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11.03.1998 00:00

Mathematik-Studenten kooperieren mit japanischen und italienischen Kommilitonen

Jochen Brinkmann Kontaktstelle Schule - Universität
Technische Universität Clausthal

    TULKA-Internet-Seminar vermittelt neue Lehrformen

    Im Frühjahr 1997 haben Mathematiker aus Tübingen, Ulm und Karlsruhe (TULKA) eine neue Idee für eine internationale Kooperation in der Lehre entwickelt und in die Tat umgesetzt. Es wurde weltweit zu einer Beteiligung an einer neuartigen Lehrveranstaltung, an einem Internet-Seminar aufgerufen. Das Echo war sehr erfreulich, es haben sich Interessenten aus über fünfzehn Zentren gefunden und mehr als dreißig Studenten haben sich beteiligt. Dazu gehören Forschergruppen bzw. deren Studenten u.a. aus Frankreich, Italien, USA, Japan, Marokko. Die Grundidee diese Internet-Seminars ist folgende: Man wählt sich für ein Jahr ein gewisses Themengebiet aus, das weltweit studiert werden soll. Dazu soll die Verantwortung jährlich von einer anderen Hauptgruppe getragen werden. In diesem akademischen Jahr 1997/98 wird das Seminar von der Arbeitsgruppe Funktionalanalysis in Tübingen, insbesondere von Professor R. Nagel, Dr. K. Engel und Frau Dipl. Math. F. Kühnemund getragen. Das Seminar befaßt sich mit der Theorie einparametriger Operatorhalbgruppen, es richtet sich nach einem Buchmanuskript der Herren Engel und Nagel.

    E-Mail und vor allem das World-Wide-Web, mittels eines Programms namens BSCW (Basic Support for Cooperative Work), sind die elektronische Basis der Kooperation. Das BSCW -Programm dient als elektronisches Bulletin Board, das heißt, jeder Teilnehmer kann Nachrichten oder auch andere Dateien deponieren, die für alle Benutzer zugänglich sind.

    Gleichzeitig schafft dieses System eine gewisse Ordnung: In einem Verzeichnis kann das Studienmaterial, d.h. also Abschnitte des Buches, abgerufen werden. In einem anderen Verzeichnis sind die Übungsaufgaben zusammengefaßt.Zudem gibt es ein Pinboard zum Austausch von allgemeinen Bemerkungen, z.B. für Kommentare oder Fehlerkorrekturen zum Manuskript oder den Übungsaufgaben aber auch für nicht-mathematische Nachrichten. Leider hat dieses System auch seine Tücken: Das Programm ist komplexer als eigentlich nötig und dadurch zunächst unübersichtlich. Es sind eben nicht nur die Informationen da, die man braucht, sondern auch noch viele, die man nicht braucht. Wenn man jedoch einmal mit dem Programm vertraut ist, sind das keine Probleme mehr, aber sich damit vertraut zu machen, erfordert erheblichen Aufwand. Zudem ist das System oft langsam, so daß die Arbeit insgesamt ziemlich zeitaufwendig ist. Ein anderes prinzipielles Problem der derzeitigen Organisationsform besteht darin, daß den Organisatoren die Rückkopplung zum Lernerfolg in den Gruppen fehlt. Wenn zum Beispiel in einer Gruppe alles normal abläuft, können die Organisatoren dies nicht einschätzen.

    Das Seminar ist in drei Abschnitte gegliedert. Im ersten Teil, d.h. im Wintersemester 1997/98 wurden zunächst die Grundlagen in der Theorie der einparametrigen Operatorhalbgruppen erarbeitet. Diese Theorie ist für viel Gebiete der Physik und der Technik wesentlich, derartige Operatorhalbgruppen beschreiben z.B. die Wärmeleitung in technischen Systemen, sie ermöglichen Aussagen über die Dynamik von Quantensystemen oder über die Spektren von Atomen.

    Aus Clausthal haben fünf Studenten mit Interesse und Engagement am TULKA-Seminar teilgenommen. Betreut wurden sie dabei von Professor Dr. Michael Demuth und Dr. Walter Renger. Dr. Renger hatte die Studenten im Sommersemester 1997 in einem Schnellkurs an die Problematik herangeführt, was den Einstieg erheblich erleichterte. Während der ersten Phase des Seminars im Wintersemester 1997/98 traf man sich wöchentlich. Die Koordinatoren beantworteten Fragen oder hielten auch ergänzende Vorlesungen, hauptsächlich trugen jedoch die Studenten den erarbeiteten mathematischen Inhalt vor. So konnte das Internet-Seminar gleichzeitig für die Diplomausbildung als ein Hautseminar gewertet werden.

    Am Anfang standen für die Studenten eher technische Probleme im Vordergrund. Wie kommt man an die Informationen im World-Wide-Web heran? Wie schickt man Antworten dahin? Wie schreibt man überhaupt mathematische Formeln so, daß sie über E-Mail verschickt werden können? Wie heißt dieser oder jener mathematische Begriff im Englischen? Im weiteren Verlauf rückte dann mehr die Mathematik in den Vordergrund. Es gab sehr gute Lösungsbeiträge zu einigen Aufgaben von unseren Studenten aus Clausthal, es wurden Fehler bei anderen Lösungen entdeckt; ebenso fand man kleinere Unebenheiten im Buchmanuskript.

    Man merkte, daß die Studenten begonnen haben, zu lernen, wie man wissenschaftlich kooperiert, wie man sich weltweit in Verbindung setzt, wie man Probleme wissenschaftlich darstellt und diskutiert. Es war der Beginn einer wissenschaftlichen Tätigkeit, wie sie für forschende Mathematiker die Regel ist.

    Die zweite Phase besteht jetzt in einer tatsächlichen internationalen Kooperation. Die Clausthaler Studenten sollen mit Partnern einer anderen (möglichst ausländischen) Universität einen Seminarvortrag erarbeiten. Dazu wurden von den Organisatoren verschiedene Themen gestellt, aus denen die Studenten auswählen konnten. Die Clausthaler Studenten fanden Partner in Japan und Italien. Bei der Themenwahl haben ihnen die Koordinatoren geholfen, es sollte nicht zu schwer und nicht zu leicht werden. Auch wird dann die Erarbeitung der Vorträge weiter von Professor Demuth und Dr. Renger betreut.

    Schließlich geht die zweite Phase in den Höhepunkt des ganzen Jahres über. Alle Studenten, die erfolgreich ein Jahr lang mitgearbeitet haben, treffen sich für eine Woche zu einer Seminartagung in Blaubeuren. Das ist ein schöner kleinen Ort in Baden-Württemberg in der Nähe von Ulm. Sein Name kommt von einer unterirdischen Höhle mit blauem Wasser, das an einer Stelle, dem Blautopf, ans Tageslicht kommt, und erstaunlich blau aussieht.Die Studenten sollen dann dort die erarbeiteten Vorträge halten.

    Im Auditorium sitzen sowohl die anderen Kommilitonen als auch die Professoren und Koordinatoren der einzelnen beteiligten Gruppen. Es soll die erste kleine wissenschaftliche Konferenz für die Studenten werden. In diesem Zusammenhang sei ein weiterer Vorteil der Zusammenarbeit über Internet erwähnt. Zwei der Clausthaler Teilnehmer werden das nächste Semester in Schottland verbringen. Aber da das Seminar nicht an einen Ort gebunden ist, sollte es für sie kein Problem sein, weiter daran teilzunehmen und dann auch nach Blaubeuren zu kommen.

    Das TULKA-Internet Seminar ist der Beginn einer neuen Lehrform. Da in der Industrie und in der Wissenschaft die Kommunikation immer mehr über E-Mail und World-Wide-Web erfolgt, liegt es nahe, dir Studenten im Studium mit diesen Medien vertraut zu machen. Diese Form der Kommunikation ermöglicht es Studenten aus aller Welt, an dem internationalen Lehrbetrieb und Erfahrungsaustausch teilzunehmen.

    Weitere Informationen: Institut für Mathematik, Professor Dr. Michael Demuth, Tel. 05323 72 2411, Fax. 05323 72 2304, E-Mail: demuth@math.tu-clausthal.de, Erzstr. 1, 38678 Clausthal-Zellerfeld


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Informationstechnik, Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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