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07.08.2012 10:38

Zwischen Hanfried und Friedrich Schiller

Stephan Laudien Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Leiter des Jenaer Uni-Archivs Dr. Joachim Bauer spürt in aktuellem Buch dem „Mythos Universität Jena“ nach

    Um zwei zentrale Figuren rankt sich der Mythos der Jenaer Universität. Das ist zum einen der Stifter, der Kurfürst Johann Friedrich I., gern verkürzt „Hanfried“ genannt. Auf der anderen Seite steht der Namenspatron Friedrich Schiller, einst Professor an der Salana und Bürger der Stadt.
    Dr. Joachim Bauer von der Universität Jena hat es unternommen, dem „Mythos Universität Jena“ nachzuspüren. Ausgehend von der Theorie Jan und Aleida Assmanns vom kulturellen Gedächtnis, hat der Historiker und Leiter des Uni-Archivs das Buch „Universitätsgeschichte und Mythos“ vorgelegt. Es trägt den bezeichnenden Untertitel „Erinnerung, Selbstvergewisserung und Selbstverständnis Jenaer Akademiker 1548-1858“. Bauer nahm dafür die ersten 300 Jahre der Jenaer Universitätsgeschichte in den Blick. Was geschah wirklich? Was wurde des Erinnerns für wert befunden, was wurde Teil des kulturellen Gedächtnisses?

    Bereits die Anfänge der Jenaer Universität seien mythisch gedeutet worden, konstatiert Joachim Bauer. „Dass der Stifter der Hohen Schule inhaftiert war und damit in der Gründungsphase der Hohen Schule in Jena auf dem Tiefpunkt seiner Macht stand, lud zweifellos zu einer Legendenbildung ein“, sagt der Historiker. So wurde Hanfried alsbald mythisch überhöht, zum Streiter für den rechten Glauben stilisiert. Das Lutherische als verbindendes Element rückte ins Zentrum, sagt Bauer. Belegen lässt sich das an der Jenaer Luther-Ausgabe, den Epitaphen der Professoren, ihren Porträts und dem Wappen im Kollegienhof, der Gründungsstätte der alten Universität. „Es entstand eine virtuelle Welt, die ihrerseits neue Tatsachen schaffen konnte“, konstatiert Joachim Bauer. Diese Konstruktion trug maßgeblich zum Überleben der Hohen Schule bzw. Universität bei. Vor allem formte sich bereits damals das Verständnis der „Doppelstadt“: Jena war das geistige, Weimar das politische Zentrum.

    Später, im 19. Jahrhundert, wandelt sich das Bild: Das lutherische Jena wird zum nationalen Jena, maßgeblich auch durch die Aktivitäten studentischer Korporationen. Vorher schon, seit dem frühen 18. Jahrhundert, wird die Wahrnehmung der Jenaer Universität maßgeblich durch das Verhalten der Studenten geprägt. Der „Burschen-Brauch“ schreibt sich auf ganz eigene Weise in die Erinnerungskultur der Universität ein. Dieser „Brauch“, auch als Komment bezeichnet, war das ritualisierte Regelwerk des studentischen Lebens. Zunächst mündlich weitergegeben, wurde der „Burschen-Brauch“ später auch schriftlich fixiert. Der „Renommist“ gilt im 18. Jahrhundert als die typische Zuschreibung für den Jenaer Studenten. Die Hochschule trägt sogar den inoffiziellen Titel einer „Renommisten-Universität“. Eine Übersetzung des Begriffs lautet Raufbold. Sie verweist auf die ruppigen Umgangsformen der Jenaer Studenten, die sich als im Widerstreit mit den städtischen „Philistern“ liegend begriffen haben. Auch hier lassen sich tatsächliches Geschehen und Mythos nur schwer voneinander scheiden. Bauer konstatiert, dass der Ruf einer „Renommisten-Universität“ bisweilen sogar den Ruf der Salana als Hort des wahren Luthertums überstrahlte.

    Ein weiterer zentraler Topos in der Erinnerungskultur der Jenaer Universität ist der Mythos von der nationalen, der „deutschen“ Universität. Vor allem die Festkultur im 19. Jahrhundert, die damit in Verbindung stehenden öffentlichen Denkmalsetzungen und selbst die Vergabe von Ehrendoktorwürden festigten die universitäre Selbstwahrnehmung und brachte sie in das „nationale Gedächtnis der Deutschen“ ein. Schließlich wurde eine sinnstiftende Figur im „Nationaldichter“ Friedrich Schiller gesehen. Obgleich die Namensgebung der Universität erst 1934 erfolgte, sei die Vereinnahmung Schillers als „der Unsere“ schon in den gut 100 Jahren zuvor erfolgt, so Joachim Bauer.

    Bis heute seien die zwei zentralen Figuren Kurfürst Johann Friedrich I. und Friedrich Schiller aus dem Selbstverständnis der Jenaer Universität nicht wegzudenken, denn in beiden Idealtypen spiegeln sich über Generationen gewachsene zentrale Erinnerungsinhalte der „Jenaer Akademiker“ wider.

    Bibliografische Angaben:
    Joachim Bauer: „Universitätsgeschichte und Mythos. Erinnerung, Selbstvergewisserung und Selbstverständnis Jenaer Akademiker 1548-1858“, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012, 544 Seiten, 74 Euro, ISBN: 978-3-515-10098-4

    Kontakt:
    Dr. Joachim Bauer
    Archiv der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Bibliotheksplatz 2, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 940090
    E-Mail: joachim.bauer[at]uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Cover der neuen Publikation.
    Cover der neuen Publikation.

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    Der Autor und Leiter des Jenaer Uni-Archivs Dr. Joachim Bauer.
    Der Autor und Leiter des Jenaer Uni-Archivs Dr. Joachim Bauer.
    Foto: Peter Scheere/FSU
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Geschichte / Archäologie
    regional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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