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19.06.2002 09:48

Alles PISA oder was?

Dr. Christian Jung Stabsreferat Kommunikation
VolkswagenStiftung

    VolkswagenStiftung förderte Pilotprojekt mit Realschulen in Münster:
    Ethnologischer Unterricht für eine stärkere interkulturelle Kompetenz

    Die PISA-Studie hat - neben unterdurchschnittlichen Basiskompetenzen und einer extremen Leistungsstreuung bei Deutschlands Schülern - auch gezeigt, dass Jugendliche mit anderskulturellem Hintergrund durchweg schlechter abschneiden. Immerhin stammen 27 Prozent der 15-jährigen in den alten Bundesländern aus Migrationsfamilien. Nicht nur Sprachprobleme werden als Barriere für einen guten Schulabschluss gesehen. Es stellt sich die Frage, ob das Klima in unserer Gesellschaft diesen Familien die Integration erleichtert, sie zum Beispiel motiviert, die deutsche Sprache zu erwerben.

    Interkulturelle Kompetenz muss Teil der Allgemeinbildung und schon der Schulausbildung sein, da sie eine notwendige Voraussetzung für das Leben in einer multikulturellen Gesellschaft ist. Diese seit Jahren geäußerte Forderung ist mit den Ergebnissen der PISA-Studie dringlicher denn je geworden. In einem von der VolkswagenStiftung geförderten wissenschaftlichen Pilotprojekt an zwei Realschulen in Münster konnte nun nachgewiesen werden, dass ethnologische Unterrichtseinheiten, also lebendig vermittelte Informationen über "Fremde" und "Fremdes", die interkulturelle Kompetenz Jugendlicher deutlich verbessern.

    Das interdisziplinäre Team aus Ethnologinnen, Pädagoginnen und Psychologen erhielt für seine Studie "Die Relevanz ethnologischer Themen für den Erwerb von interkultureller Kompetenz in der schulischen Sozialisation" rund 220.000 Euro Fördermittel der Stiftung. Das Vorhaben wurde gemeinsam vom Institut für Ethnologie der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, Professor Dr. Josephus Platenkamp, und dem Verein Ethnologie in Schule und Erwachsenenbildung (ESE) e.V. durchgeführt; Projektleiterin war Dr. Christiana Lütkes. Beteiligt waren die Geschwister Scholl-Realschule und die Erich Klausener-Realschule in Münster.

    Kontakt Projekt

    Dr. Christiana Lütkes, Dr. Ursula Bertels
    Telefon: 02 51/9 24 01 18
    E-Mail: ese@uni-muenster.de

    Im Schuljahr 2000/2001 wurden Jugendliche der Jahrgangsstufen 7 und 8 in 60 bis 70 Unterrichtsstunden pro Klasse mit dem Alltag in fremden Kulturen vertraut gemacht. In Fächern wie Geschichte, Erdkunde, Politik, Englisch, Religion und auch Textilgestaltung wurden von den Wissenschaftlern und Lehrkräften ethnologische Inhalte eingebracht. Anhand anschaulicher Beispiele vom Leben in anderen Kulturen sollte es den Schülerinnen und Schülern zunächst möglich gemacht werden, sich in fremde Lebens- und Sichtweisen hineinzuversetzen und so einen Perspektivenwechsel zu vollziehen. Das Bewusstsein für ein durch die jeweils umgebende Kultur geprägtes Denken war eines der Hauptlernziele der Pilotstudie. Die Jugendlichen lernten anhand zahlreicher Situationsbeispiele, wie Missverständnisse und auch Konflikte im interkulturellen Kontakt überhaupt entstehen, wie sie vermieden werden können und welche Möglichkeiten ihnen offen stehen, um aktiv zu kommunizieren.

    Mit dem Unterricht war eine projektbegleitende Evaluation verbunden, die in Zusammenarbeit mit einem Psychologen erarbeitet und durchgeführt wurde. Eine als Pre-/Posttest ausgelegte Fragebogenerhebung zur Erfassung der erreichten Projektlernziele wurde ausgewertet; auch wurde anhand von gezielten Fragen, Aufsätzen und der Bearbeitung von Situationsbeispielen sowohl vor als auch nach dem Unterrichtsjahr das Erreichen der Lernziele zum Aufbau interkultureller Kompetenz überprüft. Diese Ergebnisse wurden mit den Daten aus vier Kontrollklassen derselben Jahrgangsstufen verglichen, die keinen ethnologischen Unterricht erhielten. Ein zweiter Bereich der Evaluation bezog sich auf die Bewertung des durchgeführten Unterrichts: Untersucht wurden die Konzepte und Methoden im Hinblick auf ihren Erfolg sowie ihre Akzeptanz bei Schülern und Lehrern. Zum Abschluss des Projektes wurden ausführliche Stellungnahmen der anwesenden Lehrkräfte, der Eltern und der unterrichtenden Ethnologinnen verfasst und bei der Evaluation berücksichtigt.

    Das Ergebnis der Pilotstudie zeigt: Interkulturelle Kompetenz ist erlernbar. Die Auswertung der Fragebögen ergab, dass insbesondere die Technik des Perspektivenwechsels von den Jugendlichen innerhalb kurzer Zeit verstanden und angewendet werden kann. Deutliche Erfolge gab es ebenfalls im Erkennen von ethnozentrischen Äußerungen; auch das Ausmaß negativer Stereotype nahm ab. Der Unterricht verbesserte die Fähigkeiten, interkulturell kritische Situationen zu erkennen und sich aktiv zu verständigen. Beobachtet wurde, dass die am Projekt beteiligten Schüler im Vergleich zu anderen weitaus besser in der Lage waren, ein Problem differenziert und von mehreren Seiten aus zu betrachten, bevor sie sich ein Urteil erlaubten.

    Die qualitative Auswertung der Stellungnahmen zu methodischen und konzeptionellen Aspekten des Unterrichts ergab vor allem von Seiten der Lehrkräfte ein positives Echo: Der Einsatz von Dias und Fotos in der Kombination mit Erfahrungsberichten aus erster Hand wurden immer wieder als besonders effektiv herausgestellt. Was die organisatorische Ebene betrifft, hat das Projekt gezeigt, dass ungewöhnliche Lernmethoden und die Einbindung von externen Lehrkräften mit etwas Engagement der Schulen durchaus kein Problem - etwa im Sinne einer zusätzlichen Belastung - darstellen müssen.

    Im Ergebnis zeigt die Münsteraner Pilotstudie, die im Rahmen des Schwerpunkts "Konstruktionen des 'Fremden' und des 'Eigenen': Prozesse interkultureller Abgrenzung, Vermittlung und Identitätsbildung" von der VolkswagenStiftung gefördert wurde: Das Erlernen interkultureller Kompetenz in der Schule ist kein unrealistisches Ziel. Die Ethnologinnen planen nun ein Folgeprojekt, bei dem auch die Lehreraus- und -fortbildung, die Erarbeitung von Lehrmaterialien sowie von Empfehlungen zu den bestehenden Curricula berücksichtigt werden sollen. Langfristig wird angestrebt, die Vermittlung interkultureller Kompetenz im gesamten Bildungssystem zu etablieren und damit dem Bildungsauftrag zur Vorbereitung auf das Leben in einer multikulturellen Gesellschaft gerecht zu werden. Ein erster konkreter Schritt ist schon getan: Mit einer der beteiligten Realschulen hat sich eine Zusammenarbeit über das Projekt hinaus ergeben; die Ethnologinnen sind inzwischen als Lehrerinnen für interkulturelle Kompetenz - wenn auch befristet und als Teilzeitkräfte - an der Schule beschäftigt.

    Kontakte

    VolkswagenStiftung
    Presse-und Öffentlichkeitsarbeit, Dr. Christian Jung
    Telefon: 05 11/83 81 - 380
    E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de

    Förderinitiative
    VolkswagenStiftung, Dr. Antje Gunsenheimer
    Telefon: 05 11/83 81 - 276
    E-Mail: gunsenheimer@volkswagenstiftung.de


    Weitere Informationen:

    http://www.volkswagenstiftung.de/presse-news/presse02/19062002.htm


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Pädagogik / Bildung, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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