Altdorf – Operationen am Magen-Darmtrakt dämmen einen Diabetes mellitus offensichtlich doch nicht so wirksam ein, wie bislang angenommen: Wie eine aktuelle US-amerikanische Studie zeigt, tritt der Diabetes bei einem Fünftel der Operierten nach drei bis fünf Jahren wieder auf. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) weist darauf hin, dass angesichts dieser Ergebnisse nach wie vor sehr sorgfältig abzuwägen sei, ob ein chirurgischer Eingriff am Magen-Darm-Trakt bei Menschen mit Diabetes tatsächlich zu vertreten ist.
Immer häufiger setzen Ärzte Methoden der sogenannten Bariatrischen Chirurgie ein, um bei stark übergewichtigen Menschen die Kalorienaufnahme zu reduzieren und einen Typ-2-Diabetes zu verhindern oder in Remission zu bringen. Wurde anfangs vielfach ein Magenband verwendet, so ist es heute eine bestimmte Form des Magen-Bypasses oder die operative Verengung des Magens zum „Schlauchmagen“. Auch die Technik der „biliopankreatischen Diversion“ hat sich als äußerst wirksam, aber auch relativ komplikationsreich erwiesen. Bei dieser Technik wird ein großer Teil des Dünndarms ausgeschaltet. Mit diesen Verfahren soll einerseits die Kalorienaufnahme verringert werden, andererseits aber durch einen drastischen Eingriff in das Hormonsystem des Darmtraktes, das „Inkretin-System“, ein Typ-2-Diabetes zum Verschwinden gebracht werden. Wenn alle anderen Ansätze, das Gewicht zu reduzieren, nicht mehr greifen, werden diese Operationsmethoden auch bei übergewichtigen Menschen mit Diabetes eingesetzt – zunehmend aber auch schon bei nur geringer Ausprägung des Übergewichts.
Der positive Effekt: Diabetes-Remission – wie lange?
Die Bariatrische Chirurgie führt bei einem hohen Anteil von Patienten mit Typ-2-Diabetes dazu, dass sich ihre Blutzuckerwerte wieder normalisieren – auch ohne die vorher oft nötigen Tabletten oder Insulinspritzen. Dieses Verschwinden der Zuckerkrankheit hatte zwei neuen Studien zufolge ein bis zwei Jahre angehalten, wie die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie in einem Blog-Beitrag auf ihrer Homepage berichtet hatte (1). Professor Dr. med. Dr. h. c. Helmut Schatz, DGE-Mediensprecher aus Bochum: „Die Bariatrische Chirurgie ist eine relativ neue Herangehensweise an die Probleme Fettleibigkeit und Diabetes. Geradezu verblüffend ist vor allem die Verbesserung der Glukosewerte, die viel früher einsetzt, als durch den Gewichtsverlauf erklärbar ist.“ Es fehlten jedoch bislang aussagekräftige Ergebnissen von Langzeitstudien, kommentiert Schatz.
Langzeitstudie: Erste Erkenntnisse
Eine am 23. Juni 2012 auf der 94. Jahrestagung der Endocrine Society in Houston/USA vorgestellte Studie der Forscherin Yessica Ramos und ihrer Mitarbeiter (2) ergab jetzt nach etwas längeren Zeiträumen eine Rückfallrate von 21 Prozent. In einer rückblickenden Analyse untersuchten die Forscher dafür Daten von Patienten, die sich im Zeitraum von 2000 bis 2007 in der Mayo Clinic Arizona/USA einer Magenbypassoperation unterzogen hatten. Von 138 Patienten mit Diabetes mellitus wurden 72 mindestens drei Jahre lang nachbeobachtet. Der durchschnittliche Body-Mass-Index (BMI), der sich durch Gewicht (Körpermasse) geteilt durch Körpergröße zum Quadrat errechnet, betrug vor der Operation 45 kg/qm. Von 66 Patienten, deren Diabetes nach der Operation wieder verschwunden war, trat dieser bei 14 wieder auf: bei 5 nach zwei Jahren und bei jeweils 3 nach drei, vier und fünf Jahren. Je länger der Diabetes vor der Operation bestanden hatte, desto wahrscheinlicher war ein Wiederauftreten. Die Experten diskutierten deshalb unter anderem, früher zu operieren.
OP ja oder nein? Ein Abwägungsprozess
Professor Schatz mahnt an, zunächst die Ergebnisse an größeren Patientenzahlen nach längeren Zeiträumen abzuwarten. „Der Typ-2-Diabetes ist durch einen erblich bedingten, über die Jahre fortschreitenden Betazellverlust mit der Folge einer Verminderung der körpereigenen Insulinsekretion charakterisiert. Daher gilt es abzuwägen, welches für den einzelnen Patienten tatsächlich der bessere Weg ist.“ Denn einerseits könne sich der Diabetes zwar operativ bedingt rückbilden, zumindest aber mehr oder weniger lange bessern. Dadurch könnten auch mögliche diabetische Folgekrankheiten wie Erblindungen, Nierenversagen, Herzinfarkte und Schlaganfälle vermindert oder sogar verhindert werden. Dies werden aber erst Langzeitstudien zeigen können, wobei das Überleben letztlich der härteste Parameter sein wird. Auf der anderen Seite stünden die nicht unerheblichen, kurz- und vor allem langfristigen Folgen einer nicht mehr rückgängig zu machenden Operation für den Diabetespatienten. Direkt nach der OP kann es zu einem Auseinanderweichen der Wundränder (Nahtinsuffizienz) im Operationsgebiet und zu Fisteln kommen. Als Folge der Gewichtsabnahme besteht ein erhöhtes Gallensteinrisiko. Zudem können Verwachsungen entstehen. Langfristig muss man auf Defizite im Vitamin- und Nährstoffhaushalt achten und diese ständig ausgleichen. Als wichtig hat sich auch ein stabiles soziales Umfeld erwiesen, und es bedarf einer psychischen Stabilität der operierten Patienten.
Literatur:
(1) Helmut Schatz: Bariatrische Chirurgie im Vergleich zu medikamentöser Therapie bei übergewichtigen Typ-2-Diabetespatienten. Blog-Beitrag vom 2. April 2012, http://blog.endokrinologie.net/bariatrische-chirurgie-medikamentoese-therapie-ty...
(2) Yessica Ramos et al.: Type 2 Diabetes Mellitus Re-Emergence Post Gastric Bypass Surgery. http://www.abstracts2view.com/endo/view.php?nu=ENDO12L_SAT-161&terms=
Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen, zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken, „endokrin“ ausgeschüttet, das heißt nach „innen“ in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben „exokrine“ Drüsen, wie Speichel- oder Schweißdrüsen, ihre Sekrete nach „außen“ ab.
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Anna Voormann, Dagmar Arnold
Postfach 30 11 20
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