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13.07.2012 16:23

Mechanismus für Nervenschmerzen bei der Krebstherapie entdeckt

Dr. Eva Maria Wellnitz Wissenschaftskommunikation der Medizinischen Fakultät
Universitätsmedizin Mannheim

    Mannheimer Forscher veröffentlichen Forschungsergebnisse zu neu entdecktem Mechanismus

    In einem wissenschaftlichen Artikel, der kürzlich in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen ist, berichten Dr. Richard Carr und Kollegen über die Ursache von Missempfindungen, unter denen Patienten, die mit dem Krebsmedikament Oxaliplatin behandelt werden, leiden. Die Wissenschaftler konnten eine übersteigerte Erregung von Nervenzellen bei diesen Patienten auf die Funktionsweise eines bestimmten Natriumkanals zurückführen, der unter der Einwirkung von Oxaliplatin und Kälte nicht mehr korrekt schließt und damit Dauererregungen der Nervenzellen verursacht.

    „Mach’ die Tür zu, es ist kalt!“ Vielen Eltern wird dieser Satz bekannt vorkommen. Forscher aus der Klinik für Anästhesiologie der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) haben in Zusammenarbeit mit den Universitäten München und Erlangen diesem Bild eine vollkommen neue Bedeutung gegeben. Die Erregung von Nervenzellen wird durch Eiweiße in der Zellwand ausgelöst, die sich wie Türen verhalten: Sie halten die im Wasser gelösten Salze aufgrund ihrer Ladung entweder zurück, oder erlauben ihnen den Eintritt, und fungieren damit als „Ionenkanäle“.

    Der Ablauf einer einzelnen Erregung einer Nervenzelle wird dabei durch das einmalige Öffnen der „Tür“ für Natrium eingeleitet, wodurch Natrium-Ionen mit ihrer positiven Ladung in die Zelle gelangen. In einem zweiten Schritt öffnen Türen für Kalium-Ionen. Im Gegensatz zum Natrium sind Kalium-Ionen in der Zelle viel höher konzentriert. Deshalb verlassen die Kalium-Ionen beim Öffnen ihrer Tür die Zelle und beenden damit die Erregung der Nervenzelle.

    Patienten, die wegen einer Krebserkrankung mit Oxaliplatin, einem Zellgift für Krebszellen, behandelt werden, leiden unter extremen Missempfindungen. Diese werden durch Kälte verstärkt und können so unangenehm werden, dass die Patienten die Behandlung unterbrechen müssen. Für lange Zeit wurde vermutet, dass diese Überempfindlichkeit durch eine veränderte Funktion der Sensoren für Kälte vermittelt würde.

    Dr. Richard Carr und seine Kollegen fanden nun heraus, dass das Oxaliplatin das Verhalten der „Türen“ für Natrium bei Kälteeinwirkung drastisch verändert: Während sich die Natriumkanäle beim Gesunden während einer Erregung nur einmal öffnen, bewirkt das Oxaliplatin im Zusammenwirken mit niedrigen Temperaturen, dass die Natriumkanäle nach einer abgelaufenen Erregung ein weiteres Mal öffnen („resurgent current“). Bildlich gesprochen wird dabei ein Fuß in die Tür gestellt („blocking particle“), der verhindert, dass die Tür fest schließt und sich stattdessen erneut öffnet. Dieser Prozess hat für das Neuron fatale Folgen, da mit dem erneuten Öffnen ein neuer Erregungszyklus angestoßen wird. Die Nervenzellen feuern damit nicht enden wollende hochfrequente Salven. Da die Intensität der Empfindung von der Erregungsfrequenz abhängt, fühlt der Patient dieses Erregungsmuster als extrem intensiv.

    Die Gabe von Calcium kann die Symptome der Patienten lindern. Diese Wirkung beruht nach den jüngsten Ergebnissen darauf, dass das wiederholte Öffnen des Natriumkanals Nav1.6 unterdrückt wird. Dr. Carr ist sich sicher, dass die Entdeckung des „resurgent currents“ und seine Verstärkung beim Abkühlen als Ursache für die sich dauernd wiederholende Erregung von Nervenfasern auch ein möglicher Mechanismus für weitere Erkrankungen mit neuronaler Übererregbarkeit und chronischem Schmerz sein kann.


    Weitere Informationen:

    http://www.pnas.org/content/early/2012/04/03/1118058109.full.pdf - Publikation


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    Anhang
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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