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10.07.2012 11:14

Gift aus der Vergangenheit: Flüchtiges Quecksilber aus historischen Spiegeln (BAM-Pressemitteilung)

Dr. Ulrike Rockland Pressestelle
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)

    Es gibt immer noch historische Spiegel, bei denen Quecksilber auf eine dünne Zinnfolie aufgetragen wurde. Deren Produktion wurde zwar 1886 verboten, nicht aber der Besitz. Mit den Jahren korrodiert bei den Quecksilberspiegeln die Verbindung aus Zinn und Quecksilber (das so genannte Zinnamalgam) oder löst sich vom Glas. Die Verspiegelung wird blind, das Quecksilber wird freigesetzt und bildet giftige Dämpfe. Wie man dies verhindert, und alte Spiegel sicher restaurieren kann, hat die BAM Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung in einem Forschungsprojekt untersucht.

    Experten der BAM haben dabei die Emission aus Zinnamalgamspiegeln gemessen und deutlich nachweisen können, dass die Spiegel Quecksilberdämpfe abgeben. „Die gemessenen Konzentrationen hängen sehr von der Größe der Spiegelflächen und der Größe des Raumes ab, und ob häufig gelüftet wird“, erklärt Projektmitarbeiter Manfred Torge. Quecksilberspiegel erkennt man übrigens an einer eher grau-braunen Lichtreflexion im Vergleich zu der gelb-grünlichen bei Silbernitratspiegeln.

    Um die Quecksilberemission in die Umgebung zu verhindern oder zumindest zu reduzieren, kommen zwei Verfahren in Frage: Zum einen kann man die Spiegelrückseite durch eine undurchlässige Schicht verschließen, zum Beispiel durch eine dünne Glasscheibe. Zum anderen können die Dämpfe des Quecksilbers durch Absorptionsmaterialien gebunden werden. Geeignet sind mit Gold bedampftes Papier, Jodkohle oder auch ein unter dem Handelsnamen Mercurisorb vertriebener Absorber.

    Die Versuche ergaben, dass das Verfahren mit der Glasscheibe nur eine geringe Wirkung hat, da die Randverklebung des Spiegels weiterhin für Quecksilber durchlässig ist. Die Wissenschaftler empfehlen mit Gold bedampftes Papier, welches zwischen spezielle, sehr dünne Kunststoffbahnen gelegt wird. Um bei schon sehr stark geschädigten Spiegeln das Austreten von Quecksilberkügelchen zu verhindern, schlagen die BAM-Experten in der Fachzeitschrift Restauro[1] vor, Mercurisorb oder auch Stäbe aus Zinn oder Zink in einer speziellen Anordnung unten in den Rahmen einzubringen. Adsorbermaterialien und Spiegel dürfen dabei keinen direkten Kontakt zueinander haben.

    Wie viel Quecksilber beispielsweise in einem Museum in die Raumluft abgegeben wird, haben die BAM-Experten in den Räumen des Neuen Palais in Potsdam untersucht. Im Konzertzimmer von Friedrich dem Großen befindet sich eine große Anzahl von historischen Quecksilberspiegeln, weitere lagern in einem Depot. Die gemessene Emission von Quecksilber im Konzertzimmer kann als sehr gering eingeschätzt werden und liegt circa um einen Faktor von 50 unter dem von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen Grenzwert (0,35 ng/l). Auch im Depotraum wurde der Grenzwert nicht erreicht. „In großen Spiegelsälen, wie in Potsdam, ist der Luftwechsel relativ hoch, so dass es zu keiner grenzwertüberschreitenden Anreicherung von Quecksilber kommt“, sagt die diplomierte Restauratorin Sonja Krug. „Bei einem sehr großen Spiegel in einem kleinen abgeschlossenen Raum kann dies schon anders aussehen.“

    Da die Quecksilberspiegelproduktion verboten ist, darf sie heute nur noch in Ausnahmefällen angewandt werden. So wurden beispielsweise bei der Errichtung des Historischen Grünen Gewölbes im wiederaufgebauten Residenzschloss in Dresden 2006 die Quecksilberbeläge wiederhergestellt sowie auch die neuen Spiegel nach dem historischen Verfahren angefertigt. Moderne Technik in Museen, wie sie das Grüne Gewölbe besitzt, filtert sämtliche Schadstoffe aus der Luft, so dass sie von den Besuchern, aber auch den Kunstgegenständen ferngehalten werden.

    [1] RESTAURO - Die Zeitschrift für Restauratoren, Konservatoren & Denkmalpfleger 3/2012; S.30-37

    Kontakt:
    Dr.-Ing. Manfred Torge
    Abteilung 4 Material und Umwelt
    E-Mail: manfred.torge@bam.de

    Sonja Krug
    Abteilung 4 Material und Umwelt
    E-Mail: sonja.krug@bam.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Chemie, Kunst / Design, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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