Universität Ulm Pressestelle
Vor dem Bau eines Atomlasers
DFG fördert Projekt zur Erforschung von Quantengasen
Vor der Ära der Quantenmechanik verstand die Physik das Licht als Wellen, während sie der Materie Teilcheneigenschaften zuschrieb. Die Quantenmechanik lehrt nun, daß Licht auch Teilchen- und Materie (z.B. Elektronen oder Atome) auch Welleneigenschaften haben. Die Teilchennatur des Lichts hatte Albert Einstein 1905 postuliert, seinerseits aufbauend auf Beobachtungen von Max Planck an Photonen (Lichtteilchen). Was für Photonen gilt, gilt auch für die Atome der Materie: so zeigt jedes beliebige Objekt auch Welleneigenschaften, wobei die Längen dieser "Materiewellen" umso größer werden, je weiter die Geschwindigkeit des Objektes sich verringert.
Gemäß der Heisenbergschen Unschärferelation wird der Ort eines Teilchens umso unberechenbarer, je genauer man seine Geschwindigkeit kennt. Geht die Geschwindigkeit gegen Null, so wächst die Wellenlänge. Und weil Erwärmung im Prinzip zufällige Bewegung von Materie ist, folgt, daß die Temperatur umso niedriger, je größer die Wellenlänge der Materie ist.
Kondensiertes Superatom
Angeregt durch Arbeiten des indischen Physikers Satyendra Nath Bose, überlegte Albert Einstein um die Mitte der zwanziger Jahre weiter: Irgendwann, wenn man sie weit genug abgekühlt hätte, müßten die Wellen eines Atoms so groß geworden sein, daß sie sich mit denen seiner Nachbarn überlappen. Alle diese Atome würden dann verschmelzen, "kondensieren" zu einer Art "Superatom" auf dem niedrigsten erreichbaren Energieniveau.
Dieses Phänomen, die "Bose-Einstein-Kondensation" (BEC), wurde Mitte 1995 erstmals von Wissenschaftlern an der University of Colorado und am National Institute of Standards and Technology (Boulder, Col.) experimentell beobachtet, indem man Alkali-Atome im Hochvakuum in einer magneto-optischen Atomfalle bis auf Bruchteile von Graden über dem absoluten Nullpunkt (-273,15°C) abkühlte. In einer BEC besetzen sämtliche Atome, zumindest theoretisch, exakt denselben Quantenzustand - ganz, wie in einem Laserstrahl jedes Photon exakt dieselbe Frequenz (Farbe) hat. Und ganz wie die Photonen eines Laserstrahls sind die Teilchen in einem Bose-Einstein-Kondensat kohärent, das heißt ihre Wellenverläufe stimmen exakt miteinander überein, sie schwingen gewissermaßen im Gleichtakt. Diese Synchronisation und die dadurch resultierende gewaltige Energiedichte macht aus dem homogenen Kondensat der BEC einen potentiellen Atomlaser.
Ulmer Anteil in zwei Teilen
Der Bau eines solchen Atomlasers ist ein wesentliches, wiewohl nicht das einzige Ziel eines Forschungsprojekts der Universitäten Ulm und Konstanz mit dem Titel "Quantengase", das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zum 1. März 1997 mit insgesamt sechs Teilprojekten für eine Laufzeit von zunächst zwei Jahren genehmigt und mit insgesamt zehn Doktorandenstellen ausgestattet wurde. Untersucht werden sollen in diesem Projekt zum einen Teilchensysteme, die Bose-Einstein-Kondensationen zeigen - auch als "bosonische Systeme" bezeichnet -, zum anderen sogenannte "fermionische Systeme", bei denen sich jedes Teilchen in einem anderen Quantenzustand befindet. Auch diese Systeme lassen unter Tiefsttemperaturbedingungen interessante Effekte erwarten.
Während bei den experimentellen Arbeiten in Konstanz die Erzeugung und Beschreibung der Bose-Einstein-Kondensation mit dem Ziel eines funktionsfähigen Atomlasers im Vordergrund steht, setzt sich der (theoretische) Ulmer Anteil an den geplanten Projekten aus zwei Teilen zusammen: zum einen soll eine möglichst einfache Theorie für die Beschreibung wesentlicher Eigenschaften eines Atomlasers entwickelt werden - etwa nach dem Vorbild der semiklassischen Lasertheorie von Hermann Haken/Eugene Willis Lamb, die beim optischen Laser sehr erfolgreich war. Zum andern sollen Methoden entwickelt werden, die es ermöglichen, aus experimentell zugänglichen Daten Informationen über den Quantenzustand eines Bose-Einstein-Kondensats zu erhalten und damit dem Phänomen der BEC weiter auf den Grund zu gehen.
Forschungsboom
Das größte Potential des Atomlasers, meint Projektmitarbeiter Dr. Karl Vogel in der von Leibnizpreisträger Prof. Dr. Wolfgang Schleich geleiteten Abteilung Quantenphysik der Universität Ulm, liege gegenwärtig im Bereich der Grundlagenwissenschaft. Die Perspektive, über eine stabile Quelle zustandsgleicher kohärenter Atome zu verfügen, hat schon jetzt einen Boom in der einschlägigen Forschung ausgelöst, sowohl auf theoretischer als auch auf experimenteller Ebene. Auch einige interessante praktische Nutzungsformen sind bereits ausgemacht, beispielsweise die Darstellung atomar feiner Strukturen auf Halbleiterbauelementen. Die Hoffnung scheint nicht unbegründet, daß die Verwirklichung des Atomlasers für viele Gebiete der Physik ebenso stimulierend sein könnte, wie es die Entwicklung des optischen Lasers in den sechziger Jahren war.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Mathematik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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