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12.10.2012 18:20

Nobelpreisgekrönte Strukturbiologie. Zur Erforschung medizinisch relevanter Eiweißstrukturen

Christian Wißler Mediendienst Forschung
Universität Bayreuth

    Für ihre bahnbrechenden Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der G-Protein gekoppelten Rezeptoren (GPCR) wurde der Nobelpreis für Chemie 2012 den US-amerikanischen Proteinforschern Robert J. Lefkowitz und Brian K. Kobilka zuerkannt. Die Auszeichnung unterstreicht die große Bedeutung der Erforschung von biologisch und medizinisch relevanten Eiweißstrukturen. In Deutschland besitzt das Forschungszentrum BIOmac der Universität Bayreuth auf diesem Gebiet herausragende Kompetenzen. Auf Empfehlung des Wissenschaftsrates wurde den Bayreuther Forschern um Prof. Dr. Paul Rösch kürzlich das weltweit leistungsstärkste NMR-Spektrometer mit einem Investitionsvolumen von 12 Mio. Euro bewilligt.

    Wichtige Vorgänge im Körper, angefangen von Sehvorgängen über die adrenalingesteuerte Stressantwort bis hin zur Regulation der Elektrolytkonzentration im Blut, werden von so genannten G-Protein gekoppelten Rezeptoren gesteuert. Rezeptoren sind Eiweißstrukturen, die an den äußeren Membranen von Zellen lokalisiert sind und das Zellinnere mit dem Zelläußeren verbinden. Damit ermöglichen sie die Weiterleitung von biologischen Signalen über Zellmembranen hinweg. Im Falle der G-Protein gekoppelten Rezeptoren sind es Hormone, zum Beispiel Parathormon oder Adrenalin, und Neurotransmitter, etwa Dopamin, die an der Zellaußenseite an die Rezeptormoleküle binden und damit Reaktionen im Zellinneren auslösen, an denen sogenannte G-Proteine beteiligt sind. Damit ist die korrekte Funktionsweise dieser Signalwege eng verknüpft mit vielen Krankheiten, von der Parkinsonschen Krankheit über Asthma bis hin zur Osteoporose.

    Für die Erforschung der G-Protein gekoppelten Rezeptoren haben die Professoren Robert J. Lefkowitz (Howard Hughs Medical Institute & Duke University Medical Center, Durham, North Carolina) und Brian K. Kobilka (Stanford University, Stanford, Kalifornien) den Nobelpreis für Chemie 2012 je zur Hälfte erhalten. Die beiden Biochemiker sind die Entdecker dieser Rezeptoren. Kobilka konnte ihre Entdeckung mit der Aufklärung der räumlichen Struktur des so genannten ß2-adrenergen Rezeptors mit einem gebundenen Liganden krönen.

    "Die Bindung eines Hormons an der Zellaußenseite an G-Protein gekoppelte Rezeptoren führt zu einer Änderung in der räumlichen Struktur des Rezeptors, der damit das Hormonsignal ins Zellinnere weiterleitet. Dadurch werden Proteine in den Zellen aktiviert, die so verschiedene Reaktionen wie Erhöhung der Herzfrequenz, Erhöhung des Blutkalziumspiegels und Änderung der Anspannung der glatten Muskulatur zur Folge haben. G-Protein gekoppelte Rezeptoren sind die Angriffspunkte von etwa der Hälfte der derzeit auf dem Markt befindlichen Medikamente, etwa gegen Bluthochdruck, Migräne, Osteoporose und Morbus Parkinson. Die weithin verwendeten Antihistaminika gegen allergischen Reaktionen sind ebenfalls gegen G-Protein gekoppelte Rezeptoren gerichtet", erklärt Paul Rösch, Direktor des Forschungszentrums für Bio-Makromoleküle (BIOmac) an der Universität Bayreuth. "Die Auszeichnung von Strukturbiologen mit dem Nobelpreis unterstreicht die Bedeutung dieser Wissenschaftsdisziplin für die Medizin aufs Neue", ergänzt Rösch, dessen Arbeitsgruppe bereits vor mehreren Jahren durch die Aufklärung der räumlichen Struktur des Parathormons einen Beitrag zu dem Gebiet der G-Protein gekoppelten Rezeptoren leisten konnte.

    Am Forschungszentrum BIOmac der Universität Bayreuth wird mit großer Intensität an biologisch und medizinisch relevanten Eiweißstrukturen geforscht. Neben der vom Lehrstuhl Biochemie (Profs. Steegborn und Blankenfeldt) vertretenen Methode der Röntgenstrukturanalyse, wie sie zur Aufklärung der Struktur der G-Protein gekoppelten Rezeptoren benutzt wurde, wird innerhalb des Forschungszentrums vor allem die Methode der magnetischen Kernresonanz-Spektroskopie (NMR-Spektroskopie) eingesetzt. "Mit dieser Technik lassen sich besonders Konformationsänderungen, also Strukturänderungen in Eiweißen bei Signalweiterleitungsprozessen, sehr gut erforschen", erläutert Stephan Schwarzinger, Dozent am Forschungszentrum. Das Team um Paul Rösch arbeitet unter anderem an den molekularen Grundlagen bakterieller Infektionen und Allergien. "In diesem Zusammenhang werden hier auch neue NMR-basierte Methoden für die Lebensmittelanalytik und Qualitätskontrolle entwickelt", fügt Schwarzinger hinzu.

    Eine besondere Auszeichnung wurde dem Forschungszentrum kürzlich durch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern zuteil: Auf Empfehlung des Wissenschaftsrates wurde den Bayreuther Forschern das weltweit leistungsstärkste NMR-Spektrometer mit einem Investitionsvolumen von 12 Mio. Euro bewilligt, das im Nordbayerischen Zentrum für hochauflösende NMR (NZN) betrieben werden wird. Das NZN kann im Rahmen der "Langen Nacht der Kultur und der Wissenschaften" am 27. Oktober 2012 auf dem Bayreuther Universitätscampus besichtigt werden.

    Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Paul Rösch
    PD Dr. Stephan Schwarzinger
    Forschungszentrum für Bio-Makromoleküle (BIOmac)
    Universität Bayreuth
    D-95440 Bayreuth
    Tel. +49 (0)921 55-3540 und 55-2046
    E-Mail: roesch@unibt.de / stephan.schwarzinger@uni-bayreuth.de


    Bilder

    Bändermodell eines G-gekoppelten Rezeptors mit einem gebundenen Modellwirkstoff (rot; PDB-ID 3PDS; Rosenbaum, Gmeiner, Kobilka et al. (2011) Nature 469, 236-240).
    Bändermodell eines G-gekoppelten Rezeptors mit einem gebundenen Modellwirkstoff (rot; PDB-ID 3PDS; R ...
    Abbildung: Forschungszentrum BIOmac, Universität Bayreuth; zur Veröffentlichung frei.
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Chemie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wettbewerbe / Auszeichnungen
    Deutsch


     

    Bändermodell eines G-gekoppelten Rezeptors mit einem gebundenen Modellwirkstoff (rot; PDB-ID 3PDS; Rosenbaum, Gmeiner, Kobilka et al. (2011) Nature 469, 236-240).


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