Wissenschaftler der Universitätskliniken Jena, Charité, Regensburg und von der HU Berlin konnten neue Genregulationsmechanismen für den Hypoxie-induzierten Faktor HIF-1alpha aufklären, der in den Zellen die Anpassungsprozesse auf Sauerstoffunterversorgung vermittelt. Dabei zeigten sie mit Hilfe systembiologischer und molekularbiologischer Ansätze, wie die Produktion von HIF-1alpha auch unter normalen Sauerstoffbedingungen vom Regulationsfaktor Tristetraprolin (TTP) beeinflusst wird und sich auf die Bildung von Immunzellen auswirkt. Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse sind auch für eine zukünftig mögliche therapeutische Beeinflussung von HIF-1 relevant.
Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms vor knapp zehn Jahren hat die Biomediziner im Verständnis der Funktionsweise des menschlichen Organismus vorangebracht – und vor unzählige neue Fragen gestellt. Denn die Übersetzung der genetischen Information in die Produktion von Wachstumsfaktoren, Zellbausteinen oder Signalproteinen verläuft nicht starr mechanistisch wie ein ISO-zertifizierter Produktionsprozess. Sie wird vielmehr von einer Vielzahl von Nebenbedingungen beeinflusst, damit sich der Körper optimal an die Umgebung und Umweltbedingungen anpasst.
Der Hypoxie-induzierte Faktor HIF-1alpha ist ein solcher Genregulationsfaktor: Ausgelöst von Sauerstoffmangel kann das Protein an DNA binden, so die Produktion der darin verschlüsselten Proteine regulieren und damit eine Vielzahl von Zellprozessen wie z.B. Bluttransport, die Bildung roter Blutkörperchen oder neuer Gefäße beeinflussen. Das Ziel dabei ist, den Sauerstoffmangel kurz- oder auch langfristig zu kompensieren. „Aber auch unter normalen Sauerstoffbedingungen greift HIF-1alpha beispielsweise in Immunprozesse ein; wie und warum ist kaum untersucht“, so Professor Ralf Mrowka, Leiter der Arbeitsgruppe Experimentelle Nephrologie an der Klinik für Innere Medizin III des Jenaer Uniklinikums.
Systembiologische und biochemische Methoden
Bei der Suche nach potentiellen Regulationsfaktoren und Mechanismen bedienten sich die Jenaer Wissenschaftler zusammen mit Biochemikern und Systembiologen von der Charité, dem Uniklinikum Regensburg und der Humboldt-Uni Berlin sehr unterschiedlicher Methoden. „Beim Datenbankvergleich der Genome von 15 Wirbeltieren fiel uns auf der DNA für den Faktor HIF-1alpha ein Abschnitt auf, der während der Evolution über Jahrmillionen nahezu identisch erhalten geblieben war, also eine sehr wichtige Funktion haben muss. Da der Abschnitt keine Information für das Protein selbst enthält, konnte er nur eine zentrale Rolle bei der Regulation der HIF-1alpha-Produktion spielen“, beschreibt Mrowka das detektivische Vorgehen. In einer weiteren systembiologischen Analyse identifizierten die Wissenschaftler dann Tristetraprolin (TTP) als denjenigen Faktor, der an den erhaltenen DNA-Abschnitt anbindet und so in die HIF-1alpha-Produktion eingreift.
Um diese im Zellkultur-Experiment beobachteten Zusammenhänge aufzuklären, verließen die Wissenschaftler das Labor zunächst und verglichen drei verschiedene mögliche Regulationsszenarien anhand mathematischer Modelle. Das wahrscheinlichste ließ sich dann wieder mit weiteren molekularbiologischen Tests bestätigen: Es hängt von der Phosphorylierung, dem Anbinden von Phosphatgruppen an TTP ab, wie dieser Faktor die Produktion von HIF-1alpha beeinflusst.
Regulierung von HIF-1alpha bei Gefäßneubildung und Tumorwachstum
Diesen komplexen mehrstufigen Regulationsmechanismus konnten die Forscher um Professor Mrowka dann in einem konkreten physiologischen Modell schrittweise mitverfolgen: „TTP ist ein wichtiger Faktor für die Aktivierung von HIF-1alpha bei der Ausdifferenzierung von Immunzellen. Damit verstehen wir einige Regeln mehr, nach denen HIF-1alpha bei Gefäßneubildung und Tumorwachstum agiert und die sich künftig vielleicht zur Behandlung von Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen beeinflussen lassen.“
Originalliteratur:
M. Fähling et al. Multilevel regulation of HIF-1alpha signaling by TTP, 2012, Molecular Biology of the Cell, doi:10.1091/mbc.E11-11-0949
http://www.molbiolcell.org/content/early/2012/08/20/mbc.E11-11-0949.abstract#
Kontakt:
Prof. Dr. Ralf Mrowka
Experimentelle Nephrologie, Klinik für Innere Medizin III, Universitätsklinikum Jena
Tel: 03641/9396600
E-Mail: Ralf.Mrowka[at]med.uni-jena.de
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