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03.06.2002 08:49

Expertenkommission für Transparenz und Sicherheit im Off-Label-Use

Dipl.-Biol. Jasmin Andresh Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Krebsgesellschaft e. V.

    In der Onkologie werden - wie auch in vielen anderen medizinischen Fachgebieten - seit langem Arzneimittel standardgemäß außerhalb der zugelassenen Indikation eingesetzt. Für eine kurzfristige Regelung dieser sogenannten Off-Label-Therapie in ihrer aktuellen Auseinandersetzung zwischen Ärzten und Krankenkassen könnte der Einsatz einer wissenschaftlichen Bewertungskommission geeignet sein. Auf Drängen der Deutschen Krebsgesellschaft gemeinsam mit anderen onkologischen Fachgesellschaften hat das Bundesministerium für Gesundheit am 30. April der Einrichtung einer derartigen Kommission grundsätzlich zugestimmt. Derzeit erarbeiten die verschiedenen Interessengruppen ihre Vorstellungen einer möglichen Zusammensetzung und Arbeitsweise der Expertenkommission.

    Der zulassungsüberschreitende Einsatz von Arzneimitteln insbesondere in der Versorgung krebskranker Patienten entspricht nicht nur der gängigen Praxis auch in vielen anderen Staaten, sondern ist zugleich notwendig, um eine dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung zu ermöglichen. Die arzneimittelrechtliche Zulassung kann zwar ein Indiz für den Erkenntnisstand sein, beschreibt diesen jedoch nicht abschließend. Besonders deutlich wird dies im Bereich der Kinderonkologie, in dem 90% der medikamentösen Therapien ohne entsprechende Zulassung, aber gemäß wissenschaftlicher Erkenntnis verordnet werden. Für den pharmazeutischen Hersteller besteht trotz Hinweisen auf einen therapeutischen Nutzen seines Arzneimittels außerhalb der bisherigen Indikation oftmals kein wirtschaftlicher Anreiz, eine Erweiterung der Zulassung zu beantragen.

    Der behandelnde Arzt begibt sich mit der Off-Label-Therapie in jedem Fall in eine rechtliche Grauzone, in der er auch unter Regressgefahr steht. In einem Grundsatzurteil vom 19. März 2002 hat das Bundessozialgericht aktuell entschieden, dass ein Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur in dem Anwendungsgebiet verordnet werden kann, auf das sich seine Zulassung erstreckt. Ausnahmen hiervon sollen nur möglich sein, wenn es sich um eine schwerwiegende Erkrankung handelt, bei der keine andere Therapie verfügbar ist und Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) zu erzielen ist. Damit bleibt es dem einzelnen Arzt überlassen, das Medikament - oftmals ohne ausreichende pharmakologische Kenntnisse - in eigener Verantwortung und mit dem Risiko der Haftung außerhalb der Zulassung anzuwenden.

    Es liegt auf der Hand, dass unter Geltung dieser Rahmenbedingungen die medizinische Versorgung der Patienten stark beeinträchtigt wird. Die Deutsche Krebsgesellschaft setzt sich seit langem bei den ärztlichen und politischen Entscheidungsträgern dafür ein, dass eine Lösung der Problematik umgesetzt wird, die den Patienten eine qualitativ hochstehende Versorgung zur Verfügung stellt und den Ärzten ausreichende Rechtssicherheit bietet.

    Eine kurzfristige Lösung kann, wie das Bundesministerium für Gesundheit am 30. April zu verstehen gab, nur auf Kriterien des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 19. März 2002 basieren und wird im Versorgungssystem - nicht im Zulassungssystem - zu erarbeiten sein.

    Die Bildung einer Kommission, die kurzfristig für die notwendige Transparenz und medizinische Bewertung des zulassungsüberschreitenden Einsatzes von Arzneimitteln Sorge tragen soll, wird von der Deutschen Krebsgesellschaft als Lösungsweg begrüßt. Gleichzeitig weist sie allerdings daraufhin, dass dieser Lösungsweg keinesfalls dazu missbraucht werden darf, das Problem in eine Kommission abzuschieben. Die Umsetzung wird sich daher daran messen lassen müssen, ob tatsächlich das Ziel erreicht wird, Versorgungslücken für Patienten zu schließen und der Ärzteschaft eine an den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ausgerichtete ausreichend rechtssichere Behandlungsgrundlage zu geben.

    Prof. Dr. R. Kreienberg, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft
    Für die Task Force der Deutschen Krebsgesellschaft und der anderen onkologischen Fachgesellschaften (DGHO, GPHO, BNHO u.a.)


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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