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24.05.2002 12:33

Resolution zu PISA: Fördermaßnahmen für Kinder mit Migrationshintergrund nicht als Sondermaßnahmen

Monika Roegge Pressestelle Standort Essen
Universität Essen (bis 31.12.2002)

    In einem offenen Brief haben die Mitglieder des Instituts für Migrationsforschung, Interkulturelle Pädagogik und Zweitsprachendidaktik (IMAZ) der Universität Essen zur PISA-Studie und dem bildungspolitischen Umgang mit ihren Ergebnissen Stellung genommen. Die Resolution wird von zahlreichen Wissenschaftlern und Instituten anderer Hochschulen in ganz Deutschland unterstützt. Sie hat folgenden - leicht gekürzten - Wortlaut:

    In der öffentlichen Diskussion als Reaktion auf PISA wird oft der Eindruck geweckt, dass das schlechte Abschneiden Deutschlands im internationalen Vergleich ursächlich mit dem hohen Anteil an Migrantenkindern in den Schulen in Deutschland zusammenhänge. Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund werden in der Diskussion nicht als selbstverständlicher Teil der Gesamtschülerschaft, sondern als "Störfaktor" der schulischen Normalität behandelt. Faktisch aber lassen die PISA-Ergebnisse diese Interpretation keineswegs zu.

    In dem am 5./6. Dezember 2001 in ihrer 296. Plenarsitzung vorgelegten "Maßnahmenkatalog" der KMK zur Verbesserung der schulischen Bildung in Deutschland entsteht der Eindruck, als ob mit speziellen Fördermaßnahmen für einzelne Schülergruppen wichtige bildungspolitische Probleme Deutschlands gelöst werden könnten.

    Wir begrüßen, dass die KMK dem Problem der Bildungsbenachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund mehr Aufmerksamkeit zuwendet. Wir unterstützen insbesondere, dass dabei die große Bedeutung des bislang vernachlässigten vorschulischen Bereichs ins Blickfeld kommt. Bei den anstehenden Reformanstrengungen sollten jedoch vorliegende wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden.

    Sprachliche Bildung und Erziehung muss sich orientieren an den besonderen Zugangsweisen zur Sprachaneignung und zum Lernen, die Kinder je nach Lebensalter haben. Und es ist notwendig, dass bei zwei- oder mehrsprachig aufwachsenden Kindern auf ihre spezifischen Spracherfahrungen Rücksicht genommen wird.

    Fördermaßnahmen für Kinder mit Migrationshintergrund sind notwendig. Sie sind aber abzulehnen als "Sonder- und Randmaßnahmen". Statt dessen sollten sie integraler Bestandteil von Schule und Unterricht sein.

    Weder in der PISA-Studie noch in den Reaktionen darauf wird auf die Mehrsprachigkeit von Migrantenkindern als Teil ihrer interkulturellen Handlungsfähigkeit eingegangen. Sprachkenntnisse werden ausschließlich als Deutsch-Kenntnisse betrachtet. Es fehlt die Erweiterung des Blicks auf die Ressourcen, die mit Mehrsprachigkeit für die multikulturelle deutsche Gesellschaft verbunden sind - man denke nur an die bildungspolitischen Bekenntnisse zur Förderung der Mehrsprachigkeit in Europa.

    Die PISA-Befunde lassen erkennen, dass es in der Lehrer- und Erzieherausbildung, der Curriculumentwicklung und der Praxis des Unterrichts (insbesondere im Deutschunterricht) beträchtlichen Nachholbedarf gibt, das Lehren und Lernen in mehrsprachigen Lerngruppen so erfolgreich wie möglich für alle Beteiligten zu gestalten. Angesichts des Faktums, dass etwa ein Drittel der deutschen Schülerschaft einen Migrationshintergrund besitzt, ist sprachlich-kulturelle Pluralität kein Ausnahmefall, sondern die Regel in der deutschen Schule.

    Essen, den 13. Mai 2002

    Vorgelegt vom Institut für Migrationsforschung,
    Interkulturelle Pädagogik und Zweitsprachendidaktik (IMAZ)
    Universität Essen
    Fachbereiche 1 bis 3
    Universitätsstr. 11, 45117 Essen
    Unterstützt wird diese Resolution von folgenden Personen und Instituten:

    Herr Prof. Dr. Georg Auernheimer
    Universität zu Köln
    Erziehungswissenschaftliche Fakultät
    Seminar für Pädagogik, Abt. Allgemeine Pädagogik
    Albertus-Magnus-Platz
    40923 Köln

    Herr Prof. Dr. Klaus J. Bade
    Institut für Migrationsforschung
    und Interkulturelle Studien (IMIS)
    der Universität Osnabrück
    Neuer Graben 19/21
    49069 Osnabrück

    Herr Prof. Dr. Klaus F. Geiger
    Universität Kassel
    Fachbereich 5
    Gesellschaftswissenschaften
    Nora-Platiel-Str. 1
    34127 Kassel

    Frau Prof. Dr. Ingrid Gogolin
    Herr Prof. Dr. Hans-Joachim Roth
    Universität Hamburg
    Fachbereich Erziehungswissenschaft
    Institut für international und interkulturell
    Vergleichende Erziehungswissenschaft
    Von-Melle-Park 8
    20146 Hamburg

    Herr Prof. Dr. Alfred Holzbrecher
    Pädagogische Hochschule Freiburg
    Institut für Erziehungswissenschaft I
    Kunzenweg 21
    79119 Freiburg

    Institut für Bildung und Kommunikation
    in Migrationsprozessen (IBKM)
    Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
    Ammerländer Herrstr. 114-118
    26129 Oldenburg

    Frau Prof. Dr. Marianne Krüger-Potratz
    Arbeitsstelle Interkulturelle Pädagogik
    Universität Münster
    Corrensstr. 24
    48149 Münster

    Herr Prof. Dr. Klaus Liebe-Harkort
    Universität Bremen
    Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften
    Studiengang Deutsch als Zweit- und Fremdsprache
    Bibliothekstraße
    28359 Bremen

    Herr Prof. Dr. Dieter Oberndörfer
    Arnold-Bergsträsser-Institut
    Windaustr. 16
    79110 Freiburg i. Br.

    Herr Prof. Dr. Hans H. Reich
    Universität Koblenz-Landau
    Abteilung Landau
    Studienbereich Deutsch als Fremdsprache
    Marktstr. 46
    76829 Landau/Pfalz

    Redaktion: Monika Rögge, Telefon (02 01) 1 83 - 20 85

    Universität Essen, Pressestelle, 45117 Essen
    Telefon: (02 01) 1 83-20 88 - Telefax: (02 01) 1 83 - 30 08
    e-mail: pressestelle@uni-essen.de - Internet: http://www.uni-essen.de/pressestelle
    Besucheranschrift: Universitätsstraße 2, 45141 Essen, Gebäude T01, 6. Etage, Raum B13
    Verantwortlich: Monika Rögge, Telefon: (02 01) 1 83 - 20 85


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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