlich den mit 5.000 DM dotierten Preis der Prof.-Dr. Fritz Peter Mueller-Stiftung fuer hervorragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Baudynamik.

    Vom Wind und Explosionen erschuettert

    Erschuetterungen von Bauwerken koennen durch Maschinen in den Bauwerken selbst oder durch Wind, Luftdruckwellen bei Explosion und auch ueber das Fundament durch Bodenwellen hervorgerufen werden. Haeufige Ursachen von Baugrunderschuetterungen sind der Strassen- und Schienenverkehr und die bei Bauarbeiten dem Boden zugefuehrte Energie, etwa durch Ruettelwalzen zur Bodenverdichtung oder durch das Einrammen von Pfaehlen zur Errichtung eines Gebaeudes auf einem schlecht tragenden Baugrund. Auch Erschuetterungsquellen in Nachbargebaeuden oder ein Naturereignis wie Erdbeben koennen Bodenwellen verursachen.

    Starr gelagert haelt unerschuetterlich

    Bei der Berechnung von Bauwerkbeanspruchungen und -schwingungen geht man haeufig von einem starr gelagerten Bauwerk aus, als ob es in einem sehr steifen Baugrund fest gegruendet waere. Das ist selten, denn ein Baugrund gibt gewoehnlich nach. Darum schwingen Bauwerke ohne feste Lagerung laenger und staerker. Waehrend ein Bauwerk schwingt, breiten sich von seinem Fundament Wellen im Boden aus und tragen einen Teil der Schwingungsenergie fort. Das Bauwerk erfaehrt auf diese Weise eine Daempfung, zusaetzlich zu der Daempfung durch das Bodenmaterial. Ein Bauwerk mit solchem Baugrund hat daher andere Eigenschaften als ein Bauwerk mit der angenommenen festen Lagerung. Ausserdem: Bauwerke stehen gewoehnlich nicht allein.

    Fuer sicheres und wirtschaftlicheres Bauen

    Mit dem von Dr.-Ing. Chouw entwickelten numerischen Verfahren kann man erstmals die Wirkung von Stoessen zwischen benachbarten Gebaeuden bei einem starken Erdbeben untersuchen. Dabei wird nicht nur die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Bauwerken mit dem Baugrund sondern auch die Wechselwirkung zwischen den Gebaeuden durch den gemeinsamen Baugrund beruecksichtigt. Indem das Verfahren das dynamische Baugrundverhaltens beruecksichtigt, ist nunmehr ein sichereres und wirtschaftlicheres Bauen moeglich, weil man die Bauwerkbeanspruchungen realistischer ermitteln kann.

    Wie Erschuetterungen vermieden werden

    Gleichzeitig hat der Bochumer Bauingenieur ein Verfahren entwickelt, mit dem sich uebermaessige Anregungen von Bauwerken durch Bodenerschuetterungen vermeiden lassen. Es nutzt das Wissen um die dynamische Eigenschaft einer Bodenschicht ueber einem Grundgebirge: In bestimmten Faellen werden keine Erschuetterungen uebertragen. Voraussetzung dafuer ist, dass die Bodenwellen eine bestimmte Grenzfrequenz nicht ueberschreiten oder dass das Grundgebirge nicht zu tief liegt.

    Einbaukoerper veraendert Dynamik

    In der Natur hat ein Baugrund nicht immer ein Grundgebirge, oder es liegt nicht in der gewuenschten Tiefe. Um dennoch ein aehnliches Bodenverhalten hervorzurufen, wird ein Koerper aus steifem Material mit ausreichenden Ausdehnungen in einer bestimmten Tiefe eingebaut. Der Einbaukoerper veraendert die dynamische UEbertragungseigenschaft des oertlichen Baugrunds. Liegt er unter einer Erschuetterungsquelle, wie z. B. einem Maschinenfundament, wird das Auslaufen von Bodenerschuetterungen in die Umgebung behindert und zusaetzlich koennen die Maschinenschwingungen durch den steiferen Baugrund reduziert werden. Befindet sich der Einbaukoerper unter einem Tragwerk, wird das Einlaufen von eintreffenden Bodenwellen in das Gebiet ueber ihm behindert. Da sich der Einbaukoerper durch die Anregung von Bodenwellen bewegt, kann er das Aus- und Einlaufen von Bodenerschuetterungen nicht ganz verhindern. Je weniger der Einbaukoerper nachgibt, desto wirksamer ist er.

    In Berlin und Japan erprobt

    Ergebnisse von Freifeldversuchen an Oberflaechenfundamenten in Berlin und in Japan haben die Wirksamkeit eines Einbaukoerpers zur Reduzierung von harmonischen Bodenwellen bestaetigt. Fuer Forschungszwecke wurde das Reduzierungsverfahren bereits in Japan an einem neuen Buerogebaeude und einem neuen Wohnhaus angewandt. Zur Zeit ist die Anwendung an einer Strecke der Hochgeschwindigkeitszuege Shinkansen in Japan in Vorbereitung.

    Erschuetterungsfreiheit auch in Montreal

    Der andere Weg ueber die Grenzfrequenz wurde in Kanada untersucht. Die experimentell ermittelte Grenzfrequenz wurde mit der Frequenz der vorherrschenden Bodenerschuetterungen verglichen. In den untersuchten Stadtteilen von Montreal erwiesen sich die Busse als Hauptquelle der Bodenerschuetterungen. Es wurde vorgeschlagen, ihre dynamischen Eigenschaften zu veraendern.

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. Guenther Schmid, Ruhr-Universitaet Bochum, Fakultaet fuer Bauingenieurwesen, 44780 Bochum, Tel. 0234/700-5030, -6141, Fax: 0234/7094-463; email: schmid@sim.bi.ruhr-uni-bochum.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Bauwesen / Architektur, Geowissenschaften, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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